Der eindringliche Blick des Gorillas

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Künstler Oskar Berner bleibt der realistischen Malerei seit Jahrzehnten treu.

Künstler Oskar Berner bleibt der realistischen Malerei seit Jahrzehnten treu.

Vingst –  Was sieht der Mensch, wenn er einen Affen sieht? Ein besonderes Tier, wie alle Tiere besonders sind? Oder sich selbst? Weiß der Mensch doch um seine Abstammung vom Affen.

Die Gemälde des in Pulheim lebenden Künstlers Oskar Berner (Jahrgang 1948), ausgestellt in der Kirche St. Theodor, führen mitten ins Zentrum dieser Thematik. Es sind klassische Portraits wie Rembrandt, Franz Hals oder Lucien Freund sie in realistischer Detailgenauigkeit von unterschiedlichen Menschen oder vom eigenen Gesicht malten.

Und es sind Bilder, die ohne Umschweife die Macht des Blickes in der Konfrontation mit dem anderen sichtbar machen. Eine Konfrontation, die über den bloßen Kontakt der Augen als zärtliche Berührung oder als Angriff erlebt werden kann. Misstrauen, Vorsicht und Angst drücken sich in den Augen des Anderen aus, Traurigkeit, Neugier oder Zutrauen. Oskar Berner nennt einen Zoobesuch als Inspiration für seine Affengemälde. „Ich sah direkt in das Gesicht eines Gorillas und musste meine Augen niederschlagen, so eindringlich war sein Blick,“ sagt er. Was wir in Berners Bildern in den Affengesichtern erkennen, führt uns direkt zu uns und in das komplizierte Geflecht der seelischen Regungen, die wir gewöhnlich Gefühle nennen. Der Blick ist das Zentrum im Ausdruck dieser Antlitze, in denen alles zum Ausdruck kommt, was die Befindlichkeiten des Lebens so vielfältig, so verunsichernd, so schwierig, so unberechenbar machen kann: Angst, Stolz, Aggressivität, der Wechsel von Macht und Unterwürfigkeit. Gilt das, was zweifellos für den Menschen gilt, auch für das Gefühlsleben der Affen, die Berner mit so viel Einfühlungsvermögen gemalt hat? Oder sind es allein unsere menschlichen Projektionen auf ein Tier, das uns wie kein anderes fasziniert? Einen Affen, der seit den Erzählungen des Dschungelbuchs, von Tarzan und Daktari, so sehr vermenschlicht wurde, dass wir darüber fast vergessen, den Unterschied zwischen dem Menschlichen und dem Tierischen überhaupt noch zu definieren.

Oskar Berner malt seine Portraits nach zeichnerischen Studien.

Oskar Berner malt seine Portraits nach zeichnerischen Studien.

Genau um diese undurchsichtige Beziehung zwischen Mensch und Tier geht es Berner in den Bildern seiner Ausstellung. So hat er zum Beispiel in einer Bildkomposition einen Menschen als riesige, monströse Gestalt dargestellt, die einem winzigen Elefanten gegenüber steht, der sich hilflos wegzudrehen versucht. Der Mensch, der lange Zeit als die Krone der Schöpfung galt und vielen immer noch gilt, ist zu einem ganz schön unheimlichen Geschöpf geworden und ziemlich in Verruf geraten.

In weiteren Gemälden beschäftigt sich Berner auf ähnlich einfühlsame Weise, mit dem Antlitz unterschiedlicher Menschen. Allerdings liegt sein Interesse bei diesen Portraits nicht auf dem ambivalenten Spektrum der Gefühle, das zwischen Liebe und Aggression, Angst und Zutrauen an elementare Regungen unterhalb des Bewusstseins gebunden ist. Vielmehr bringt er in diesen Gesichtern Momente von Ruhe, Traurigkeit, Einsamkeit und Hingabe in den Blick, in denen der Mensch sich bisweilen als ein Geschlagener des Lebens erfährt, andere Male als ein Wesen von größter Ausgeglichenheit und Weisheit.

Ein Mensch wird gezeigt, dem es gelungen ist, mit Klugheit, Beherrschung, Zurückhaltung, Achtsamkeit und Demut aus dem Kraftfeld der bloßen biologischen Mechanismen herauszutreten. Wir sehen auf den Bildern ein japanisches Paar, möglicherweise einen Mönch, eine Afrikanerin, eine leidende Frau, gefasste Gesichter und Gesichter der Verletzlichkeit. Es geht in diesen Werken, die Berner mit größter Sorgfalt und Liebe gemalt hat, um nicht weniger als eine Besinnung auf das, was der Mensch ist, was er sein will und sein kann.

Die Ausstellung ist ein künstlerisches Plädoyer alles Leben mit der gleichen Ehrfurcht zu betrachten und sich zugleich bewusst zu werden was der spezifisch menschliche Charakter im Zusammenhang der Schöpfung ist, mit all seinen Möglichkeiten und all seinen Gefahren. Denn man sollte keineswegs glauben es verstehe sich von selbst, was ein Affe und was ein Mensch ist.

Die Ausstellung ist bis Sonntag, 19. Mai, in der Burgstraße 42, zu sehen. Öffnungszeiten: Sonntags von 12-13 Uhr.

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