Corona-Teststelle in HöhenbergStadt Köln bemerkte „Auffälligkeiten" schon vor Monaten

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Franz-Josef Wernze im Herbst 2020 bei einem Spiel von Viktoria Köln.

Köln – In einem zwölf Monate alten Clip auf Youtube wirbt das Corona-Testzentrum am Höhenberger Sportpark damit, dass auch die Spieler des FC Viktoria hier „vor dem Training gerne vorbeischauen“. Schließlich müssten auch sie sich vor Trainingstagen testen lassen. Ein Mitarbeiter des Testzentrums, das einer Firma von Viktoria-Sponsor Franz-Josef Wernze gehören soll, erklärt in dem 90-sekündigen Film den Ablauf für die Kundinnen und Kunden: Barcode mit dem Smartphone einscannen, testen lassen – und nach 15 Minuten kommt das Ergebnis aufs Handy.

Die entscheidende Frage ist nun: Haben dieses Prozedere tatsächlich alle Personen durchlaufen, die der Betreiber dieser Teststation dem NRW-Gesundheitsministerium gemeldet hat – und für die er jeweils 11,50 Euro abgerechnet haben soll? Oder hat die Teststelle in Wahrheit viel mehr Kunden gemeldet, als getestet wurden? Das wäre wohl Abrechnungsbetrug, und genau diesen Verdacht legen Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung nahe.

Kölner Testzentrum: 2670 Tests gemeldet, nur 52 Fußgänger und 101 Autos gezählt

Demnach soll die Teststelle in Höhenberg allein in diesem Jahr mehr als 234.000 Bürgertests gemeldet haben, was Einnahmen von rund 2,8 Millionen Euro ermöglichte. Die Journalisten machten die Probe vor Ort: Am 13. Mai beispielsweise zählten sie genau 52 Fußgänger und 101 Autos an der Teststation. Offiziell gemeldet worden seien für diesen Tag allerdings 2670 Tests, berichtet die Tagesschau. Drei Tage später seien 2186 Bürgertests gemeldet worden, die Journalisten zählten aber nur 55 Fußgänger und 123 Autos.

Die Betreiberfirma des Testzentrums ließ eine Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag unbeantwortet. Die Süddeutsche Zeitung zitiert einen Sprecher: Um vernünftig und belastbar zu recherchieren, wie sich die geringen Besucherzahlen an den beiden genannten Tagen und die angeblich hohen Testzahlen erklären lassen, brauche man einen „längeren Zeitraum“.

Ein Anwalt von Franz-Josef Wernze teilte der „Tagesschau“ mit, sein Mandant habe sich „schon länger aus dem operativen Geschäft zurückgezogen“. Und: „Sollten sich allerdings die von Ihnen angedeuteten Vorwürfe bestätigen, wird mein Mandant nicht zögern, die gebotenen rechtlichen, insbesondere dienstvertraglichen Konsequenzen zu ziehen."

Anwältin: „keinerlei Verdachtsmomente“ gegen Viktoria Köln

Eine Anwältin der Kanzlei Schertz Bergmann aus Berlin, die Viktoria Köln in presserechtlichen Angelegenheiten vertritt, betont, der FC Viktoria stehe in keiner geschäftlichen Beziehung zum Betreiber des Testzentrums auf dem öffentlichen Parkplatz. Gegen den Verein bestünden „keinerlei Verdachtsmomente“.

Der Stadt Köln ist die Teststelle in Höhenberg nach eigenen Angaben bereits im Oktober 2021 durch eine „auffällig niedrige Positiven-Quote“ aufgefallen, die weit unter dem Durchschnitt in Köln gelegen habe. Das berichtete eine Stadtsprecherin auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das bedeutet: Von den gemeldeten Tests waren offenbar nur bemerkenswert wenige positiv ausgefallen. Zusätzlich erregten „die konstant hohen Meldezahlen“ der Teststation am Sportpark den Verdacht der Stadt Köln. Sowohl im Januar als auch im April 2022 habe man die Teststelle an die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein gemeldet.

Stadt Köln: Testzentrum wurde mehrfach geprüft

Darüber hinaus sei die Teststelle wegen Beschwerden im Juni, im August, im September sowie im Januar 2022 vom städtischen Gesundheitsamt begangen worden, bestätigt die Sprecherin. Bei diesen Begehungen kontrolliere das Amt allerdings nur die infektionshygienischen Auflagen. „Sollten die Mitarbeitenden im Rahmen einer solchen Kontrolle feststellen, dass beispielsweise zu wenige Testkabinen für die gemeldeten Tests vorhanden sind, wird die entsprechende Teststelle an die  Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein gemeldet.“

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Genau dort sollen die Abrechnungen der Bürgertest-Stationen auch geprüft werden. Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sind vom Bund mit der Abwicklung der Verfahren beauftragt worden. In Bezug auf das Testzentrum in Köln-Höhenberg teilte Christoph Schneider, Sprecher der KV Nordrhein auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit, man sei „den Hinweisen gegen die betreffende Teststelle unmittelbar nach Bekanntwerden nachgegangen“ und führe derzeit „eine anlassbezogene Prüfung“ durch. In diesem Zusammenhang seien unter anderem die „Test-Dokumentationen in mittlerer vierstelliger Höhe, die vom Anbieter über jeden einzelnen Abstrich zu führen sind“, angefordert worden. „Bei unvollständiger Dokumentation erfolgt zunächst keine Honorierung“, so Schneider. „Grundsätzlich“ handele es sich derzeit aber noch um ein laufendes Verfahren. „Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.“

Insgesamt führe die KV Nordrhein derzeit rund 160 anlassbezogene Prüfungen sowie zusätzlich 425 Stichprobenprüfungen bei etwa  4.000 abrechnenden Testanbietern im Rheinland durch. Mit der Bearbeitung und Kontrolle der Abrechnungen seien verschiedene Abteilungen der KV befasst. „In Summe wurden die Aufgaben zuletzt von insgesamt etwa 200 Mitarbeitenden übernommen“, so Schneider. Strafanzeige habe die KV in sieben Fällen gestellt. „Und in von extern betriebenen Ermittlungsverfahren ist man in 26 Fällen an uns herangetreten.“

Corona-Testzentren: Vorschriften für Betreiber wurden verschärft

Enorme Gelegenheiten zum Betrug schaffte das Bundesgesundheitsministerium mit der ersten Corona-Testverordnung vom März 2021, in der keine Kontrollmechanismen für die Abrechnung der Schnelltests vorgesehen waren. Die Betreiber mussten lediglich die Zahl der durchgeführten Proben an die Behörden übermitteln. Um Mauscheleien zu verhindern, wurden die Vorschriften in den folgenden Monaten unter anderem in NRW dann noch verschärft.

Um die gemeldeten Testzahlen „im Bedarfsfall“ überprüfen zu können, sollen die Teststellen sicherstellen, „dass die von Ihnen gemeldeten Testungen einschließlich Befund und soweit möglich auch von Listen oder sonstigen Unterlagen im Überprüfungsfall nachgewiesen werden können“, heißt es in der nordrhein-westfälischen Strukturverordnung aus dem Frühjahr 2021. Zum Nachweis seien „mindestens der Name, die Anschrift und die Geburtsdaten der getesteten Person zu erheben und für mindestens ein Jahr aufzuheben“.

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