Die Heugel-AffäreVor 20 Jahren endete in Köln die Vorherrschaft der SPD

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24.  August 1998: Klaus Heugel ist sich keiner Schuld bewusst. Eine Woche später wirft er das Handtuch.

24.  August 1998: Klaus Heugel ist sich keiner Schuld bewusst. Eine Woche später wirft er das Handtuch.

  • Vor 20 Jahren musste der SPD-Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl Kölns wegen Insiderhandels mit Aktien zurücktreten – damit endeten 43 Jahre Vorherrschaft der Genossen.
  • Die Heugel-Affäre ist der Albtraum der Köln SPD.
  • Bekannte von Heugel sagen, er habe die Geschichte bis heute nicht verwunden.

Köln – Dass 41572 zum Beispiel die Postleitzahl der Stadt Virgie im US-Staat Kentucky ist und als Farbcode für dunkles Pink steht – geschenkt. Bemerkenswert ist die Zahl aus anderem Grund. Sie sorgte vor zwei Jahrzehnten im Zusammenhang mit einer Affäre für Erstaunen, die das Machtgefüge im Kölner Rathaus zerstörte und den Niedergang der örtlichen SPD einleitete.

Genau 41572 Kölnerinnen und Kölner stimmten bei der Oberbürgermeisterwahl 1999 für den Sozialdemokraten Klaus Heugel, obwohl dieser wegen seiner kriminellen Aktiengeschäfte seine Kandidatur kurz zuvor zurückgezogen hatte. Der gestrauchelte Spitzenmann, dessen Name aber noch ganz oben auf den Stimmzetteln stand, erlangte damals 12,9 Prozent. Von solcher Wählertreue kann die SPD heute nur träumen.

Berufliches Insider-Wissen zu verbotenen Geschäften genutzt

An diesem Samstag ist es 20 Jahre her, dass Heugel öffentlich zugab, mehrfach Aktien des Kölner Kabelherstellers Felten & Guilleaume gekauft zu haben. Die Staatsanwaltschaft leitete umgehend ein Ermittlungsverfahren ein. Wenige Tage zuvor hatte die Zeitung „Kölner Woche“ über eine Untersuchung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel berichtet; es ging um den Verkauf von F&G-Aktien aus dem Depot der städtischen Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke. Heugel hatte sein berufliches Insider-Wissen zu verbotenen Aktiengeschäften ausgenutzt, stellte das Gericht später fest. In vertraulichen Gesprächen soll der einflussreichste Mann der Kölner Politik von einer geplanten Übernahme des Unternehmens F & G durch die Bonner Moeller-Gruppe erfahren haben. Angesichts der bevorstehenden Transaktion sei ihm ein Gewinn so gut wie sicher gewesen. Heugel habe durch seine Stellung als Oberstadtdirektor das Vertrauen der Börsenteilnehmer „in besonderer Weise beeinträchtigt“, so das Urteil vom März 2000.

Heugel machte 7750 Euro Gewinn und zahlte 19 132 Euro Geldstrafe

Die Beträge, die damals genannt wurden, mögen in der Welt der Großanleger und Spekulanten verschwindend gering erscheinen. Heugel machte umgerechnet 7750 Euro Gewinn und musste 19132 Euro an Strafe zahlen. Der politische Schaden war trotz der vergleichsweise niedrigen Summe gewaltig. Die Affäre überschattete die Endphase des Kommunalwahlkampfes in NRW. In Köln sprach keiner mehr über politische Sachthemen. Auch andernorts bekamen SPD-Kandidaten und deren Helfer den Zorn zu spüren. Anfangs hatte Heugel noch versucht, das Wahlvolk durch die Spende seines Gewinns an eine wohltätige Organisation milde zu stimmen. Er habe als Privatmann gehandelt, verteidigte er sich. Nicht einmal eine Woche lang hielt er dem Druck stand. Ministerpräsident Wolfgang Clement legte ihm den Rücktritt nahe, von einem Ratskandidaten musste er sich auf einer Gartenparty hinauswerfen lassen, Polizeibeamte durchsuchten seine Wohnung.

Nominierungsfrist abgelaufen: SPD stand ohne Kandidat da

Was das Schlimmste für die SPD war: Sie durfte keinen neuen OB-Kandidaten mehr aufstellen, weil die Nominierungsfrist abgelaufen war. Trotzige Jetzt-erst-recht-Parolen damaliger Parteigrößen, allen voran Bundeskanzler Gerhard Schröder, vermochten die Pleite nicht zu verhindern. Die bis dahin so erfolgsverwöhnten Kölner Sozialdemokraten stürzten am 12. September 1999 auf 30 Prozent ab, die CDU schnellte auf 45 Prozent. Ihr Spitzenmann, der als besserer Zählkandidat gestartete Immobilienmakler Harry Blum, wurde der erste hauptamtliche Oberbürgermeister seit dem Zweiten Weltkrieg. So hatten sich die Genossen das nicht vorgestellt.

Die nach der Reform der Gemeindeordnung erste Direktwahl eines Stadtoberhaupts bescherte der SPD das Ende einer 43 Jahre währenden Vorherrschaft in ihrer Hochburg Köln. Der scheidende Oberbürgermeister Norbert Burger konnte auf der Wahlparty im Rathaus seinen Schmerz nicht verbergen. Im Gespräch mit einem Reporter des Senders „Radio Köln“ rannen ihm Tränen über die Wangen, das Gespräch wurde abgebrochen. Nicht nur in Köln musste die SPD Verluste hinnehmen, sondern auch in Dortmund, Düsseldorf und Essen.

Oberbürgermeister Harry Blum (CDU) starb ein halbes Jahr nach Amtsantritt

Der Name Heugel wurde bundesweit zum Synonym für Filz und Vetternwirtschaft in der Politik. Zwei Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe gab er sein Parteibuch zurück. Ansonsten hätte ihm ein Ausschluss gedroht. „Ein Albtraum“, beschrieb Clement die Wochen vor und nach der Kommunalwahl. Die Kölner Politik kam nach der Aktien-Affäre noch lange nicht zur Ruhe, sie befand sich über Jahre hinweg im Ausnahmezustand. Der neue Oberbürgermeister Harry Blum starb im März 2000, nur ein halbes Jahr nach seiner Wahl, an einer Herzkrankheit. 

Ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung wegen Bestechlichkeit 

Die Euphorie, mit der die CDU in die Legislaturperiode gestartet war, wich Schock und Trauer. Im Herbst 2000 setzte sich der Christdemokrat Fritz Schramma in der Stichwahl gegen die Ex-NRW-Bildungsministerin Anke Brunn (SPD) durch. Schramma hatte es innerhalb weniger Monate geschafft, vom Lateinlehrer an einem Pulheimer Gymnasium und ehrenamtlichen Bürgermeister zum Chef von 17 000 Beschäftigten zu werden. Aufgrund des geänderten Kommunalwahlrechts übernahm Schramma nicht nur die restliche Amtszeit von Blum, sondern wurde auch für die folgenden fünf Jahre bis 2009 gewählt. Dass er nicht wieder kandidierte, war dem Einsturz des Stadtarchivs geschuldet.

Gleich in den ersten Jahren der Amtszeit Schrammas wurden die Parteispendenskandale der SPD (2002) und später auch der CDU (2003) aufgedeckt. Heugel musste sich als Ruheständler erneut vor Gericht verantworten; ebenso wie andere, darunter der Viersener Müllunternehmer Hellmut Trienekens.

2008 wurde der ehemalige OB-Kandidat wegen Bestechlichkeit zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt. Der einst so mächtige Mann lebt zurückgezogen im Stadtteil Lindenthal. Vor kurzem wurde er 83 Jahre alt. Bekannte sagen, Klaus Heugel habe seine Aktienaffäre bis heute nicht überwunden.    

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