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Das letzte Haus in KölnReiter-Oase an der Stadtgrenze zu Refrath

Lesezeit 4 Minuten
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Der Reitstall Boskamp in Brück ist eine Oase für Pferdefreunde

Köln-Brück – Den Hühnern ist die Stadtgrenze egal. Sie laufen sorgenfrei wie die Menschen hier vom Stall Boskamp auf Kölner Seite zur Baustelle des Hotels auf Refrather Seite  und müssen dabei höchstens auf die Hufe der Pferde aufpassen.

Stall Boskamp, der Name ist ein hübsches Understatement, ihm fehlt der Zusatz „de luxe“: Die Pferde stehen in offenen, großzügigen Gehegen, sie glänzen wie mit Öl bestrichen, im Gang stehen zwei Mädchen mit sorgsam frisiertem Haar und fegen, wo es höchstens ein paar Staubkörnchen zu fegen gibt. Wenn es den Pferden im Winter zu kalt wird, werden sie unter eine Wärmelampe gestellt. Für die Reiterinnen stehen stets gefüllte Süßigkeitengläser bereit.

Die Eichen auf dem Hof sind besonders alt, der Lavendel duftet würzig, schnell ersetzen Pferdeschnauben und Blätterwispern den Baumaschinenlärm auf Gladbacher Seite, wo die Chefin im September ein Hotel mit zwölf komfortablen Zimmern und einer Suite eröffnet. Es atmet sich leicht am Bucheckernweg 11 in Brück. Die Stadt ist fern, Geld scheint eher keine Rolle zu spielen.

Zur Serie

Das letzte Haus von Köln – in unserer Sommerserie erzählt die Redaktion Geschichten von Menschen, die an der Stadtgrenze leben – von Worringen bis Godorf im Linksrheinischen und von  Dünnwald  bis Porz-Lind und Libur auf der Schäl Sick.  Wen wir dort treffen, bestimmt auch der Zufall.  

„Die Menschen, die hierhin kommen, sollen glücklich sein, und sie sind es auch“, sagt die Chefin. Amelie C. Boskamps Schritt ist energisch, ihr Ton herzlich und befehlsgewohnt. Warum es im Stall so sauber sei wie im Wohnzimmer? „Ich bin einfach sehr penibel“, sagt die 49-Jährige und schickt ein Lachen hinterher. Ordnung ist ihr ein  Schlüssel zum Glücklichsein. Ein anderer ist Disziplin.

Ein Mädchen reitet in der Halle auf einem Schimmel,  die Chefin öffnet ein Fenster  und ruft: „Hey, was soll das! Sofort absitzen! Solange die Sättel nicht kontrolliert sind, sitzt niemand auf!“

Das Mädchen sitzt ab, die Chefin sagt, dass sie die Schülerin zuvor dreimal höflich an die Regeln erinnert habe.  Folgsamkeit, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Ordnung, Gemeinschaft und Solidarität: „Für solche Werte stehen wir hier. Wenn die Mädels später mal zusammen saufen gehen, passen sie genauso aufeinander auf wie hier.“ Auf  Etikette wird am letzten Hof von Köln geachtet, die Sprache darf aber auch mal derber sein.

Vor sechs Jahren hat Amelie Boskamp, die aus einer Pharmazeuten-Familie stammt, das in die Jahre gekommene Gestüt mit Reithalle und Stallungen übernommen. Gelegen am Brücker Königsforst, mitten im Naturschutzgebiet, das auf Refrather Seite endet. Seitdem hat sie den Stall in einen Vorzeigehof mit 25 Pferden verwandelt, dazu gibt schicke, klimatisierte Konferenzräume für Tagungen, in der Scheune steht ein alter Rolls Royce, auf dem Gelände Sitzgruppen für Tagungsteilnehmer und eine Hängematte, Schafe, Hühner, Katzen, Hunde.

Ein bisschen teurer sind die Stallungen für Pferdebesitzer, doch ist die Eigentümerin sehr auf Ausgleich bedacht: „Wir legen viel Wert darauf, dass Reiten bei uns keine Frage der Privilegierung ist: Kinder wohlhabender Eltern sind genauso willkommen wie Menschen, die nicht nur die Sonnenseite des Lebens kennen.“

Was die Nachbarschaft  betrifft, so handelt Amelie Boskamp nach einem Zitat von Schillers Wilhelm Tell, das sie auch in eine Info-Broschüre aufgenommen hat: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Nicht, dass sie den Nachbarn Boshaftigkeit unterstellte – sie versucht einfach, kleinbürgerlichen Zwist gar nicht erst aufkommen zu lassen. Also lädt sie die Refrather und Kölner Nachbarn ein, wenn sie Richtfest für das neue Hotel – dem ersten Haus auf Refrather Stadtgebiet, Am Eichenkamp 1 gelegen – feiert, also steht für Besucher aus der Nachbarschaft am Wochenende immer selbst gebackener Kuchen mit Kaffee und Tee bereit.

„Frau Boskamp hält die Nachbarschaft zusammen“, sagt Dorle Hesberg, die seit 1966 im Bucheckernweg 9 lebt – ebenfalls einem letzten Haus von Köln, das damals noch erschwinglich war. „Wir leben in Refrath, unsere Kinder sind hier in Kindergarten und Schule gegangen, wir gehen in Refrath einkaufen und erledigen alles dort, ich fühle mich trotzdem als Kölnerin.“

Das Kölngefühl auf dem Hof von Amelie Boskamp ist eines von Ruhe und Muße, Naturnähe und Ordnungswille.  Die Chefin formuliert es so:  „Wir sind ein kleiner Stadtstall, eine Oase am Rand von Köln, ein Ort,  an dem es keine Sorgen gibt.“

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