Die Stadt als Dreh-KulisseWenn Kölner Orte im „Tatort“ in Düsseldorf sind

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Die Kommissare Ballauf und Schenk vor dem Gereonskloster im Friesenviertel

Die Kommissare Ballauf und Schenk vor dem Gereonskloster im Friesenviertel

  • Für manche Kölner Fernsehzuschauer ist es ein Ärgernis, wie die „Tatort“-Macher mit der Stadt als Schauplatz für ihre Geschichten umgehen.
  • Am Sonntag wird zum Beispiel das Gereonskloster nach Düsseldorf verlegt.
  • Wie weit darf die Schummelei im Kölner „Tatort“ gehen?

Köln – Max Ballauf und Freddy Schenk steigen ins Auto, um einem halbseidenen Düsseldorfer auf den Zahn zu fühlen. Der betreibt ein ausgesprochen schickes Hotel in der Landeshauptstadt. Doch als die Kölner Kommissare vor dem repräsentativen Gebäude aussteigen, stehen sie tatsächlich im Kölner Friesenviertel vor einem der schönsten Kölner Bauwerke, über dessen Umbau in den vergangenen Jahren gestritten wurde. Die Macher des Kölner Tatorts haben das prachtvolle Gebäude des Gereonsklosters, aus dem das Luxus Hotel Qvest wurde, nach Düsseldorf verlegt.

Wenn am kommenden Sonntag, 6. Januar, der nächste „Tatort“ mit den Kölner Kommissaren ausgestrahlt wird, dürfen die Kölner ein weiteres Mal über den nicht selten recht willkürlichen Umgang der Macher mit den Kölner Örtlichkeiten staunen. Seitdem der „Tatort“ vor über 20 Jahren Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär als Hauptdarsteller in Köln Fälle aufklären lässt, gibt es genug Anlässe zum Diskutieren.

Autofahrten über Rheinbrücken, die zum falschen Ufer führen, „Motivimporte“ aus dem Umland, neue Orte fürs Polizeipräsidium, verlegte Straßenzüge und Bratwurstbuden gab es immer schon. Doch so weit wie bei der aktuellen Folge „Weiter, immer weiter“ sind Produktionsfirma und WDR noch nicht gegangen. 1999 hatte man für die Folge „Restrisiko“ den Nippeser Karnevalszug zum Rosenmontagszug erklärt. Doch dafür konnten die „Tatort“-Macher damals nichts. Kölns Karnevalisten hatten ihnen das Abfilmen des echten Zugs untersagt.

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Dreharbeiten in Köln kosten weniger

Wie weit darf die Schummelei im Kölner „Tatort“ gehen? Die Stadt wünscht sich mehr Sensibilität mit den Örtlichkeiten, wie Roland Berger, Leiter der Stabsstelle Medien im Dezernat der Oberbürgermeisterin, sagt. „Eine gewisse Authentizität muss da sein.“ Die Verlegung des Gereonsklosters gehe zu weit. „Es ist nicht in Ordnung, wenn mit den Motiven so umgegangen wird.“

Der WDR verteidigt das Vorgehen der Produktionsfirma Bavaria. Aus Kostengründen werde so viel wie möglich in Köln gedreht. Schon Dreharbeiten in Düsseldorf würden „eine ganz andere Logistik“ erforderlich machen, so der Sender. Da das Produktionsbüro in Köln liegt und die allermeisten Mitarbeiter in Köln wohnen, bedeute ein Dreh außerhalb der Stadt immer erhöhtes Aufkommen und zusätzliche Kosten. Um welche Summen es hier konkret geht, wenn man zum Beispiel in Düsseldorf ein Hotel für den Mafioso im nächsten Tatort ausgesucht hätte, verrät der WDR nicht. Ein einzelner Tatort koste im Durchschnitt 1,45 Millionen Euro. „Zu den einzelnen Kosten können wir keine Angaben machen, diese variieren auch von Produktion zu Produktion.“

Die Stadt ist nicht mehr so interessiert an Tatort-Dreharbeiten

Auch Produzentin Sonja Goslicki, die „Mutter der Tatorte“ von Köln, Münster und Dortmund, nennt als erstes ökonomische Gründe für den Umgang mit den Motiven. Der Dom und das Rheinpanorama sei nicht verhandelbar, alles andere aber schon. „Solange es realitätsnah wirkt, ist alles möglich.“ Orte wie das Gereonskloster seien dem Gros der „Tatort“-Zuschauer nicht bekannt. Dass der Kölner seine Stadt kenne, müsse man bei der Produktion „vernachlässigen“.

Hinzu komme, dass es immer schwerer werde, Orte in Köln zu finden, für die man dann auch eine Drehgenehmigung bekomme. Die Euphorie der Jahre, als sich die Kölner darüber freuten, endlich einen eigenen „Tatort“ zu bekommen, sei verflogen. „Es wird irre viel in der Stadt gedreht“, sagt Goslicki. Da werde man nicht mehr überall freudig begrüßt. Auch die Zusammenarbeit mit der Stadt Köln sei schon mal deutlich besser gewesen. „Ich habe das Gefühl, dass die Stadt nicht mehr so interessiert ist.“ Den Eindruck weist Roland Berger von der Stabsstelle Medien zurück. „Wir unterstützen den Kölner Tatort und wollen, dass so viel wie möglich von Köln gezeigt wird.“

Eine Babyklappe am 4711-Haus in Ehrenfeld

Doch für die Filmemacher ist Köln offenbar eher eine Kulisse als der reale Ort. Nicht die Stadt bestimmt die Handlung, vielmehr bestimmt die Handlung die Motivwahl. Wenn die „Motiv-Scouts“ im Auftrag des Kameramanns losgeschickt werden, haben sie den Auftrag, Lokalitäten zu finden, die organisatorischen, aber auch künstlerischen Ansprüchen genügen.

Und da kann auch schon mal das Naheliegende ausscheiden: Als man 2003 eine Babyklappe zeigen wollte, drehte man nicht in Bilderstöckchen, weil man die dortige Einrichtung zu schlicht und hässlich fand. Die „Tatort“-Macher bauten eine ins 4711-Haus in Ehrenfeld. 2001 war bereits die Universität bei den Experten fürs Visuelle durchgefallen: Sie wurde in die Abtei Brauweiler verlegt.

Im nächsten Jahr wird auch die Folge „Gegen den Strom“ zu sehen sein, die unter anderem in einer Schule spielt. Doch weil das Drehen in einer Kölner Schule schwierig ist und man Sonntagszuschläge sparen will, wird das „Forum“ aus Leverkusen eingemeindet. Entscheidend ist, dass sich die Zuschauer die äußerlich wenig ansehnliche Leverkusener Kultureinrichtung als Kölner Schule vorstellen können – nicht, ob es wirklich eine ist. Für die Verortung des „Tatort“ in Köln sorgen Namen, an die Wand gepinnte Stadtpläne, der gelegentliche Domblick und der obligatorische Schwenk übers Rheinpanorama. Mehr muss aus Sicht der Macher nicht sein.

„Im Film wird immer gelogen“

Das Thema ist nicht neu; das Drehen an fiktiven Orten gehört nicht nur zum „Tatort“, sondern zu allen Filmproduktionen. Auch die Vorgänger des Kölner Krimis, die in Duisburg und Düsseldorf spielten, wurden teilweise an anderen Orten gedreht. Götz George als Horst Schimanski wohnte mal in einem Hochhaus an der Kölner Hochbahn, fand zweimal eine Leiche im Mülheimer Hafen und ließ in Porz einen Döner anschreiben. Das Duisburger Rotlichtviertel wurde dagegen nach Mülheim verlegt; gedreht wurde auch im Kölner Großbordell, im Großmarkt, in Chorweiler und im Görlinger Zentrum. Auch für die aktuellen „Tatorte“ aus Münster und Dortmund wird immer wieder in Köln gedreht.

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Dass viele Kölner mit „ihrem“ Tatort hadern, dürfte nicht nur an der Motivwahl liegen. Lokalkolorit lässt sich nicht nur über Örtlichkeiten vermitteln, sondern auch über Menschen, ihre Eigenschaften, ihr Miteinander und ihre Sprachen. Als es losging, hatte der WDR versprochen, die Geschichten lokal besser zu verankern. Auch die Menschen sollten „original sein, die Kölner Originale eingeschlossen“, hieß es 1997.

Davon ist wenig zu sehen und zu hören. Selbst als sich die Macher 2017 mit „Tanzmariechen“ noch einmal in die karnevalistische Szene wagten, blieb das Ergebnis holzschnittartig und vor allem hochdeutsch. Die Chance, dem Kölner Tatort über einen neuen Assistenten der beiden Kommissare wieder mehr Erdung zu geben, blieb ungenutzt: Mit der schrägen Figur „Jütte“ präsentieren die „Tatort“-Macher eine waschechte Ruhrpott-Type, die man sich nur schwer bei der Kölner Polizei vorstellen kann. Produzentin Goslicki rät den Kölnern, bei der Beurteilung der Kölner „Tatorte“ ganz entspannt zu bleiben: „Es ist nur ein Film. Und im Film wird immer gelogen.“

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