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Corona-Tests in Kölner SchulenSchulleiter in der Verantwortung: „Total gefährlich“

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Erstmals waren wieder alle Schüler gemeinsam im Klassenraum.

Köln – Nach mehr als fünf Monaten Distanz- oder Wechselunterricht gingen am Montag zum ersten Mal wieder alle 150.000 Kölner Schülerinnen und Schüler gemeinsam in die Schule. Aber in die Freude darüber, endlich wieder mir allen gemeinsam im Klassenzimmer zu sitzen, mischte sich bei den Kölner Lehrkräften und Schulleitungen vor allem eines: Sorge und Empörung. Denn neben Bildungseinrichtungen sind die Schulen in NRW seit Montag auch noch Corona-Testzentren.

Vor dem Unterricht muss von den Lehrkräften jetzt nicht nur die ordnungsgemäße Selbsttestung aller Schüler beaufsichtigt werden. Zusätzlich müssen sie danach auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler nun offizielle namentliche Test-Bescheinigungen ausstellen, damit die Schüler damit etwa zum Frisör oder ins Schwimmbad gehen können, ohne gesonderte Termine in Testzentren wahrnehmen zu müssen. „Zur Bekämpfung der Pandemie ist es wichtig, dass man sich auf die Testergebnisse verlassen kann. Schulen sind keine Testzentren“, kritisierte Maike Finnern, die Vorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen. Die Rheinische Direktorenvereinigung legte ebenso wie der Landesphilologenverband umgehend Protest gegen die neue Regelung ein. Einige Kölner Schulen hatten sich direkt an die Bezirksregierung gewandt. Die Antwort aus Düsseldorf kam prompt: Die Anordnung sei „unverhandelbar“. 

Schulleiter halten Verantwortung für Corona-Tests für „total gefährlich“

Bei vielen Schulleitungen verstärkt dies das Gefühl, mit der riesigen Verantwortung alleine gelassen zu werden. „Ich halte das für total gefährlich“, erklärt Oliver Schmitz, Leiter des Kaiserin-Theophanu-Gymnasiums in Kalk. Der unterschreibende Lehrer müsse jetzt mit seiner Unterschrift persönlich die Verantwortung dafür übernehmen, dass der Test ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. „Wie wollen Sie das in einem Raum, in dem sich 30 Schüler zeitgleich testen, beurteilen?“, bekräftigt Barbara Grota, Leiterin des Herder-Gymnasiums. Die Aussagekraft eines solchen Gruppen-Selbsttests habe mitnichten dieselbe Qualität wie ein Bürgertest, bei dem ein Abstrich von geschultem Personal in einer 1:1-Situation durchgeführt werde. „Aber wir erteilen nach so einem Test den Freibrief für alles: Kino, Konzert und Schwimmbad und die Schüler wähnen sich in einer Sicherheit, die der Test nicht gewährt.“ Eigentlich sei das im Sinne des Gesundheitsschutzes der Bürger in NRW nicht verantwortbar, konstatiert Schmitz. Gerade in dieser sensiblen Phase, da erstmals wieder alle Klassen vollbesetzt sind: „Wir hatten in letzter Zeit sechs positive Fälle in der Schülerschaft. Keiner von ihnen ist durch einen positiven Selbsttest in der Schule rausgefunden worden. Das zur Verlässlichkeit.“

Auch Lehrkräfte, die anonym bleiben wollen, wandten sich empört an die Redaktion: „Wir beaufsichtigen zeitgleich 30 Kinder im Raum. Da kann ich gar nicht erkennen, ob jeder zwei Zentimeter tief im Nasenloch war, beide Seiten je 5 mal gedreht hat, 10 mal in der Flüssigkeit gerührt hat, eine Minute gewartet und fünf Tropfen auf den Test geträufelt hat. Und dann soll ich mit meiner Unterschrift Sicherheit fürs Fitnessstudio garantieren?“ Bislang dienten Tests als Teil des Hygienekonzepts zur Ermöglichung von Unterricht. Jetzt sollten die Schulen Teil der Öffnungsstrategie des Landes werden, fasst Finnern den Strategiewechsel zusammen.

Abgesehen von der Verantwortung ist es der riesige Verwaltungsaufwand, der den ohnehin schon über die Grenzen der Belastbarkeit geforderten Schulleitungen zu schaffen macht: Das seien 2200 Bescheinigungen pro Woche, die ausgestellt werden müssten, konstatiert die Schulleitung der Kreuzgasse in ihrem Elternbrief. Dies bedeute eine riesige finanzielle Entlastung für das Land NRW, da dadurch die teureren Bürgertests wegfielen, und auch eine für die Familien, die jetzt nicht mehr ins Testzentrum rennen müssten. Aber eben eine große Mehrbelastung der Schulen.

Fehlender Respekt für Kölner Schulen in der Pandemie

Wie sie und ihre Kolleginnen das an den Kölner Grundschulen hinkriegen sollte, sei ihr völlig schleierhaft, sagt eine Grundschulleiterin aus dem Kölner Westen, die nicht namentlich genannt werden möchte. Vielen ihrer Kolleginnen gehe es ähnlich. Bei den Grundschulen ist das Verfahren anders. Sie werden nicht mit Selbsttests, sondern über die Lollitests geprüft. Das Ergebnis der aktuellen PCR-Pooltestung erreiche sie meist nachts per Mail, sagt sie. Dann müssten am nächsten Morgen die Bescheinigungen ausgestellt werden. „Ich habe nur einmal die Woche eine Sekretärin. Also muss ich das selber machen.“ Ihr Ausweg: Das gar nicht erst offensiv den Eltern anbieten, sondern den Ball flach halten und warten, ob Eltern von sich aus fragen.

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Die Liebfrauenschule hat eine andere Variante gefunden und setzt auf Arbeitsteilung: Dort sollen sich die Eltern das Bestätigungsformular runterladen und ausfüllen. Die Lehrkraft unterschreibt und die Kinder holen sich im Sekretariat den Schulstempel. Für Ärger sorgt auch, dass die Regelung wieder freitags sehr kurzfristig in einer Schulmail kam. Dies verstärke bei den Schulleitungen den Eindruck von fehlendem Respekt und mangelnder Wertschätzung für ihre schwierige Arbeit in der Pandemie an, sagt die Grundschulleiterin. Und den Eindruck, dass die Ministerialbürokratie sich keine rechte Vorstellung davon macht, unter welchen Belastungen die Schulen arbeiten.

Eigentlich müsste der Fokus gerade in den wenigen verbleibenden Wochen auf den Kindern und auf dem Lernen liegen, meint Schulleiter Schmitz. Schon das regelmäßige Testen der kompletten Schülerschaft koste viel wertvolle Zeit. Nun kämen noch die Bescheinigungen hinzu. „Die Schulen haben einen Bildungsauftrag, der gerade jetzt absolute Priorität haben muss“, pflichtet ihm Sven Christoffer, Vorsitzender des Verbandes „Lehrer nrw“ bei. „Deshalb ist es unverantwortlich, die Schulen als Test-Dienstleister zu instrumentalisieren.“

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