Delirium-CaféZu Besuch bei einer Craft-Beer-Probe in Köln

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Zwölf Teilnehmer probieren sich durch zwölf Bierstile.

Köln – Michael Solms hat kein Problem damit, dass er von manchen für verrückt gehalten wird. Eine Craft-Beer-Bar in Köln eröffnen? Für die Idee wurde der 53-Jährige am Anfang belächelt. „Eines Tages stand der Oberköbes der Päffgen-Brauerei gegenüber rauchend vor der Tür. Ich habe mich vorgestellt und gesagt, dass wir hier eine Bierbar aufmachen. Da hat er mich nur angeschaut, an seiner Zigarette gezogen und trocken gesagt: »Wird schwer.«“

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Lana ist Barchefin des „Delirium Cafés“ in der Altstadt.

Womit Solms aber ein großes Problem hat, ist, wie wir in Deutschland unser Bier brauen. „Es wird gequält und durch einen Filter gequetscht, damit es glatt ist und diese gelbliche Farbe hat. Das ist doch scheiße. Es ist langweilig, das gilt es zu durchbrechen. Ich finde, ein Bier sollte so ausgeschenkt werden, wie es schmecken kann.“

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Zwölf Teilnehmer probieren sich durch zwölf Bierstile.

Wie es schmecken kann, zeigt Solms seit vergangenem September in seinem Kölner Delirium-Café in der Salzgasse. Hier kann man sich durch eine große Craft-Beer-Auswahl trinken – 31 verschiedene Fassbiere vom Hahn und etwa 100 Flaschenbiere warten auf experimentierfreudige Kehlen. Gebraut wurden sie in Manufakturen auf der ganzen Welt. In Augsburg und Berlin, aber eben auch in Belgien, England, Norwegen, Kroatien und den USA. Craft Beer wird auch in Deutschland immer beliebter. Kleine, unabhängige Manufakturen brauen Gerstensaft, der anders („crafted“, also handwerklich) gebraut wird, der anders schmeckt als die großen Marken – und der auch anders aussehen darf.

Nur noch Pils und Weizen

Die einstmals so reiche Bierkultur in Deutschland sei heute größtenteils auf Pils und Weizen zusammengeschrumpft, sagt Solms. „Dabei hatten wir mal so viel mehr. Vieles ist verschwunden durch die Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg. Man kann es den Jungs nicht übelnehmen. Doch sie haben alles andere verdrängt.“

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Mit einem „Kölnmojito“ beginnt das Tasting.

Über 100 unterschiedliche Bierstile gibt es auf der Welt. An diesem Abend sitzen zwölf Interessierte in Solms Bar, um einige davon bei einem Tasting kennenzulernen. Unter den Gästen sind drei Hobbybrauer. Auch die werden in Deutschland immer mehr, wollen mit ihren Kreationen für mehr Vielfalt auf dem Markt sorgen. Einer von ihnen ist Sebastian aus Rösrath. Er braucht keine Brauerei, sondern rührt die Zutaten in seiner Garage zusammen und braut dort. Viel Aufwand, der sich am Ende aber lohne. „Das ist nichts für ungeduldige Leute“, sagt er.

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Michael Solms liebt Craft Beer, Belgien und Individualität. Antiquierte Regeln mag er nicht so gerne.

Während die Runde sich den verschiedenen Bierstilen widmet, erfahren wir allerhand Interessantes. Zum Beispiel wird in der Massenproduktion der sogenannte Lichteffekt, ein Fehlaroma, bereits in den Biergeschmack eingebaut. So merken wir nicht, wenn ein Flaschenbier vor dem Öffnen schon tagelang im Regal stand und einen muffigen Geschmack angenommen hat.

Und wir erfahren, dass es nur einen einzigen Ort außer Köln gibt, in dem laut Gesetz Kölsch gebraut werden darf: In Bielstein im Siegerland, wo Solms aufwuchs, stellt die Erzquell-Brauerei das bekannte Zunft-Kölsch her. Dem Bestandsschutz sei Dank.

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Über 100 Bierstile gibt es auf der Welt, einige sind in diesem Periodensystem verzeichnet.

Apropos Kölsch: Das trinke er mittlerweile auch ganz gerne, sagt Solms. „Aber bei aller Liebe zu euch Kölnern: Bevor ich hierhingekommen bin, habe ich das Kölsch gehasst, weil es mir auf den Senkel ging, dass vor 100 Jahren jemand gesagt hat, das Bier muss so und so aussehen, aus der Stange getrunken und in Köln gebraut werden.“

Am Glas geht es unterdessen munter voran. Kellerbier, Wieß, Bock, DDH Double IPA, Stout... Unser Gastgeber schenkt in flottem Tempo nach und geizt nicht mit den Probierportionen. Er erklärt die Wichtigkeit von Hefe und Hopfen. „Wir wollen ja eine Grundbitterkeit im Bier haben. Eine Stabilität, eine Haltbarkeit. Also nehmt mehr Bier zu euch, dann bleibt ihr haltbarer.“ Nach einem Auftaktcocktail, zwölf Bieren und einem Abschluss-Glas sind die Teilnehmer so haltbar, sie könnten Wasser sein. Wann Solms zufrieden ist mit einem Tasting? „Wenn die Gäste einen mit strahlenden Augen anschauen, auch nach zwei Stunden Gerede noch voll dabei sind und jedes Bier abfeiern“, sagte er. Mission erfüllt. (red) 

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