Diskussion in Kölner SynagogeWDR zeigt umstrittene „Holocaust“-Serie von 1979 erneut

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Herr Lowy (George Rose) und seine Frau (Kate Jaenicke) werden gemeinsam mit Josef (Fritz Weaver) und Berta Weiss (Rosemary Harris) nach Auschwitz deportiert – eine Szene aus Folge 3 der TV-Serie «Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiss».

Köln – „Und für ein solch dubioses Vergnügen blättert der WDR auch noch Millionen hin. Die Verantwortlichen gehören in die Wüste geschickt“, schrieb eine Zeitung, bevor am 22. Januar 1979 die erste Folge der US-Serie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ gesendet wurde. Es war nur eine von vielen ablehnenden Stimmen in einer monatelangen Debatte; von einer Trivialisierung des Holocausts mit den Mitteln Hollywoods war die Rede, von der „Judenvernichtung als Seifenoper“.

So groß sich die Empörung – bis hin zu Anschlägen auf Sendemasten durch Rechtsradikale – vor der Ausstrahlung ausnahm, so gewaltig war die Wirkung. Einschaltquoten von bis zu 39 Prozent erreichte der Vierteiler, der die Geschichte der fiktiven jüdischen Arztfamilie Weiss und des gleichfalls fiktiven SS-Angehörigen Erik Dorf, der vom arbeitslosen Juristen zur rechten Hand Reinhard Heydrichs wird, in der Nazi-Zeit erzählt. „Es war ein gewaltiger Erfolg; der bestand aber in einem Entsetzen“, sagt Günter Rohrbach, der 1978 als Fernsehspielchef des WDR gegen das Votum aller übrigen Fernsehspielchefs der ARD den Kauf der Serie durchsetzte. Dabei sei ihm zuvor klargewesen: „Wir werden geprügelt werden.“

„Holocaust“-Serie ist sowohl umstritten als auch erfolgreich

Am Montagabend nahm Rohrbach in der Synagoge an der Roonstraße an der Podiumsdiskussion teil, die auf die öffentliche Vorführung des Dokumentarfilms „Wie »Holocaust« ins Fernsehen kam“ folgte. Anlass der Veranstaltung war, dass der WDR die so umstrittene wie erfolgreiche Serie, bei der Marvin J. Chomsky Regie führte und die deutsche Fernsehgeschichte schrieb, bis zum 28. November zum dritten Mal ausstrahlt.

In ihrem aufwendig produzierten Film stellt Alice Agneskirchner die Geschichte von „Holocaust“ dar, vom Anlass der Entstehung und den Dreharbeiten in Österreich – sogar in einer Gaskammer im KZ Mauthausen – und Berlin über die Proteste gegen die Ausstrahlung bis zu den Reaktionen in Deutschland. Zehntausende Anrufe gingen 1979 in den Funkhäusern ein, rund 12.000 Briefe kamen an. Nach langer Verdrängung kamen kollektiv Schuld und Scham hoch. Holocaust gehört seitdem zum deutschen Wortschatz.

WDR-Serie über „Holocaust“ erschüttert die Nation

Im Dokumentarfilm spricht Michael Schmid-Ospach, damals Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des WDR, von einer „Erschütterung der ganzen Nation". Auch er nahm an der Podiumsdiskussion teil, ebenso Regisseurin Agneskirchner, WDR-Fernsehredakteurin Beate Schlanstein, Produzent Gunter Hanfgarn und Alice Farkas vom Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln.

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Alles, was „wissenschaftlich dokumentiert und rübergebracht" werde, sei erfahrungsgemäß rasch vergessen – anders „Holocaust“ wegen seiner emotionalen Ansprache, sagte Farkas. Agneskirchner sprach von „emotionaler Wucht“, und Schlanstein sagte zur Erstausstrahlung: „Mich hat das umgehauen.“ Hanfgarn ergänzte: „Es war wie eine Familienaufstellung für Deutschland.“

„Nicht unberührt" lasse ihn, dass man den Dokumentarfilm in einer Synagoge angeschaut habe, sagte Rohrbach zum Schluss. Nachdem er, bei Kriegsende 16 Jahre alt, die ersten Bilder von Vernichtungslagern mit Leichenbergen gesehen habe, sei er überzeugt gewesen: „Das wird uns die Weltgemeinschaft nie verzeihen.“ Später habe er in Israel die Erfahrung gemacht, als Deutscher ein „gerngesehener Gast“ zu sein. Sich zugleich vor Augen zu führen, dass Juden hierzulande heute nicht selbstverständlich unbehelligt über die Straße gehen könnten und jüdische Einrichtungen gesichert werden müssten, werfe die Frage auf: „Was haben wir eigentlich falsch gemacht?“

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