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CoronaKölner Gesundheitsamt hat Software zur Kontaktverfolgung abgelehnt

Lesezeit 3 Minuten
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Das Kölner Gesundheitsamt am Neumarkt.

  • Das Programm „Sormas“ wurde vor einigen Jahren mit staatlichen Mitteln entwickelt, um Infektionen im Pandemiefall schnell nachverfolgen zu können.
  • Das Kölner Gesundheitsamt hat es abgelehnt und eine eigene Software entwickelt. Wir erklären, warum – und wie die digitale Kontaktverfolgung in Köln funktioniert.

Köln – Ein Programm, das Infektionen aus dem ganzen Land erfasst, die Daten auswertet und zu einem großen Netz aus Infektionsketten werden lässt. Eine massive Entlastung der Gesundheitsämter. Was in Zeiten der Corona-Pandemie wie eine digitale Utopie klingt, wurde vor drei Jahren in Deutschland entwickelt – mit staatlichen Geldern. Mit „Sormas“ konnte bereits die Ebola-Epidemie in Teilen Afrikas besser kontrolliert werden.

Doch nur ein Bruchteil der 400 deutschen Gesundheitsämter nutzt die Software, um Corona-Infektionen nachzuvollziehen. Viele ziehen weiterhin Excel-Tabellen und Papierakten „Sormas“ vor. Auch das größte deutsche Gesundheitsamt in Köln hat „Sormas“ abgelehnt, wie Stadtsprecherin Simone Winkelhog dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage bestätigt. Ende Juni wurde die Software „dem Gesundheitsamt angeboten, wird aber nicht genutzt.“

Stadt Köln hat eigene Software entwickelt

Doch an fehlender Bereitschaft zum digitalen Arbeiten liegt das offenbar nicht. Der Grund laut Stadt: Es fehlen einige wichtige Funktionen. Tatsächlich können „Gesundheitsämter in Deutschland nicht über Landkreisgrenzen hinweg Fälle mit Kontaktpersonen verknüpfen“, wie es in einem Papier das Bundesgesundheitsministerium aus dem Juli heißt. Das frühzeitig entwickelte Programm hält nicht, was es verspricht.

Stattdessen hält die Stadt Köln an einer schon im Frühjahr selbst entwickelten Software fest – und versucht, diese ständig weiterzuentwickeln. In enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Informationsverarbeitung hat das Gesundheitsamt im laufenden Corona-Betrieb ein Programm für „digitales Kontaktmanagement“ entwickelt, die Stadt nennt es „Dikoma“.

Dort wird es Kontaktpersonen ermöglicht, ein digitales Symptom-Tagebuch führen – eine Funktion, die „Sormas“ lange fehlte. Seit dem 9. November können eingetragene Kontakte der Infizierten dort automatisch erfasst und in Quarantäne geschickt werden. Anrufe sind nur noch bei unvollständigen Eingaben nötig – eine deutliche Entlastung: „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person vor dem zweiten Lockdown im Schnitt zehn Kontaktpersonen hatte, sind das bei 300 Indexfällen pro Tag schon 3000 Kontaktpersonen“, sagt Winkelhog.

Ablauf nach Corona-Infektion deutlich beschleunigt

Der beschleunigte Ablauf nach einer Infektion: Ein positives Testergebnis trifft beim Gesundheitsamt ein, wird dem Land NRW gemeldet. Ein Mitarbeiter aus dem sogenannten „Indexteam“ der Stadt kontaktiert und berät den positiv Getesteten. Dieser bekommt automatisch eine „Ordnungsverfügung“ mit Quarantäne-Anweisung und weiteren Informationen. Außerdem erhält er einen Link zu „Dikoma“, wo er seine Kontakte einpflegt. Diese werden dann per SMS und per Mail in Quarantäne geschickt. Können die Personen digital nicht informiert werden, werden sie telefonisch von der Stadt betreut und bekommen ihre Informationen per Post. Diese aufwendigen Arbeitsschritte, die über den Sommer viel Zeit gekostet haben, fallen in den meisten Fällen inzwischen weg. „Die neuen Funktionen entlasten deutlich“, sagt Winkelhog.

Treten bei den Kontaktpersonen Corona-Symptomen auf, werden die automatisch verschickten Meldungen von städtischen Mitarbeitern überprüft. Aufwendige Maßnahmen – Anrufe oder sogar Fahrten für Corona-Tests – werden bei den meisten Kontaktpersonen erst in diesem, eher seltenen Fall nötig.

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Kurz vor der Anpassung konnte das Gesundheitsamt 800 Infizierte zwischenzeitlich nicht über ihre Infektion informieren. Ohne die neue technische Schnittstelle wären wahrscheinlich noch größere Rückstände entstanden.

Doch die Stadt will sich nicht allein auf das eigene Meldesystem verlassen. Sie beteiligt sich an einer Entwicklungsgruppe, in der „Sormas“ verbessert werden soll. Das ist auch bitter nötig, wenn die Software – wie von Gesundheitsminister Jens Spahn gefordert – bis Ende des Jahres an 90 Prozent der Behörden genutzt werden soll. Dass es die Kölner Variante vollständig ersetzen wird, ist unwahrscheinlich.

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