Direktor der Uniklinik Köln„Belastung für unsere Mitarbeiter ist schon jetzt enorm”

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Uniklinikchef Schömig (hier auf einem Archivfoto) spricht in unserem Interview über die Vorbereitungen zur Bewältigung eines möglichen Ansturms auf Intensivbetten und Beatmungsplätze.

Uniklinikchef Schömig (hier auf einem Archivfoto) spricht in unserem Interview über die Vorbereitungen zur Bewältigung eines möglichen Ansturms auf Intensivbetten und Beatmungsplätze.

  • Der Chef der Kölner Uniklinik, Professor Edgar Schömig, sieht das Klinikum sehr gut vorbereitet auf einen möglichen Ansturm auf Intensivbetten und Beatmungsplätze.
  • Im Extremfall ist die Uniklinik in der Lage, bis zu 90 intensivpflichtige Covid-19-Patienten zu behandeln.
  • Ärzte aus dem Ruhestand zurückzuholen, hält Professor Schömig für weniger sinnvoll.

Köln – Wie ist die Uniklinik Köln auf diese Situation vorbereitet?

Ich denke im Lichte der rasanten Entwicklung und den Umständen entsprechend sehr gut. Wir stellen uns in der Uniklinik Köln schon seit Wochen mit Hilfe zahlreicher Maßnahmen auf die zu erwartende Situation ein. Bewundernswert ist dabei die Disziplin, das Engagement und die große Leidenschaft, mit der sich unsere Ärzte und Pflegenden sowie unsere nicht-medizinischen Beschäftigten diesen großen Herausforderungen stellen.

Unsere Maßnahmen zielen dabei auf drei Ziele ab: Erstens muss das leistungsfähigste Klinikum in Nordrhein-Westfalen auch unter den sich zuspitzenden Umständen solange wie irgend möglich Patienten behandeln können. Zweitens gilt es, besonders gefährdete Personengruppen zu schützen, und drittens leisten wir unseren Beitrag bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens hier in Köln.

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Wie viele Intensivbetten und Beatmungsplätze gibt es?

Das Universitätsklinikum Köln verfügt im Regelbetrieb über etwa 120 Betten auf Intensivstationen mit Beatmungsmöglichkeiten. Diese verteilen sich auf ganz unterschiedliche Fachgebiete wie Herzchirurgie, Anästhesiologie, Infektiologie, Onkologie, Kardiologie, Neurologie oder auch Pädiatrie – um einige Beispiele zu nennen.

Wie sind diese Betten und Plätze aktuell belegt?

Aktuell sind diese Behandlungsplätze zum größten Teil mit schwer erkrankten Patienten zum Beispiel nach operativen Eingriffen belegt. Einige Beatmungsplätze halten wir gegenwärtig bereits durch die Verschiebung weniger dringlicher Eingriffe in Reserve. Darüber hinaus behandeln wir bereits jetzt schon mehrere Covid-19 Patienten auf unseren Intensivstationen.

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Konnte die Uniklinik Köln ihre Intensivkapazitäten erhöhen? Oder steht das unmittelbar bevor?

Wir arbeiten gegenwärtig auf der Basis eines Alarmplans. Das heißt, wir erhöhen schrittweise die Behandlungskapazitäten für beatmungspflichtige Covid-19-Patienten durch die drastische Reduktion elektiver Eingriffe und den Ausbau von Beatmungsplätzen.

Für die neuen Beatmungsplätze richten wir eine zusätzliche Intensivstation ein. Am Ende wären wir im Extremfall in der Lage, bis zu 90 intensivpflichtige Covid-19-Patienten zu behandeln. Wir hier am Universitätsklinikum hoffen, dass es aufgrund der Vernunft der Kölner Bürger im Rahmen der behördlich angeordneten Maßnahmen nicht soweit kommen wird.

Wie aufwendig ist es, kurzfristig einen Beatmungsplatz einzurichten?

Das ist hochaufwendig: Es ist nicht mit dem Beatmungsgerät getan. Man benötigt daneben Monitore, Infusionsständer, Medikamente, Verbrauchsmaterial, Telefone, Computer, eine ausgefeilte Logistik und – am wichtigsten – Personal, dass all diese Dinge bedienen kann.

In welchem Umfang wird etwa OP-Personal geschult, um die Beatmungsgeräte bedienen zu können?

Wir reduzieren bereits seit über zwei Wochen konsequent unser Elektivprogramm, unter anderem um Personal zu schulen. Essenziell für die Behandlung sind aber nicht nur die intensivmedizinischen Möglichkeiten, sondern natürlich auch die virologisch-infektiologische Expertise, über die wir an der Uniklinik Köln glücklicherweise verfügen.

Zur Person

Professor Dr. Edgar Schömig ist Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor der Uniklinik Köln. Der 1960 in Würzburg geborene Mediziner habilitierte in Pharmakologie und Toxikologie. Nach Stationen in Würzburg und Heidelberg folgte er im Jahr 2000 einem Ruf an die Universität Köln, wo er die Leitung des Instituts für Pharmakologie übernahm. Schömig ist ein Verfechter des Klinikverbundes, bereits Ende 2017 machte er der Stadt Köln ein Angebot zur Übernahme der hochdefizitären Städtischen Kliniken. (jac)

Die Uniklinik Köln verfügt über ein interdisziplinäres Zentrum für extracorporale Membranoxygenation, kurz ECMO. Diese Technik kommt bei schwerem Lungenversagen zum Einsatz. Über das DIVI-Intensivregister (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) können freie Kapazitäten in den Kliniken mit ECMO abrufen werden. Wurde das Kölner Zentrum bereits von auswärts angefragt?

Bei der ECMO handelt es sich um eine hochaufwendige Methode. In Köln verfügen neben dem Universitätsklinikum noch die Kliniken der Stadt Köln über große Erfahrung mit der ECMO. Deshalb werden wir auch in normalen Zeiten häufig bezüglich der Übernahme von Patienten angefragt. Gegenwärtig behandeln wir bereits einen Covid-19 Patienten auf diese Weise.

Ein wichtiger Aspekt ist, wie lange das medizinische und pflegerische Personal die enormen Belastungen durchhält. Welche Unterstützung gibt es für die Mitarbeiter der Uniklinik Köln?

Schon jetzt sehen wir, dass die Belastung für die Mitarbeiter beispielsweise in unserem Infektionsschutzzentrum enorm ist. Die drastische Reduktion des gesamten stationären und ambulanten Elektivprogramms dient in erster Linie dazu, die vermeidbaren Belastungen zu minimieren und zusätzliche Mitarbeiter für die Behandlung von Covid-19 Patienten zur Verfügung zu haben.

Daneben haben wir ein breit aufgestelltes betriebliches Gesundheitsmanagement, das auch auf psychische Belastungen reagieren kann. Die Erfahrungen in Norditalien zeigen uns allerdings auch, dass die Belastungen für Menschen, die Patienten helfen wollen, bei einer Überlastung des Gesundheitssystems ins Unermessliche steigen.

Wie werden die Mitarbeiter geschützt? Gibt es Kittel und Schutzmasken in ausreichender Zahl?

Wir haben deutschlandweit als eine der ersten Kliniken in Deutschland für alle Mitarbeiter im Universitätsklinikum einschließlich der Verwaltung eine generelle Mundschutzpflicht eingeführt. Diese erhöht den Infektionsschutz für unsere Mitarbeiter, aber auch den Schutz unserer Patienten, die ja häufig zu der besonderen Risikogruppe zählen.

Gegenwärtig haben wir genügend Schutzmaterialien. Der Nachschub bereitet uns allerdings größte Sorgen, da die internationalen Märkte seit Monaten leer gefegt sind.

Zahlreiche Menschen bieten derzeit auch der Uniklinik Köln ihre Hilfe an. Stichwort: „Helfende Hände“. Über ein Kontaktformular können sich Leute direkt an die Uniklinik wenden. Wer kommt als „helfende Hand“ in Frage?

Das große Engagement in der Bevölkerung zu helfen ist toll. Gegenwärtig sammeln wir die Hilfsangebote, um darauf zurück zu kommen, wenn sich die Situation weiter zuspitzt. Über unsere Website kanalisieren wir die zahlreichen Anfragen.

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt hat Medizinstudierende und Ärzte im Ruhestand um Mithilfe gebeten. Halten Sie das auch für eine gute Lösung? Gibt es eventuell bereits Kontakte?

Bereits jetzt haben wir eine Reihe von freiwillig helfenden Medizinstudenten im Einsatz, deren Studium gegenwärtig ruht. Unsere Medizinstudierenden unterstützen derzeit unter anderem das Gesundheitsamt Köln, vor allem bei administrativen Aufgaben.

Bei Ärzten aus dem Ruhestand bin ich zurückhaltender. Die internationale Erfahrung zeigt, dass der gegenwärtige Einsatz im allgemeinen Gesundheitswesen mit einem Infektionsrisiko einher geht und ältere Menschen – und dazu zählen auch die Kollegen im Ruhestand - besonders geschützt werden müssen.

Halten Sie Ausgangssperren für richtig?

Ich bedauere es sehr, dass eine solche Maßnahme in Deutschland notwendig ist, aber eine Überlastung des Gesundheitssystems hätte schreckliche Folgen. Dann würde nicht nur die Versorgung von Covid-19 Patienten in weiten Teilen zusammenbrechen, sondern auch die Versorgung der verunfallten Fahrradfahrerin oder des Herzinfarktpatienten in Frage stehen.

Verhindern werden wir diese Situation nur durch das konsequente Befolgen der mittlerweile behördlich angeordneten Regeln zum Infektionsschutz. Wenn man nun beobachten muss, dass diese Regeln von einer Minderheit mutwillig missachtet und alle damit alle in Gefahr gebracht werden, macht mich das fassungslos.

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