Cirus RoncalliKölner Publikumslieblinge standen schon mit vier Jahren in der Manege

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"Hermanos Acero": Charly (l.) und Wuilder Acero.

Köln – Stehende Ovationen, das Publikum ist total aus dem Häuschen, es wird gejohlt, gepfiffen, getrampelt, geklatscht. Gerade hat Charly Acero (25) seinen ein Jahr jüngeren Bruder Wuilder die Stufen eines Podests herunter- und dann rückwärts wieder hochgetragen. Freihändig. Und Wuilder auf dem Kopf stehend. Im Spagat. Wuilders Kopf auf Charlys Kopf – und nichts dazwischen. Wie kann das gehen? Es ist der Höhepunkt des Auftritts der „Hermanos Acero“, die in fließenden Bewegungen Körperbilder zeigen, die mit dem Begriff Handstandartistik nur äußerst unzulänglich beschrieben sind. Und es ist der Höhepunkt im auch sonst ausgezeichneten Programm des Circus Roncalli.

Der Zirkus ist den Acero-Brüdern in die Wiege gelegt. Schon der Großvater war vor mehr als 40 Jahren in Kolumbien als Clown und Zauberer im eigenen „Circus Trotamundo“ („Weltenbummler“) unterwegs. Die Mutter machte Luftakrobatik an den Ringen, der Vater war Hochseilartist. Von der Heimatstadt Cartagena aus, die etwa so groß wie Köln ist und an der Karibikküste liegt, ging es alle zwei Wochen zu neuen Gastspielen. Die Brüder wurden von den Eltern unterrichtet, und machten  mit vier Jahren erstmals Handstand in der Manege. Als Charly acht war, begannen die beiden als Duo aufzutreten.

„Die Basis sind Handstand, Dehnbarkeit und Kraft“

 „Damals hatten wir einfach Spaß“, erzählt Wuilder  auf dem verkehrsumtosten Neumarkt. „An die berufliche Perspektive haben wir damals nicht gedacht.“ An dem, was sie heute scheinbar spielerisch leicht in der Manege zeigen, haben sie seitdem immer weiter gefeilt. „Die Basis sind Handstand, Dehnbarkeit und Kraft“, sagt Charly, der ältere, schwerere (81 Kilo) und größere Bruder. Das prädestinierte ihn für die tragende Rolle bei Wuilder (64 Kilo), der oben den gefährlicheren Part übernimmt. Dass die jungen Männer auf den Kopf fallen, davor bewahrt sie vor allem jahrelanges, intensives Training. „Außer samstags und sonntags trainieren wir jeden Tag mindestens eine Stunde“,  sagt Wuilder grinsend und verschweigt dabei, dass Artisten am Wochenende meistens ohnehin zwei Shows pro Tag absolvieren.

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Weltkarriere begann 2016 in Japan

Ihre Weltkarriere begann 2016 in Japan. Dort hatte ein Agent sie auf einem Youtube-Video entdeckt, sie über Facebook kontaktiert und mit einem Zweieinhalbjahresvertrag für den „Pop-Circus“ nach Asien gelockt. Dort entstand auch die oben beschriebene Kopfstandnummer. Ursprünglich hatten die beiden nämlich einen Ring zwischen den Köpfen liegen, wie auch andere Artisten ihn benutzen. Der wurde gestohlen, an Ersatz war auf die Schnelle nicht zu kommen. Also traten sie ohne Ring auf – und schrieben Zirkusgeschichte. Seitdem waren sie in Frankreich, Spanien oder der Schweiz unterwegs.

„Ich hätte nicht gedacht, dass der Dom soo alt ist“

Von Köln haben sie noch nicht so viel gesehen, aber sie finden die Stadt „beautiful“. Um den Dom sind sie geschlendert („Ich hätte nicht gedacht, dass der soo alt ist“, sagt Wuilder) und nutzen die Freizeit sonst eher, um Freunde zu treffen. Zuletzt sind sie im Apollo-Theater in Düsseldorf aufgetreten. „Weil wir viel reisen, treffen wir immer viele Leute und die immer wieder“, sagt Wuilder. Über das Wort Heimweh müssen sie lachen,  so etwas kennt das fahrende Volk nicht. Obwohl Charly dann schon zugibt, seine kleinen Brüder zu vermissen, und Wuilder von einer Portion „Bandeja paisa“ träumt, dem kolumbianischen Nationalgericht.  Das besteht aus Bohnen, Gemüse und Reis. Gesund also, denn dass die beiden Artisten auf ausgewogene Ernährung achten und auf Alkohol ganz verzichten, versteht sich von selbst. Ansonsten unterscheiden sich ihre Interessen im digitalen Zeitalter nicht groß von denen anderer Twens: Sie gucken Serien („One Piece“ – animierte Piratenabenteuer aus Japan) oder hören Musik (Ariana Grande, Imagine Dragons).

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Fußball ist gerade eher enttäuschend, weil sich Kolumbien nicht für die WM qualifiziert hat. Im Roncalli ist Wuilder von der kunstvollen Maria Sarach begeistert, Charly mag die ganze Show. Haben wir noch was vergessen? „Wir sind so dankbar, hier zu sein“, sagen die Hermanos Acero. „Deutschland hat das beste Zirkuspublikum der Welt.“ Warum? „Weil die Menschen hier so abgehen – in Japan sitzen sie nur mit offenem Mund und staunen.“ Bis Oktober sind die Brüder noch bei Roncalli unter Vertrag.

Das Gastspiel des Circus Roncalli auf dem Neumarkt dauert bis zum 22. Mai.

www.roncalli.de

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