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Die Metzger sterben ausWarum zwei weitere Kölner Traditions-Fleischereien schließen

Lesezeit 4 Minuten
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Die Metzgerei Müller am Weidenbach hat nach 92 Jahren geschlossen.

  • In Sülz und in der Kölner Innenstadt haben zwei Metzger mit langer Tradition zugemacht. Das sind nur die jüngsten Beispiele für einen Niedergang der Zunft.
  • „Am Ende wollen es die Leute immer billig”, formuliert ein Fleischer und macht damit die Kunden für das Sterben der Metzger verantwortlich. Doch es gibt auch andere Ursachen.
  • Und es gibt Beispiele in Köln, die zeigen, dass das Handwerk eine Zukunft haben kann.

Köln – Nach 92 Jahren ist für die Metzgerei Müller Schluss. Drei Generationen haben in dem Betrieb am Weidenbach in der Innenstadt Wurst- und Fleischwaren hergestellt und verkauft.

Doch „aus gesundheitlichen Gründen“ geben die Müllers nun auf. Vor allem aber auch, ist aus der Familie zu erfahren, weil kein Nachwuchs zu finden war, der den Laden weiterführen wollte. „Dauerwurst aus eigener Herstellung, 100 Gramm, 1,69 Euro“ oder „täglich ab 9 Uhr heißen Fleischkäse“, wie es auch nach der Schließung vor drei Wochen noch im Schaufenster zu lesen ist, das war einmal.

Der Betrieb der Müllers ist nur ein Beispiel von vielen. Die klassischen Metzgereien sterben. 170 von ihnen waren vor 30 Jahren in der Fleischer-Innung Köln gemeldet, inzwischen sind es noch 26, sagt Artur Tybussek vom Vorstand der Innung. Die Anlässe für die Geschäftsaufgaben seien meist gleich. „Aus Altersgründen und weil es keine Nachfolger gibt“, weiß Tybussek.

Das Gehalt der Fleischer-Azubis ist im Vergleich mit anderen Ausbildungen bescheiden, die Arbeit mit toten Tieren derzeit nicht sehr populär. „Seit Jahren werben wir um Nachwuchs“, sagt Tybussek, aber die Resonanz darauf sei „frustrierend“. Hinzu komme ein Konsum-Phänomen, das Tybussek mit „Wein predigen, Wasser saufen“ umschreibt: Die Kunden begrüßten zwar artgerechte Tierhaltung, würden dann aber doch oft günstige Produkte aus Massenzucht kaufen. „Am Ende wollen die Leute immer billig.“

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Den Spartrieb befeuerten Supermärkte, die neben abgepackten Produkten verstärkt Fleischtheken installierten. „Dort wird Fleisch und Wurst mit immer neuen Lockangeboten verramscht“, stöhnt Tybussek.

Dabei ist es nicht so, dass den Konsumenten die Fleischeslust vergangen wäre. Lebensmittelskandalen wie aktuell dem der hessischen Wurstfabrik Wilke oder schauderhaften Berichten von geschredderten Küken in Massentierhaltungsbetrieben zum Trotz.

Laut Handwerkskammer ist der Jahresumsatz der Kölner Metzger von 133 Millionen Euro im Jahr 2010 einigermaßen moderat gesunken auf 126 Millionen Euro 2016. Auch von einer Schwemme an Vegetariern kann keine Rede sein. Einer Umfrage des Forsa-Instituts für den „Ernährungsreport 2019“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge ernähren sich etwa sechs Prozent der Deutschen streng vegetarisch, nur ein Prozent vegan. Immerhin essen demnach noch 28 Prozent täglich Fleisch, 2015 waren es 34 Prozent. Jedoch sagten auch immer mehr Menschen, dass sie ihren Fleischkonsum zurückfahren wollten.

Keinen Nachfolger gefunden

Die Kundschaft ist also durchaus noch vorhanden, sagt auch Thomas Fischer. Dennoch schloss er, derzeit sogar wie Tybussek im Vorstand der Innung, seinen Betrieb, der 53 Jahre lang in Klettenberg existierte. „Wir hätten noch zehn Jahre weitermachen können. Aber es ging gesundheitlich nicht mehr, und wir haben keinen Nachfolger gefunden“, sagt Fischer. Es habe zwar Interessenten gegeben, „aber es passte nicht“.

Fischers Personal hat zum Teil aber nur einige Hundert Meter weiter einen neuen Job gefunden – in der Metzgerei Friedrichs in Sülz. Der Betrieb ist der Gegenentwurf zum derzeitigen Trend. Vor einem Jahr eröffneten Christoph Friedrichs und seine Söhne David und Sebastian ihr Geschäft. Bei ihnen gibt es ausschließlich Fleisch von Charolais- und Limousin-Rindern, die sie im Oberbergischen selbst züchten. Schwein und Huhn beziehen sie von ausgewählten regionalen Betrieben.

„Unser Fleisch muss keinen Bio-Stempel haben, aber aus nachhaltiger, artgerechter Aufzucht stammen“, sagt Sebastian Friedrichs. Alles, was in der 3,60 Meter langen Theke liegt, haben die Friedrichs selbst verarbeitet und nichts hinzugekauft.

Blick ins gläserne Kühlhaus

Einen italienischen Parma-Schinken etwa gibt es nicht, der Betrieb lufttrocknet lieber selbst. Die Preise können mit den Wursttheken im Supermarkt mithalten. Das Ladenlokal ist modern, über Glasscheiben können die Kunden ins Kühlhaus schauen, es gibt einen Mittagstisch und Café Latte zum Mettbrötchen.

Zwei Festangestellte arbeiten im Laden, eine Köchin sowie drei Mini-Jobber, von denen zwei womöglich bald übernommen werden. „Wir haben uns in kurzer Zeit Stammkunden erarbeitet. Sie steuern uns gezielt an, weil sie gutes Fleisch wollen“, sagt Friedrichs. „Wir sind derzeit maximal zufrieden.“

Es gibt also noch Hoffnung für die Veedelsmetzger. Und deren Kunden.

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