Abo

Corona-Zahlen steigen rasant„Delta macht uns bei Kindern keine großen Sorgen“

Lesezeit 5 Minuten
Schulkinder Symbol

Kinder auf dem Weg zur Schule.

Köln – Immer mehr junge Menschen infizieren sich mit dem Coronavirus. Auffällig ist insbesondere ein Anstieg der Inzidenzwerte bei den Zehn- bis 14-Jährigen. Am 10. August lag der Wert in dieser Altersgruppe laut Landeszentrum Gesundheit (LZG) in Köln noch bei 73,7 (Zahl der akut bestätigten Infektionen: 34), seither ist der Wert auf 470,4 (217) gestiegen. Zum Vergleich: In der dritten Coronawelle hatte die Inzidenz in dieser Altersgruppe am 25. April einen Höchstwert von 418,4 (193) erreicht.

In der Stadt Leverkusen steigen die Zahlen in dieser Altersgruppe besonders stark: Am 10. August hatte die Inzidenz noch bei 131,1 (10) gelegen, seither kletterte der Wert auf 694,7 (53). Der Höchstwert in der dritten Welle hatte hier am 11. Mai bei 419,5 (32) gelegen.

Trend der steigenden Inzidenz im gesamten Kölner Umland

In den umliegenden Kreisen liegen die Werte für die Gruppe der Zehn- bis 14-Jährigen laut LZG vorerst noch deutlich unter den Zahlen aus Köln und Leverkusen. Im Kreis Euskirchen stieg die Inzidenz in dieser Gruppe von 56,1 am 12. August auf 168,2 am 22. August. Während der dritten Welle war im Kreis Euskirchen in dieser Altersgruppe ein Höchstwert von 336,5 ermittelt worden.

Alles zum Thema Robert-Koch-Institut

Ähnlich die Lage im Rhein-Sieg-Kreis (Inzidenzwert bei Zehn- bis 14-Jährigen: 160,7), im Rhein-Erft-Kreis (163,4) und im Rheinisch-Bergischen Kreis (174,1) – die Zahlen sind zuletzt auch dort deutlich gestiegen, allerdings nicht so stark wie in den Städten; auch sind für diese Altersgruppe die Inzidenzwerte aus der dritten Coronawelle bislang deutlich nicht erreicht.

20,3 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährige in NRW durchgeimpft

Dass die großen Städte in NRW stärker von den stark steigenden Inzidenzwerten dieser Altersgruppe betroffen sind, zeigt ein Blick nach Düsseldorf (Inzidenz: 442,1), Dortmund (464,8), Bonn (346), Wuppertal (301,8) und Essen (300,3).

Doch wie kommt es zu diesem flächendeckenden Anstieg? Eine Antwort liegt auf der Hand. Nach den am Montag veröffentlichten Impfdaten des Robert Koch-Instituts (RKI) haben landesweit inzwischen 20,3 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährige die Zweitimpfung erhalten. Mit 32,8 Prozent hat in NRW fast jede dritte Schülerin und jeder dritte Schüler dieser Gruppe eine erste Impfdosis erhalten. Kinder unter zwölf Jahren können sich bislang nicht gegen das Virus impfen lassen. Insgesamt sind inzwischen 61,7 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen vollständig geimpft wurden. Mindestens eine Impfung haben 68 Prozent erhalten. Kinder und Jugendliche sind also bislang deutlich seltener durch Impfungen geschützt und somit empfänglicher für das Virus.

Weiterer Anstieg der Inzidenz an Schulen zu erwarten

Zudem werden Schülerinnen und Schüler seit dem Ende der Sommerferien wieder deutlich häufiger getestet. „Weiterhin haben wir nur Meldeinzidenzen, die hängen sehr stark davon ab, wie viel getestet wird“, betont Prof. Jörg Dötsch, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln. Er geht davon aus, dass ein großer Teil des Anstiegs der vergangenen Tage aus Infektionen besteht, die in den Sommerferien nicht erfasst worden wären. „Kinder und Jugendliche haben meistens einen symptomlosen Verlauf, deswegen werden durch die Schul-Testungen deutlich mehr Fälle erkannt“, so Dötsch.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das sei hilfreich, um zu verhindern, dass die Covid-positiven Schülerinnen und Schüler weiter zum Infektionsgeschehen beitragen. Er erwarte zwar „mit Blick auf den Schulstart definitiv weiter steigende Zahlen“, hält diese jedoch für unproblematisch: „Im Hinblick auf die Schwere der Erkrankung bei Kindern macht uns die Delta-Variante nach wie vor keine großen Sorgen.“ In der Kölner Uniklinik liege derzeit nur ein Covid-positives Kind, dessen Infektion jedoch nur zufällig erkannt wurde. Eingewiesen wurde es aufgrund einer anderen Erkrankung.

Größere Gefahr für ältere, ungeimpfte Personen

Eine größere Gefahr sehe er hingegen für ältere, ungeimpfte Personen, die von infizierten Kindern angesteckt werden könnten. Aber: „Kinder und Jugendliche sollen jetzt keine Nachteile mehr in Kauf nehmen müssen, um Erwachsene zu schützen. Erwachsene können sich durch die Impfung nun selber schützen“, so Dötsch weiter.

Erneute Schulschließungen könnten „nur dann gerechtfertigt sein, wenn wir das gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben ebenso schließen müssen“, sagt Dötsch. Er verweist auf eine jüngst erschienene Auswertung aus Kanada. Untersucht wurden hierbei 80.000 Kinder und Jugendliche, bei denen durch die Covid-bedingten Maßnahmen ein verdoppeltes Risiko für Depressionen und Angststörungen festgestellt wurde. Hierin bestätige sich „noch einmal eindeutig, dass es richtig ist, jetzt alles dafür zu tun, um die Schulen offen zu halten“, so Dötsch. Kinder und Jugendliche seien durch die Unterbrechung des Unterrichtes insgesamt „sehr stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Viele Familien konnten das gut abfangen, für andere war es eine riesige Belastung.“

„Keine Durchseuchung, im Gegenteil“

Andere Expertinnen und Experten zeigten sich mit Blick auf die Infektionsgefahr an Schulen zuletzt besorgt. So sprach SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im „Kölner Stadt-Anzeiger“ zuletzt von einer bevorstehenden „Durchseuchung der Schulen“. Diese Aussage kritisiert Jörg Dötsch scharf: „In meinen Augen ist es nicht korrekt davon zu sprechen, dass die Schulen jetzt durchseucht werden, ganz im Gegenteil: Wir erkennen durch Tests besonders gut, was an den Schulen passiert und ergreifen Maßnahmen, die dazu beitragen, die Pandemie weiter im Griff zu halten.“

Seiner Einschätzung nach ist es ausreichend, die bisherigen Hygieneregeln an den Schulen beizubehalten. Unter diesen Bedingungen sei die Wahrscheinlichkeit, dass Infektionen stattfinden, „nach Studienlage im Familienhaushalt etwa 30 bis 50 Mal höher als in der Schule“, so Dötsch.

Dass die Landesregierung in NRW Maßnahmen nicht mehr vorrangig von der Inzidenz „sondern auch vom Geschehen im Krankenhaus“abhängig mache, begrüßt Dötsch. „Das halte ich jetzt, wo diese beiden Faktoren dank der Impfungen nicht mehr klar korrelieren, für den viel besseren Weg. Inzidenzen sind inzwischen irreführende Werte, auch weil sie von der Testhäufigkeit abhängen“, sagt der Mediziner. 

KStA abonnieren