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Clouth-GeländeDie Wunschnachbarn

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Einige Mitglieder der Baugruppe "Wunschnachbarn" auf dem Clouth-Gelände, im Garten vor ihrem Gemeinschaftsraum.

Einige Mitglieder der Baugruppe "Wunschnachbarn" auf dem Clouth-Gelände, im Garten vor ihrem Gemeinschaftsraum.

  • Baugruppe ist eine von zehn Hausgemeinschaften - Langer Weg zum gemeinsamen Wohnen

Nippes – "Wir haben uns nach dem Einzug gut eingewöhnt, vor allem emotional. Schließlich kannten wir unsere Wohnungen und unsere Nachbarn schon", erzählt eine Mitstreiterin der Baugruppe "Wunschnachbarn". Vor sechs Monaten zog die Gruppe mit sieben weiteren benachbarten Hausgemeinschaften auf dem Clouth-Gelände ein. Bis 2021 soll auf dem ehemaligen Fabrikareal ein neues Quartier entstehen; mit 1000 Wohnungen, Ateliers, Gewerberäumen, Gastronomie und eben jenen Baugruppen, die ihr neues Heim zusammen errichten und ein gemeinsames Wohnkonzept erarbeitet haben - nach eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen, häufig unter einem Leitgedanken wie Mehrgenerationen- oder barrierefreiem Wohnen. In dem "Wunschnachbarn"-Haus leben in elf Wohnungen 25 Menschen, davon acht Kinder, sowie ein Hund und eine Katze. Neu in der Gemeinschaft ist das drei Monate alte Baby Josefine - benannt nach der Frau des Clouth-Werksgründers, die auch Namenspatin für eine Straße im Veedel ist. Beim Treffen mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" erzählen sie von ihrem ungewöhnlichen Projekt und dem Weg zum gemeinschaftlichen Wohnen unter einem Dach.

-> Wie es anfing: "Im September 2012 trafen sich die ersten von uns, die eine Baugruppe gründen wollte, in einer Kneipe", erinnert sich Anno Kluß. Um weitere Mitglieder zu gewinnen, schalteten sie Inserate und besuchten Wohnprojekte-Tage. So wuchs die Gruppe stetig. "Wir hatten auch ein Aufnahme-Komitee, das sich um neue Interessenten kümmerte", so Ralf Brand. Neben dem Willen, in einer Hausgemeinschaft zusammenzuleben und aktiv an Planung und Umsetzung des Bauprojekts mitzuwirken, war natürlich auch die Sympathie zwischen Mitgliedern der Gruppe und den Interessenten wichtig - ob es einfach menschlich passte. "Wir hatten auch Leute, die nicht zu uns gepasst hätten, das haben einige selbst gesagt", erläutert er. "Einige wollten eigentlich nicht in ein Neubaugebiet, sondern eher in ein gewachsenes Veedel ziehen."

-> Die Bewerbung: Vor vier Jahren begann für die Gruppe die heiße Phase: Als eines von 25 Bewerber-Teams reichte sie ihre Unterlagen beim Wettbewerb der Grundstücks-Entwickler von "Moderne Stadt" und dem Haus der Architektur ein. "Das Bewerbungsverfahren nahm Formen an, und auch wir mussten Formen annehmen", erläutert Peter Heinzke, der sich innerhalb des Hauses eine Etage mit drei weiteren Bewohnern im Alter über 60 Jahren teilt; sie haben in ihrer "Co-Housing-WG" eigene Zimmer und eine gemeinsame Küche. Die Bewerbung der Gruppe umfasste einen Aktenordner mit weit mehr als 100 Seiten - darunter der Finanzplan, ein architektonisches Grobkonzept, Eigenkapital-Nachweise sowie das Gruppenkonzept. Zu dessen Elementen gehören neben der Mehrgenerationen-Philosophie mit der "Senioren"-WG auch das Gemeinschafts-Leben, mit Gruppenraum und Quartiers-Werkstatt im Keller, die bald auch Externen offen stehen soll. Der Umweltschutz - mit Solarzellen auf dem Dach und einem Gebäude im Passivhaus-Standard, das keine Heizung benötigt - spielte ebenfalls eine Rolle.

-> Der Einzug: Als im Mai 2014 die Zusage eintraf, war die Freude groß. Was die Ursprungspläne anging, musste die Gruppe nur leicht umdisponieren. Statt sechs oder sieben Baugruppen waren beim Verfahren acht zum Zuge gekommen - jede erhielt deshalb etwas weniger Raum als vorgesehen. Zwei weitere wurden Ende 2014 nachnominiert, für ein zusätzliches Grundstück an der Xantener Straße. "Wir haben zum Glück die Grundstücks-Parzelle bekommen, die wir haben wollten; wir mussten im Nachhinein nur zwei als Puffer eingeplante Wohnungen streichen", bilanziert die Gruppe. -> Das Zusammenleben: Was die Gruppe auszeichnet, ist die starke gegenseitige Unterstützung im Alltag - mit Hilfe bei Hausarbeiten, Kochen, Einkaufen und Babysitten. "Als ich mal länger erkrankt war, haben sich fast alle Bewohner bei mir gemeldet und ihre Hilfe angeboten. Das ist ein riesiger Unterschied zu normalen Mietshaus-Nachbarschaften", betont Ossi Helling. Die Erfahrung und Warnungen einiger Baugruppen, dass negative Eigenschaften und Differenzen unter den Bewohnern - etwa bezüglich der Sauberkeit - erst nach dem Einzug zutage treten und für Verstimmung sorgen, hätten sich nicht bewahrheitet, sagt Brand. "Bei uns herrscht eine bestimmte Lässigkeit, wie man mit Problemen und Aufgaben umgeht, und es gibt eine gute Gesprächskultur." Wenn ein Mitglied zum Beispiel im Baumarkt sei, werde über die Handy-Kurznachrichten-Gruppe gefragt, ob noch jemand etwas brauchen könne. Seit dem Einzug habe man bereits ein Herbstfest mit Eröffnung der kleinen Wasserpumpe im Garten, ein gemeinsames Martinsfest mit Lagerfeuer und die Weihnachtsbaum-Aufstellung im Advent gefeiert; bald steht ein Frühlingsfest im Garten an.

-> Gemeinsames Planen: Mit den direkt benachbarten Baugruppen - "Clouth #9", "Woge" und "Schritte machen" - teilen sich die "Wunschnachbarn" einen großen Garten; auch die Tiefgarage darunter ist zusammen geplant. "Es hat viel Energie gekostet, wir hatten viele Gesprächsrunden und Rechnerei, aber es hat sich am Ende gelohnt", bilanziert Brand. Denn die Anlage zeichne sich durch ihren offenen Charakter aus; per Grundbucheintrag sind Gartenzäune sogar ausgeschlossen.

-> Leben in Nippes: Ihr Wohnumfeld und Nippes insgesamt gefällt der Gruppe gut. "Wir freuen uns sehr auf die Eröffnung der Halle 17, mit den Räumen der Kölner Spielewerkstatt und dem benachbarten Park. Auch mit der Pizzeria im Erdgeschoss stellen wir uns das nett vor", sagt Heinzke. Aber etwas Einzelhandel auf dem Areal wäre nicht verkehrt, auch als sozialer Treffpunkt der Veedels-Bewohner, finden die Mitglieder - wie im autofreien Eisenbahn-Veedel im Nippeser Westen, wo es einen großen Kiosk mit "Tante Emma"-Sortiment und frischen Backwaren gibt. Und die Buslinie 140, die an der Siedlung entlang fahre, brauche bis zum Ebertplatz zu lange.

Auch nach ihrem Einzug wollen die "Wunschnachbarn" Vorreiter für weitere Initiativen in Köln sein. "Wir wollen die Idee des gemeinsamen Bauen und Wohnens stadtweit verbreiten. Für uns ist das mit Einzug und Realisierung unseres Projektes nicht vorbei", so Heinzke. Wunschnachbarn.

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Zwei Hausgemeinschaften rückten aufs Areal nach

Zehn Baugruppen konnten auf dem Clouth-Areal ihr Haus bauen. Acht davon, so auch die "Wunschnachbarn", liegen auf zwei Baufeldern direkt neben der zentralen Halle 17. Zwei weitere Gruppen wurden einige Monate nach dem Jury-Entscheid für ein Areal an der Xantener Straße nachnominiert: "Familien @ Clouth" und "Energie +". Dort waren Eigentumswohnungen geplant, doch das Werkstor 4 auf der Parzelle wurde damals unter Denkmalschutz gestellt. "Moderne Stadt" entschied dann, das Grundstück ebenso Baugruppen zur Verfügung zu stellen. (bes)

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