Das Gesicht – ein Schauplatz der Gefühle

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Künstlerin Susebee malt das menschliche Gesicht mit energischer sinnlicher Dynamik als Teil eines bewegten Körpers.

Künstlerin Susebee malt das menschliche Gesicht mit energischer sinnlicher Dynamik als Teil eines bewegten Körpers.

Ehrenfeld – Dass die bildende Kunst einheitliche Ausdrucksformen hervorbrachte, ist sehr lange her. Seit der künstlerischen Moderne herrscht im westlichen Kulturraum die Gleichzeitigkeit einer künstlerischen Vielfalt, deren Pluralismus in Zeiten der Globalisierung längst zum kreativen Merkmal der künstlerischen Produktion überhaupt geworden ist. Galerist Fritz Böhme gibt sich in seiner Galerie Eyegenart seit Jahren schon alle Mühe, mit dieser Entwicklung in Form von Übersichtsausstellungen Schritt zu halten. Die „Eyegenartigen Kunstage Ehrenfeld“, die inzwischen bereits zum fünften Mal stattfinden, sind für ihn eine Möglichkeit, die Fülle unterschiedlichster bildnerischer Ansätze und Themen in einer dichten Präsentation vor Augen zu führen.

Kleine und große Formate, leuchtend farbige Werke und Bilder von zurückhaltender Farbigkeit bestimmen in Petersburger Hängung eine Schau, die an den Wänden keinerlei freien Platz lässt. Wohin man sich dreht visuelle Reize. Und damit verbunden die Erfahrung, dass Kunstwerke einen anspringen können oder aber verlangen, mit größter Geduld und Aufmerksamkeit erkundet zu werden wie ein rätselhafter Traum oder ein unbekanntes Land. Hier ist es die sinnlich-expressive Malerei, mit der die Künstlerin Susebee das Gesicht als einen bewegten Schauplatz der Gefühle sichtbar macht. Dort legt Moritz Albert Wert auf größte realistische Detailgenauigkeit im Stile der alten Meister, wenn er uns die Schröpfgläser auf dem Rücken eines Mannes malerisch vor Augen führt.

Der Kontrast zu den illustrativ-comicartigen Bildern von Florain Eßer oder Friedrich Haupts poppiger Darstellung des Musikers Jimi Hendrix könnte größer nicht sein. Hier präsentiert Gaspers Schieferschichtungen, dort Bernd Prause malerische Leuchtkästen. Bildhauerin Traudel Messerschmidt hat den Zauber von Gesichtern in Granitstein geformt, und Zeichnerin Viola Isabella Stäglich mit schnellen Strichen die Bewegtheit von Menschen im Gewirr der Menge auf Papier skizziert.

Florian Eßer malt in einem plakativen Comic-Stil poppige Bilder.

Florian Eßer malt in einem plakativen Comic-Stil poppige Bilder.

Die Ausstellung eignet sich bestens als eine Einführung in das breite Spektrum bildnerischer Ausdrucksformen und künstlerischer Stile. Peter Joester entfaltet mit seinen Fotocollagen von rätselhaften Stillleben das ganze Potenzial der surrealen Kunst. Und ebenso surreal verrückt sind die kuriosen menschlichen Verwandlungsgestalten, mit denen Leonie Dratwa in ihren Fotocollagen „das Leben der anderen“ vor Augen führt. Regina Maria Bußmann bringt die ganze Stärke der expressionistischen Malerei in ihren Frauenporträts zur Anschauung. Und Katja Zander belebt den kritischen Geist der malerischen Karikatur, indem sie im Bildmotiv der „Schafsköpfe“ die Individualität des menschlichen Herdentiers zum Thema macht.

Gerade weil die Kunstwerke so dicht beieinander hängen, stellen sich unweigerlich thematische Beziehungen und Vergleiche zwischen den rund einhundert Werken von mehr als 30 Künstlern ein. In Zeiten der unaufhörlichen Beschwörung von kreativer Freiheit ermöglicht die Ausstellung neben der Anerkennung künstlerischer Pluralität zugleich eine kritische Auseinandersetzung mit der unterschiedlichen Kraft bildnerischer Wirksamkeiten und dem Problem der künstlerischen Beliebigkeit.

Sind Bilder abstrakter Farbstrukturen zu Beginn des 21. Jahrhunderts tatsächlich von gleich belebender oder sinnstiftender Bedeutsamkeit wie figürliche Variationen über elementare körperliche Erfahrungen? Ist das Fehlen direkter gesellschaftlich-politischer Aspekte in den meisten Kunstwerken ein wichtiger kreativer Widerstand innerhalb der herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse oder vielmehr das Symptom einer grundlegenden kulturellen Tendenz? Die Ausstellung zu den Eyegenartigen Ehrenfelder Kunsttagen kann und sollte zu Diskussionen über die verschiedenen künstlerischen Ansätze führen. Denn dass Kunstausstellung mehr als nur einen Freizeit- und Unterhaltungswert haben, wünschen Galerist Fritz Böhme und die beteiligten Künstler gleichermaßen.

Galerie Eyegenart, Rothehausstraße 14, Di-Fr 17-20 Uhr, bis 16.2.

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