Die KVB steht stillSo lief der Streik am Montag

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Wie hier an der Haltestelle Venloer Straße/Gürtel fuhren in der gesamten Stadt keine Bahnen.

Wie hier an der Haltestelle Venloer Straße/Gürtel fuhren in der gesamten Stadt keine Bahnen.

Köln – Eine Berufsgruppe freute sich bisher über die KVB-Streiks: Taxifahrer. Ausfallende öffentliche Verkehrsmittel bedeuteten mehr Kundschaft. Doch am Montagmorgen ist auch bei vielen von ihnen die Stimmung gedämpft. Valerio Schreiber und seine zwei Mitarbeiter stehen gegen 10 Uhr mit ihren Fahrradtaxis vor dem Hauptbahnhof und warten auf Kunden. „Früher waren bei einem Streik alle normalen Taxis und auch wir besetzt“, sagt Schreiber.

Auch am ersten Streiktag sei es für ihn gut gelaufen. Jetzt, sagt er und deutet frustriert mit der Hand auf die Taxis einige Meter weiter, stünden auch die Kollegen im Auto noch hier. „Ich hatte erst zwei Fahrten und bin seit halb acht unterwegs“, sagte der 33-Jährige. „Es sind einfach zu viele Leute im Homeoffice oder nehmen E-Scooter.“

Mitarbeiter der KVB legen erneut die Arbeit nieder

Zum dritten Mal innerhalb von vier Wochen legten die Mitarbeiter der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) am Montag die Arbeit nieder. Dienstag geht der Streik, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hat, weiter. Erst ab Mittwoch, 3 Uhr morgens, fahren Straßenbahnen und die meisten Busse wieder durch Köln. Einzig Buslinien, die von Subunternehmern betrieben werden, verkehren wie auch schon zuvor.

Verdi fordert unter anderem bundesweit einheitliche Tarifverträge.

Verdi fordert unter anderem bundesweit einheitliche Tarifverträge.

Die erneute Streikankündigung sorgt bei Nurhan Altas für Ärger. Die 46-Jährige steht gegen 8 Uhr am hinteren Eingang des Bahnhofs Mülheim und pustet Rauchwolken in die Morgenluft. Die Anzeigetafeln hinter ihr sind, wie schon bei den letzten Streiks, schwarz. Nur eine orangener Schriftzug weist die Kölner darauf hin, dass an dieser U-Bahn-Station heute kein Zug fährt. Die ersten Tage Streik, sagt Altas, seien ihr noch relativ egal gewesen, die Mitarbeiter hätten schließlich das Recht dazu. Doch langsam, findet sie, reicht es, allein schon wegen der Corona-Pandemie. „Die S-Bahnen sind heute total voll“, sagt sie. Eigentlich müsste sie die Linie 13 Richtung Ehrenfeld zur Arbeit nehmen. Wegen des Streiks weicht sie auf die S-Bahnen aus. „Überall müssen die Menschen Abstand halten und jetzt drängeln sich die Pendler in eine Bahn.“

Forderung nach einheitlichen Tarifverträgen

Ein anderer Kölner hat mehr Verständnis für die Streikenden. Julius, seinen Nachnamen möchte er nicht nennen, arbeitet im ambulant betreuten Wohnen und kommt gegen 9 Uhr am Wiener Platz an. Heute fährt er seine Termine mit dem Fahrrad ab. „Es ist ja zum Glück trocken“, sagt er. „Ich habe darauf geachtet, dass alle meine Termine in Kalk oder in Mülheim sind.“ Der Streik nervt den 26-Jährige, aber er findet ihn trotzdem nachvollziehbar. „In anderen Bereichen – zum Beispiel in der Pflege, wo ich herkomme – wird nicht so konsequent gestreikt. Das finde ich schade.“

Die Gewerkschaft Verdi, die zu dem Streik aufgerufen hat, fordert einheitliche Tarifverträge für die bundesweit 87.000 Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr. Außer einer Gehaltserhöhung, fordert Verdi bessere Arbeitsbedingungen. Die Pausen zwischen den Diensten sollen beispielsweise verlängert werden, von mindestens zehn auf mindestens elf Stunden. „Wir müssen den Beruf wieder attraktiver machen, dafür müssen die Beschäftigten entlastet werden“, sagt Michael Munkler von Verdi. „Bundesweit fehlen uns nämlich 15.000 Mitarbeiter.“

Vorgelegtes Angebot sei eine „Frechheit“

Mittlerweile hätten die Arbeitgeber ein Angebot vorgelegt. Das, so Munkler, sei jedoch für die Beschäftigten eine „Frechheit“ und ein „Schlag ins Gesicht“. „Das ist nichts, was man als Wertschätzung akzeptieren kann“, sagt er. Anfang November wird weiter verhandelt. Die Differenzen, so Munkler, seien noch sehr groß. „Die Belegschaft ist bereit, weiter zu streiken“, betont er.

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Am Dienstag wird der Streik ausgeweitet. Dann streiken nicht nur die KVB, sondern auch die städtischen Krankenhäuser, die Kitas, die Stadtverwaltung, die Rhein-Energie und das Jobcenter. Ein paar Kindertagesstätten, sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführer Daniel Kolle, bieten einen Notbetrieb an. Die meisten haben abergeschlossen, die Eltern seien im Vorfeld informiert worden. Auch in den Krankenhäusern ist nur noch ein Notbetrieb im Dienst. „Alle Operationen, die kein Notfall sind, werden verschoben“, so Kolle. „Die Streikteilnahme ist gerade im Bereich der Kliniken sehr hoch.“ 

Auch die Köln-Bäder bleiben am Streiktag geschlossen, Ämter und Behörden sind nur eingeschränkt erreichbar. Die städtische Abfallwirtschaftsbetriebe warnen vor Einschränkungen bei der Stadtreinigung. Mülltonnen sollen wie gewohnt nach draußen gestellt werden – sollte die Abholung ausfallen, werde sie zeitnah nachgeholt. Der Kundenservice der AWB bleibt erreichbar.

Kundgebung an der Deutzer Werft

Am Dienstagmittag treffen sich die Streikenden um 12 Uhr zu einer Kundgebung an der Deutzer Werft. Bereits am Montag bauten dort Arbeiter eine überdachte Bühne und Lautsprecher auf. „Üblicherweise kommen zu solch einer Veranstaltung 20.000 bis 25.000 Leute. Am Dienstag werden es nur 4500 sein“, sagt Munkler.

Bei der Kundgebung herrscht Maskenpflicht, außerdem soll auf den Mindestabstand geachtet werden. An der Deutzer Werft werden „angesichts der steigenden Inzidenzzahl so wenig Menschen wie möglich sein, aber so viele wie geht, um ein Signal zu senden“, so Kolle. Auf dem Heumarkt stellen die Streikenden zudem 1000 Stühle auf. Ein Stuhl soll zehn Streikende repräsentieren. „Es ist eine symbolische Installation, die zeigt, was ansonsten dort stattgefunden hätte“, sagt Kolle. Die Beschäftigten der KVB werden laut Munkler nicht zur Werft kommen – sie lassen den anderen Kollegen aus dem öffentlichen Dienst den Vortritt.

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