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Corona in KölnJohannes Nießen rechnet mit Kontaktbeschränkungen im Winter

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Johannes Nießen, Leiter des Kölner Gesundheitsamtes

Köln – Die Einführung von Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Lage könnte im Herbst und Winter wieder notwendig werden. Damit rechnet Johannes Nießen, Kölner Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung. „Homeoffice als verpflichtende Maßnahme für bestimmte Sektoren könnte etwa noch einmal eine geeignete Maßnahme sein“, sagte Nießen dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Auch Kontaktbeschränkungen halte ich für ein realistisches Szenario: Ob mit 2G-, 3G-Regel oder auch mit gedeckelten Besucherzahlen für Veranstaltungen.“ 

Mit Blick auf den aktuellen Anstieg der Viruslast, die Erfahrungen aus den Wintermonaten der vergangenen Jahre und Mutationen des Virus fordert Nießen, dass schnelle Maßnahmen auf regionaler und kommunaler Ebene wieder ermöglicht werden. „Ich erhoffe mir vom Infektionsschutzgesetz, dass regionale Maßnahmen im Herbst wieder einfacher und auch ohne Einbeziehung des Länderparlaments beschlossen werden können“, so Nießen. 

Komplizierte Entscheidungsprozesse in womöglich gefährlichen Lagen entsprächen „nicht der Logik dieses Virus, dieser Pandemie: Ministerpräsidenten sollten wieder mehr Befugnisse bekommen. Es braucht Menschen, die schnell auf Entwicklungen reagieren können und befugt sind, Entscheidungen zu treffen.“ Nießen betont, dass härtere Maßnahmen als aktuell nur bei einer verschärften Pandemie-Entwicklung zu rechtfertigen seien. Für diesen Fall brauche es allerdings noch vor dem Herbst entsprechende Rechtsgrundlagen „Wir müssen auch diesmal frühzeitig reagieren, das bleibt entscheidend.“

Corona: Ungeimpfte erreichen nicht mehr das „allererste Ziel“

Noch bevor man zu restriktiven Maßnahmen greife, sei es entscheidend, die Infrastruktur für Impfungen und Tests für den Herbst vorzubereiten. „Wir brauchen im Herbst eine neue Impfkampagne und ein funktionierendes Testkonzept, das Symptome und vulnerable Gruppen in den Fokus nimmt“, fordert Nießen, der selbst das Kölner Gesundheitsamt leitet.

Bei den Impfungen sei es nun nicht mehr das „allererste Ziel“, jede und jeden zu erreichen, die oder der bislang nicht geimpft ist. „Wir haben immer noch ein paar Erstimpfungen, es sind aber wirklich nur wenige Einzelne“, sagt Nießen. Mit rund 60 Millionen geimpften und knapp 30 Millionen nachgewiesenen Infektionen gebe es inzwischen „eine sehr breite Immunität, das ist gut“.

Kölner Gesundheitsamts-Chef erwartet Viertimpfungen für viele Erwachsene

Die Stadt werde erneut im Gesundheitsamt und an der Lanxess Arena impfen, der Großteil der Impfungen werde jedoch bei den niedergelassenen Ärzten stattfinden. „Die Viertimpfungen werden der Schwerpunkt sein, es wird dann auch ein angepasster Omikron-Impfstoff zur Verfügung stehen“, so Nießen. Momentan empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die vierte Impfung vorrangig für Menschen über 70, besonders stark gefährdete Menschen und Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich. „Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Eintrittsalter dieser Zielgruppe auf 60 Jahre oder noch tiefer reduziert wird“, sagte Nießen. Seine Empfehlung: „Wer dreimal geimpft, dann infiziert und genesen ist, sollte frühestens ein halbes Jahr nach Genesung eine zweite Booster-Impfung erhalten.“

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Bei den Bürgertests, die nur noch in wenigen Ausnahmefällen kostenlos sind und nun in vielen Fällen drei Euro kosten, gehe man nun „etwas mehr in Richtung Eigenverantwortung“. Das Verfahren sei „sicherlich ein bisschen überdeutsch“, doch es helfe dem Betrug, den es an den Testzentren im großen Stil gegeben habe, entgegenzuwirken. „Ich halte die drei Euro nicht für die perfekte Lösung – doch die Tendenz, dass nun anlassbezogen getestet wird, ist richtig. Wer keine Symptome hat, ist fast nie ansteckend“, so Nießen.

„Den Lockdown als ultima ratio will niemand mehr“

Auch die therapeutische Behandlung sei eine wichtige Säule für den weiteren Verlauf der Pandemie. „Das Medikament Paxlovid kann innerhalb der ersten Tage ernsthaft helfen, den Krankheitsverlauf zu mildern – man muss es nur frühzeitig rausgeben.“ In Köln gelingt das inzwischen gut, in anderen Städten noch nicht: „Daran müssen wir arbeiten.“ Auch der Einsatz von Masken sei weiterhin wichtig.

Was über diese Beschränkungen hinaus nötig sein könnte, sei „weit hinten angestellt“. Schul- und Kitaschließungen solle es auf keinen Fall geben, denkbar seien hier bloß gezielte Beschränkungsmaßnahmen bei großen lokalen Ausbrüchen. „Den Lockdown als ultima ratio will niemand mehr“, verspricht Nießen.

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