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Kölner Studie jetzt publiziertWarum Booster-Impfungen vor Omikron schützen

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Professor Florian Klein ist Virologe an der Uniklinik Köln.

  • Die Kölner Uniklinik hat gemeinsam mit der Berliner Charité nachweisen können, dass Booster-Impfungen den Schutz vor der Omikron-Variante des Coronavirus erheblich verbessern.
  • In einer gemeinsamen Studie wurde die Virusvariante im Labor zunächst in einer nicht-vermehrungsfähigen Form nachgebaut, um sie anschließend auf Blutproben von Probanden treffen zu lassen.
  • Herausgekommen sind erstaunliche Daten, die inzwischen von unabhängigen Wissenschaftlern geprüft und bestätigt wurden.

Köln – Als Florian Klein das erste Mal von der Omikron-Variante erfuhr, verbrachte er die nächste Nacht am Telefon. Die Schreckensnachrichten dieser Pandemie sind für den Kölner Professor Arbeitsaufträge. Seine Studie zu Omikron hat er begonnen, als es die Variante noch nicht gab: Gemeinsam mit der Berliner Charité untersucht sein Labor ständig Blutproben von zwei Probandengruppen, einer geimpften und einer genesenen. Um für alles gerüstet zu sein.

Nun, als die neue Variante in der Welt war, war für Klein sofort klar: Es geht darum, so schnell wie möglich so viel wie möglich über sie herauszufinden. Er fragte in jener Nacht mit seinem Team bei vier verschiedenen Unternehmen an, um Gensegmente der Omikron-Variante geliefert zu bekommen. Alle lehnten ab. Also baute sein Team die Variante nach, indem es die 32 Omikron-Mutationen selbst in das Spike-Protein – die Virusoberfläche – beförderte. „Wir haben das Oberflächenmolekül von Omikron im Labor nachgebaut. Wir benutzen für die Untersuchungen sogenannte Pseudoviren, die sich nicht mehr vermehren können“, sagt Klein.

Omikron-Studie war längst vorbereitet

Die künstlich hergestellte Omikron-Variante ließ er in seinem Labor nun auf ausgewählte Blutproben seiner Probanden treffen. An der Uniklinik begleitet ein Team der Infektiologin Prof. Clara Lehmann seit April 2020 eine feste Gruppe genesener Personen. Dieser Gruppe wird regelmäßig Blut abgenommen, an der Charité wird das mit einer geimpften Gruppe gemacht. „Wir haben diese Kohorten längst gebildet, weil wir erwartet haben, dass die Fragestellungen kommen würden“, sagt Lehmann. Blutproben von 30 Probanden jeder Gruppen wurden nun herausgenommen. Entnommen wurde das Blut zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Kurz nach der ersten Impfserie oder Infektion, einige Monate später und schließlich nach der Booster-Impfung.

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Die Ergebnisse sind erstaunlich: Antikörper, die nach der ersten Impfserie oder nach der Genesung gebildet werden, neutralisieren die Omikron-Variante kaum. Das gilt für alle Blutproben, die in der Studie genutzt wurden. Nach der Booster-Impfung jedoch war der Schutz in allen Fällen erheblich höher. „Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch auch Covid-19 besser verhindert wird. Boostern ist daher eine sehr wichtige Maßnahme, um sich so gut wie möglich vor einer Infektion oder Erkrankung zu schützen“, sagt Klein.

Die erhobenen Daten wurden inzwischen von unabhängigen Wissenschaftlern geprüft und für eine Publikation im Fachmagazin „Nature Medicine“ freigegeben. Sie zeigen eindeutig, dass Booster-Impfungen auch gegen Omikron relativ zuverlässig vor Infektionen schützen. Das Virus kann den Antikörpern in den meisten Fällen nicht mehr ausweichen, wenn der Impfschutz aufgefrischt ist. Nicht untersucht wurde in der Studie, wie gut die T-Zellen nach Impfung vor Omikron schützen. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen: T-Zellen kommen dann zum Einsatz, wenn das Virus den Körper befallen hat, nach der Infektion also. Sie sind die letzte Instanz des Impfschutzes, sie schützen vor schweren Verläufen.

„Wir haben in der Pandemie gelernt, dass T-Zellen eine etwas robustere und stabilere Immunantwort auslösen als Antikörper“, betont Lehmann. Sie geht davon aus, dass die T-Zellen auch vor Omikron schützen. Die dreifache Impfung ist also trotz Omikron ein Schutz mit doppeltem Boden, Infektionen sind – Stand Ende 2021 – nur selten zu erwarten, schwere Verläufe fast nie.

Antikörper-Therapien fallen zunächst aus, es gibt aber neue Hoffnung

In der Studie wurde auch untersucht, wie wirksam Antikörper-Therapien gegen Omikron noch sein können. In diesen Therapien werden Antikörper, die im Labor gebildet werden, direkt verabreicht – im frühen Stadium einer Covid-Erkrankung können sie helfen, schwere Verläufe zu verhindern. Von neun untersuchten Antikörpern konnten sieben fast gar nichts gegen die neue Variante ausrichten. „Wir hatten bereits die starke Vermutung, dass die vorliegenden Mutationen dazu führen, dass die Antikörper das Virus weniger gut angreifen können. Leider hat sich diese Vermutung bestätigt“, sagt Klein.

Zwei allerdings wirkten, eine sogar erheblich besser als gegen die Delta-Variante. Der direkte Einsatz dieser beiden Antikörper allerdings ist bislang klinisch kaum erprobt. Das ändert sich jetzt. „Wir haben jetzt aber erstmal ein Problem, uns fällt eine wichtige Therapie-Option weg“, sagt Lehmann. Klein ergänzt: „Andere Antikörper zeigen jedoch eine gute Wirkung und wir hoffen, dass diese zeitnah in Deutschland verfügbar sind.“ Es sei erstaunlich, sagt Lehmann, „wie schnell wir uns anpassen müssen, um die Situation zu bewältigen. Aber es gibt eben auch Möglichkeiten, schnell genug zu sein.“

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Durch die Vorbereitung der Studie noch vor Auftreten der Variante konnten die ersten Ergebnisse bereits im Lauf dieser Woche – rund einen Monat nach Auftreten der Omikron-Variante – publiziert werden. „Solche Daten sind auch für die Stiko [Ständige Impfkommission, Anm. d. Red.] und das Bundesgesundheitsministerium von Interesse. Daher haben wir die Ergebnisse unmittelbar geteilt“, sagt Klein.

Kurz nachdem die Studie publiziert wurde, empfahl die Stiko eine Auffrischung bereits drei Monate nach der ersten Impfserie. „Die Untersuchungen im Labor waren eine unglaubliche Leistung“, sagt Lehmann: „Diese Erkenntnisse sind wesentlich, um die Omikron-Welle zu beherrschen.“ Die Strukturen für ähnlich schnelle Studien und eine entsprechend enge Zusammenarbeit zwischen den Kliniken habe es vor der Pandemie nicht gegeben.

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