Drei Männer gegen WeltfirmenKölner Laufschuhmarke wächst schnell

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Gert-Peter Brüggemann, Christian Arens und Andre Kriwet (v.r.) haben die Marke True Motion entwickelt.

  • Vor einem Jahre brachte der Kölner Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann mit zwei Mitstreitern seine eigene Laufschuhmarke True Motion auf den Markt.
  • Eigentlich ein Wahnsinn, wird der Markt doch von Weltfirmen wie Nike und Brooks beherrscht.
  • Doch der Zwerg hat einen Riesenerfolg, verkaufte sich 35.000 Mal. Nun gibt es auch eine wissenschaftliche Studie zur neuen Marke.

Köln – „Wir haben erst jetzt richtig begriffen, was wir mit der neuen Technologie geschafft haben“, sagt Gert-Peter Brüggemann (68), emeritierter Professor für Biomechanik und Orthopädie an der Deutschen Sporthochschule Köln. Mit zwei Mitstreitern und eigenem Kapital in „hohem sechsstelligen Bereich“ wagte er vor etwa einem Jahr das Wahnsinnige.

Er brachte einen eigenen Laufschuh auf den Markt – obwohl es weltweit fast 40 Hersteller gibt, die um die Kunden kämpfen. Meistens mit Milliardenetats. Vor großen Marken wie Brooks und Nike hat Brüggemann aber keine Angst – schließlich arbeitete er selbst oft als deren wissenschaftlicher Berater, was ihm den Ehrentitel „Laufschuhpapst“ einbrachte.

Verkauf nur bei 80 Fachhändlern

Mit 6000 Exemplaren in zwei Farben, die bei 80 Fachhändlern in Deutschland verkauft wurden, fingen Brüggemann, Andre Kriwet (48) – ehemals Chef-Schuhentwickler bei Brooks in Seattle – und Christian Arens (30) als Finanzfachmann an. Nun haben sie bereits 35.000 Exemplare ihrer Marke True Motion verkauft.

„Unser Plan wurde weit übertroffen. Dadurch sind wir auf einem sehr guten Weg und die Entwicklung ist sensationell“, sagt Arens. Und Professor Brüggemann, das gibt er selbst zu, kann jetzt wieder besser schlafen.

Inzwischen gibt es ein zweites Modell in zehn Farben. Und die Schuhe wurden wissenschaftlich im Institut für funktionelle Diagnostik im Mediapark getestet und mit Produkten von Weltmarken verglichen. 1,3 Millionen Daten von 83 Läufern wurden gesammelt.

True Motion schnitt bei ausschlaggebenden Parametern deutlich besser ab, so Brüggemann: 18 Prozent bessere Dämpfung, zehn Prozent effizientere Muskelarbeit, zehn Prozent weniger Belastung für das Knie, acht Prozent weniger für die Achillessehne.

Kritisch könnte man anmerken, dass Brüggemann seinen Schuhe in einem Institut prüfen lässt, in dem er selbst Gesellschafter ist. Doch der Wissenschaftler sagt: „Hier wurden keine subjektiven Befindlichkeiten erhoben, sondern biomechanische Daten mit objektiven quantitativen Methoden gemessen. Und die Ergebnisse sind von hoher statistischer Signifikanz.“

Demnächst wird er seine Arbeit auch in Orthopädie-Fachmagazinen veröffentlichen. Ausgezeichnet wurden die Schuhe bereits auf der ISPO, der internationalen Fachmesse für Sportartikel in München.

Laufen wie auf einem Trampolin

Neuartig am Kölner Schuh sind die hufeisenförmigen Elemente aus federndem Material am Vorfuß und an der Ferse. Für den Läufer soll es sich anfühlen, als laufe er wie auf einem Trampolin, gleichzeitig soll die Sohle aber auch Stabilität bieten, sobald der Fuß ins Zentrum des Hufeisens sinkt.

„Althergebrachte Kategorien wie Neutral- und Stabilitätsschuh haben ausgedient“, sagt Brüggemann. Denn trotz aller angeblichen Neuentwicklungen: „Es gibt seit Jahrzehnten keine Verbesserung bei der Verletzungshäufigkeit, vor allem im Kniegelenk und an der Achillessehne.“

Doch warum gehen die internationalen Player trotzdem weiter ihren Weg, entwickeln immer neuen Schnickschnack? „In Weltfirmen gibt es zu viele Zwänge und zu lange Entscheidungswege. Wirkliche Neuentwicklungen dauern oft Jahre“, so Andre Kriwet. „Und es geht sehr viel um das Ego – wie in allen großen Unternehmen.“

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Cooles Marketing, Design und der richtige Werbespruch seien da häufig das Wichtigste. „Man braucht vor allem ein gutes Storytelling, da bleiben echte Benefits für die Läufer schnell auf der Strecke.“ Der „Zwerg“ True Motion dagegen wird weiterhin nur bei Fachhändlern vertrieben, setzt auf Mund-zu-Mund-Propaganda und hat in ganz Deutschland nur ein einziges Werbeplakat: An der Aachener Straße in der Höhe vom Melatenfriedhof, denn dort sitzt Fachhändler Bunert.

Beäugt wird die Kölner Entwicklung aber natürlich doch von den Großen. Manchmal, so Kriwet, bekomme er Aufnahmen von Meetings zugespielt, wo der Schuh besprochen wird. „Aber offiziell hat mich noch kein Ex-Chef dazu angerufen.“ Ob nicht die Gefahr besteht, dass das Hufeisen-Prinzips einfach abgekupfert wird? „Nein, dazu sind die Global Player Player wahrscheinlich zu stolz und zudem auch zu kompetent“, so Brüggemann.

Drittes Modell in Planung

„Wir sehen uns als etwas ganz Spezielles und wollen bewusst unter dem Radar fliegen“, so Kriwet. Nach Schätzungen gibt es in Deutschland mindestens fünf Millionen Läufer, die mindestens dreimal in der Woche laufen und deshalb einen guten Schuh wollen. „Wenn wir einen kleinen Prozentsatz dieser Läufer erreichen, wäre das schon sehr gut“, sagt Finanzfachmann Arens.

„Wir haben keinen Druck und müssen nicht irgendwelchen Investoren unsere Wachstumsraten vorlegen“, so Kriwet. Inzwischen ist man aber schon so weit, dass man den Vertrieb auf die Schweiz und Österreich ausweiten will. Und ein drittes Modell ist in Planung, es soll ein etwas schnellerer Schuh werden. Mehr wird nicht verraten.

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