Christine Westermann„Wenn die mit dem Geld wenigstens die Straßen reparieren würden“

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Christine Westermann in der Siebengebirgsallee in Klettenberg: In dem Kölner Viertel lebt seit seit zehn Jahren. 

  • Moderatorin Christine Westermann lebt seit zehn Jahren in Klettenberg. Beim Spaziergang durch ihr Heimat-Veedel erzählt sie von ihren Lieblings-Orten, aber auch von der Parkplatznot und dem Ordnungsamt, das die Situation in ihren Augen ausnutzt.
  • Nicht immer glücklich ist sie mit den vielen Müttern und Kindern in Klettenberg und Sülz, obwohl sie Kinder liebt. Das stillgelegte Büdchen neben der KVB-Haltestelle Sülzburgstraße nennt sie ein „Monument architektonischen Versagens”.
  • Eine lustige Anekdote hat sie mit ihrem prominenten Freund, Designer Guido Maria Kretschmer, in der Gaststätte „Eckstein” erlebt.

Köln – Christine Westermann braucht kein Haschisch, um in höhere Sphären abzudriften: Ein Gespräch über Klettenberg reicht völlig. „Ich bin gerade von meinem eigenen Viertel völlig bekifft“, stellt sie fest, nachdem sie eine halbe Stunde lang die Lieblingsorte in ihrer Wahlheimat aufgezählt und ausführlich beschrieben hat.

Lachen. Dann ein Schluck Cappuccino. Höchstpersönlich serviert vom Chef des „Lo Sfizio“, dem Startpunkt des Spaziergangs durch das Veedel der Moderatorin. In dem italienischen Bistro an der Ecke Luxemburger Straße/Gottesweg feiert Westermann seit Jahren jeden Dezember Geburtstag, „da lasse ich es richtig krachen“. Vor allem bei der letzten Feier, als sie 70 wurde. „Die Party ging von mittags bis Mitternacht.“

Sie schwärmt von den Mortadella-Brötchen und den Nudeln mit frischen Trüffeln, die derzeit auf der Karte stehen. Und von Pino, dem Inhaber, der eigentlich Giuseppe Cidro heißt und mit einer Leichtigkeit scherzt wie das nur einer kann, der den ganzen Tag trainiert. „Pino und sein Laden sind so ein wunderbares Drehkreuz“, sagt Westermann. „Er kennt alle und weiß alles übers Viertel – und über den FC.“

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Giuseppe Cidro vom Stammcafé „Lo Sfizio“

Seit zehn Jahren lebt sie in Klettenberg in Nähe der Luxemburger Straße, davor hat sie in Sülz gewohnt. „Totaler Zufall“ habe die Wahl ihres Veedels damals bestimmt. Heute ist sie Klettenbergerin aus Überzeugung. „Ich muss nicht in die Innenstadt. Wenn, dann zum WDR, ansonsten habe ich hier alles.“ Wobei „alles“ nicht ganz zutreffend ist: Parkplätze gibt es kaum. „Nach 16 Uhr hat man hier keine Chance mehr“, sagt Westermann und zeigt in die Siebengebirgsallee, wo sich auf beiden Seiten Stoßstange an Stoßstange reiht. „Das Ordnungsamt kennt die Situation genau und beginnt trotzdem ab sieben Uhr morgens mit den Kontrollen. Wenn die mit dem Geld wenigstens die Straßen reparieren würden.“ Viele Straßen im Viertel seien „total hinüber und nur notdürftig zusammengeflickt. Meine Fahrradspeichen gehen davon kaputt, Erdbeeren im Korb werden zu Püree. Da möchte ich am liebsten kurzfristig in Steuerstreik treten. Wenn ich mal OB von Köln werde, repariere ich zuerst die Straßen von Klettenberg und Sülz. Dann hört auch das Fahrradfahren auf den Gehwegen auf.“

Als Bewerbung will Westermann das aber nicht verstanden wissen. Sie befürwortet Henriette Rekers Kandidatur für eine zweite Amtszeit: „Ich finde es bewundernswert, dass sie sich das noch einmal antun will und es schafft, gegen diesen Klüngel zu regieren. Natürlich hat sie es doppelt schwer, weil sie keiner Partei angehört – und eine Frau ist.“

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Auf ein Schwätzchen mit Monier Zuri vom Lokal „Eckstein“

Traditionell wähle sie Grün, sei aber mit der grünen Stadtpolitik derzeit überhaupt nicht einverstanden. „Ich werde sauer, wenn ich den Eindruck von Ökostalinismus bekomme. Bei der hitzigen Diskussion um den Ausbau der Trainingsplätze des FC geht es doch nicht darum, den gesamten Grüngürtel zu versiegeln“, sagt die FC-Dauerkarten-Besitzerin, die häufig die Heimspiele besucht. „Also Leute, redet miteinander, schreit nicht rum. Ansonsten versucht’s mal mit einem Mediator.“

Monier Zuri steht brötchenkauend vor seinem Gasthaus „Eckstein“ in unmittelbarer Nähe der Bahnhaltestelle Sülzburgstraße. Die Umarmung fällt herzlich aus. „Hier ist das zweite Drehkreuz von Klettenberg“, erklärt Westermann. „Das war bis vor wenigen Jahren eine trostlose Kneipe mit einem der unfreundlichsten Wirte der Republik.“ Bis Zuri das Lokal im Juni 2015 übernahm. Westermann schaut besonders gerne rein, nachdem sie im Weißhaus-Kino einen Film gesehen hat, zuletzt Tarantino. „Das Eckstein ist wieder eine echte Konkurrenz für die Kneipen im Veedel. Vielleicht hat es den Petersberger Hof schon überholt.“ Selbst an Karneval gehe es hier noch entspannt zu, Beispiel Rosenmontag: „Keine Riesenschlange vor der Tür, alles easy.“ Westermann erinnert sich lachend, wie sie dem 38-jährigen Gastwirt fast einen Herzinfarkt beschert hätte. Im Winter ging sie mit ihrem Mann und einem prominenten Freund dort essen: Designer Guido Maria Kretschmer. Die Runde bestellte Gans. „Der Braten war absolut klasse, aber die Klöße haben innen gestaubt.“ Auch die eilige Wiederholung durch den Chef höchstpersönlich misslang. „Monier wäre beinah in Ohnmacht gefallen.“ Seit diesem Abend seien sie sich noch herzlicher verbunden.

„Architektonisches Versagen“

Auf dem Platz vor dem „Eckstein“ steht ein mit Plastikplanen abgedichteter Klotz, der alte Kiosk. „Ein Monument des architektonischen Versagens. Wir sind alle sehr gespannt, was daraus wird“, sagt Westermann, tritt näher an das Gebäude heran und begutachtet den orangenen Zettel, der daran befestigt ist. Ein Schreiben der Stadt: „Die Baustelle ist ordnungsbehördlich stillgelegt.“ Kopfschütteln. „Jede Wette, dass das in einem Jahr immer noch genauso aussieht hier.“

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Mit Plastikplanen sind die Fenster dieses Betonklotzes an prominenter Stelle neben der Luxemburger Straße zugeklebt.

Wir spazieren den Gottesweg runter, Westermann zeigt alle paar Meter auf ein Geschäft oder ein Restaurant. Den Weinhandel Steinmetz findet sie toll, auch gebe es „wunderbare Kneipen“ wie die Weinkneipe Pradels. Zwischendurch kommt auch noch der Klettenbergmarkt lobend zur Sprache: Westermann kauft dort gerne ihre Kleider.

„Kein Milchreis-Eis?“, ruft Westermann gespielt entrüstet vor dem Café „Savoca“ am Gottesweg 139. Sie winkt Inhaber Grischa Savoca zu, der draußen gerade Gäste abkassiert. „Grischa macht das beste Milchreis-Eis der Welt. Das ist der Hammer, weil es aus richtig gekochtem Milchreis besteht“, erklärt sie dann und schaut sich um. „Diese Zeile hier ist im Sommer einfach wundervoll. Das Savoca, Arte e Bar und die Trattoria Riviera. Drei Sizilianer nebeneinander.“ Milchreis-Eis laufe im Moment leider nicht so gut, erklärt der Chef bedauernd, die beiden duzen sich. Westermann bestellt gleich eine große Portion für ihren Geburtstag in zwei Monaten.

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Auf dem Rückweg zur Luxemburger erzählt sie, die Schlangen vor dem Savoca seien im Sommer ewig lang, die Tische draußen meist mit Müttern und Kindern besetzt. Den Kinderreichtum im Veedel beobachte sie mit Erstaunen. „Ich finde das toll, obwohl ich selbst keine Kinder habe. Ich habe nie den Mann getroffen, mit dem ich das wirklich wollte. Und alleinerziehend wollte ich nicht sein.“

Ihr Mann meine, Sülz und Klettenberg seien der größte Freilichtkindergarten Deutschlands. Bei aller Kinderliebe staune sie zuweilen aber auch über manche Rücksichtslosigkeit. „Wenn Mütter auf Gehwegen oder dem Klettenbergmarkt mit ihren Kinderwagen den kompletten Weg versperren, sich keinen Millimeter bewegen, wenn man vorbei will, schwillt mir schon der Kamm.“ Oder die zuweilen antiautoritäre Erziehung in den Cafés. „Da gehen die Kinder schon mal an die Regale, reißen Sachen runter, obwohl die Mamas schon vorher zehn Mal ganz lieb und geduldig Nein gesagt haben. So süß ich Kinder finde: Manchmal reicht süß und geduldig einfach nicht.“

„Unfertiges Stück Köln“

Wir überqueren die Luxemburger Straße, um auf der Sülzburgstraße zu bummeln. „Für mich ist das hier keine Grenze. Wir Klettenberger haben Sülz doch längst eingemeindet“, sagt Westermann und macht auf das einstöckige Merzenich-Gebäude und das ebenso niedrige Café Heilandt aufmerksam. „Das ist ein merkwürdig unfertiges Stück Köln, wo man den Krieg noch sieht. Find ich interessant. Aber warum darf Merzenich so einen hässlichen Trumm auf sein Flachdach bauen?“ Gemeint ist die auffällige Belüftungsanlage. „Wer genehmigt so etwas eigentlich?“

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Kriegslücke an der Luxemburger Straße

An der Luxemburger Straße stadteinwärts hätten viele Läden dicht gemacht, erzählt Westermann. „Ich habe Angst, dass da nur noch Handyläden hinkommen.“ Und damit langsam die Anonymität Einzug halte. Noch sei alles nah und nachbarschaftlich. „Die Mitarbeiter in der Ahorn-Apotheke zum Beispiel sind klasse. Man ruft um 10 Uhr morgens an, und nachmittags bringen sie die Medikamente nach Hause.“ Und dann die Katastrophe im Kleinen: Lieblingsmetzger Thomas Fischer, der die „besten Weißwürste und den besten Leberkäse der Welt gemacht hat,“ musste gerade wegen Krankheit sein Geschäft an der Luxemburger Straße 343 schließen.

Schräg gegenüber vom ehemaligen Metzger ist die „Floristenwerkstatt“, ein alteingesessenes Blumengeschäft. „Thomas, der Besitzer, hat mir vor Jahren sehr liebevoll und fachmännisch den Balkon bepflanzt. Wäre er auch täglich zum Gießen gekommen, hätte es was werden können Aber so: Ich habe einfach keine grünen Daumen.“

„Die Eizelle ist befruchtet“

Auf der Sülzburgstraße gibt es kaum einen Laden, zu dem Westermann nichts sagen kann, oft ist es etwas Gutes. Etwa zu dem Buchladen Sülzburgstraße: „Bücher abends bestellt, morgens da, dreimal schneller als Amazon. Und sie haben tolle Postkarten, Kölschkarten zum Beispiel. Ich bin ja noch Kartenschreiberin.“

Buchschreiberin ist sie bekanntlich auch. Mit „Manchmal ist es federleicht“ hat sie vor knapp zwei Jahren einen Bestseller gelandet. Um Abschiede ging es darin, auch um den von der WDR-Sendung „Zimmer frei“ im Jahr 2016. Ob sie ein neues Projekt in Planung hat? Fröhliches Augenzwinkern: „Die Eizelle ist befruchtet.“  

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