Abo

DrogendealerStimmung am Ebertplatz wird aggressiver – Wie es weitergeht

Lesezeit 6 Minuten
Die Polizei macht täglich Kontrollen, aber die Dealer kehren immer wieder zurück. (Archivbild)

Die Polizei macht täglich Kontrollen, aber die Dealer kehren immer wieder zurück. (Archivbild)

Köln – Täglich ist die Polizei auf dem Ebertplatz im Einsatz, manchmal mehrfach. Und das seit Wochen. Auf dem tiefer gelegten, in Teilen schlecht einsehbaren Platz verkaufen Dealer Rauschgift an Laufkundschaft.

Anwohner und Passanten klagen, sie fühlten sich nicht mehr sicher. Ein Blick in die Einsatzstatistik der Polizei bestätigt, dass der Ebertplatz und die unmittelbare Umgebung ein Kriminalitätsschwerpunkt sind.

Im Vorjahr ahndeten die Beamten 300 Drogen-Verstöße, Tendenz steigend. Neuerdings stellen die Polizisten fest, dass die Dealer aggressiver werden. Vor drei Wochen schlug ein 24-Jähriger einem Kunden eine abgebrochene Flasche in den Hals, der 42-Jährige wurde schwer verletzt.

Alles zum Thema Martin Börschel

Vor vier Wochen wehrte sich ein 19-jähriger Drogenhändler gegen seine Festnahme und brach einem Polizisten die Hand. Anfang Juni gab ein Beamter sogar einen Warnschuss ab, nachdem er von Dealern umzingelt worden war. Die Täter stammen laut Polizei aus dem afrikanischen Raum.

„Der Ebertplatz ist insbesondere aufgrund seiner baulichen Gestaltung und der Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in der warmen Jahreszeit ein bevorzugter Aufenthaltsort für alkohol- und drogenkranke Personen und für Obdachlose“, berichtet ein Polizeisprecher. Drogenhandel und Drogenkonsum würden zunehmend festgestellt.

Aber wie soll es weitergehen auf dem viel frequentierten Platz? Wie lassen sich die Probleme lösen? Welche Ideen gibt es? Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat alle Beteiligten gefragt.

Das sagt die Justiz

Ein oft gehörter Vorwurf lautet: Die Justiz lässt die Dealer immer wieder laufen. Stimmt das? Grundsätzlich gilt: Jemanden wegen eines einfachen Marihuana-Deals in Untersuchungshaft zu nehmen, ist rechtlich kaum möglich. Denn bei einem erstmaligen Verstoß ist maximal eine Geldstrafe zu erwarten – und die rechtfertigt in der Regel keinen Haftbefehl.

Fällt aber jemand  mehrfach mit demselben Delikt innerhalb kurzer Zeit auf, sehe das schon anders aus, sagt Wolfgang Schorn, Sprecher des Amtsgerichts – vor allem,  wenn dem Täter gewerbsmäßiger Handel nachgewiesen werden könne. Dann drohe ihm eine Freiheitsstrafe. Um einer Verurteilung zu entgehen, wechseln die Täter einfach die Stadt, wenn sie  wiederholt festgenommen wurden.

Das sagen die Anwohner

Die Dealerei auf dem Ebertplatz wird immer dreister und offensichtlicher, die Dealer aggressiver“, sagt Burkhard Wennemar (Foto), Vorsitzender des Bürgervereins Kölner Eigelstein e.V.  „Sporadisch sehen wir zwar Polizeikontrollen, aber davon lassen sich die Täter überhaupt nicht beeindrucken. Sie wirken sehr selbstbewusst, wohl weil sie merken, dass ihnen nichts passiert. Wir kennen Leute, die im Bereich Gereonswall/Hamburger Straße Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu vermieten, weil an dieser Ecke offensiv mit Drogen gehandelt und junge Frauen angemacht werden. Obwohl auch dort schon mehrfach Razzien stattfanden.

Wir fordern ein gesamtstädtisches Drogen- und Sicherheitskonzept, das über punktuelle Maßnahmen wie die Einrichtung eines Drogenkonsumraums hinausgeht, wie jetzt am Neumarkt geplant. Ein Drogenkonsumraum alleine schafft mehr Probleme als Lösungen und birgt die Gefahr, eine weitere Sogwirkung für Drogentourismus zu entwickeln. Klar ist, dass Suchtkranken geholfen werden muss, aber das darf die Belastungsgrenze der Anwohner nicht überschreiten.“

Drogen und Dealer wird es immer geben

Ein Anwohner, der nicht namentlich genannt werden möchte (Name der Redaktion bekannt) beklagt sich, er werde in der Unterführung des Ebertplatzes oft „in respektloser Art von nordafrikanisch aussehenden Männern angesprochen oder angepöbelt“ . Der Gang durch die schlecht ausgeleuchteten Bereiche ähnele  einem Spießrutenlauf. „Ich wünsche mir hier einen Wachdienst.“ 

Ein Leser des „Kölner Stadt-Anzeiger“ dagegen plädiert in einem Leserbrief für einen gelasseneren Umgang mit dem Thema: „Klar, der Staat sollte derartiges nicht zulassen“, schreibt er, „aber man sollte doch auch rüberbringen, dass von diesen Menschen keine Gefahr ausgeht, auch keine Aggressionen. Für den etwas ängstlichen Leser klingt das anders, er denkt, da droht Ungemach. Außerdem ist es nichts neues. So läuft es in allen Großstädten seit 15 bis 20 Jahren. Wenn nicht am Ebertplatz, dann woanders.“

Das sagt die Verwaltung

Der Ebertplatz soll umgestaltet werden, das steht schon im städtebaulichen Masterplan von 2008. Aber wie, wann und wie viel Geld dafür zur Verfügung steht – all das ist unklar. Sie halte es für möglich, dass die Fläche bis 2022 umgestaltet sei, sagt Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes: „Das ist das Ziel, aber das ist sehr grob gegriffen.“

Bis Endes des Jahres sollen zunächst einmal die Anforderungen erarbeitet werden, die in puncto Sicherheit, Gestaltung und Funktionalität des Platzes einzuhalten sind. Nächstes Jahr setzen sich die Planer an die Umsetzung.

Danach werden die Entwürfe in die politischen Gremien gegeben. Auch Anwohner und Nutzer des Ebertplatzes sollen in die Überlegungen einbezogen werden.

Das sagen die Parteien

SPD

„Der Ebertplatz ist an manchen Stellen ein Angstraum“, sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Martin Börschel. „Hier hält man sich nicht gerne auf. Der Platz muss dringend umgestaltet werden, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Ein mehrjähriger Architektenwettbewerb würde dem Handlungsdruck nicht gerecht. Der Ebertplatz muss endlich ein wirklicher großstädtischer Platz werden. Der Bereich vom Hansaring über den Ebertplatz bis Theodor-Heuss-Ring und Rheinufer muss mit Nachdruck vorangetrieben werden, dazu gehören auch die Planungen für eine Quartiersgarage an der Ecke Turiner Straße/Dagobertstraße.“

CDU

„Am Ebertplatz brauchen wir einen Dreiklang von baulichen, ordnungs- und sozialpolitischen Maßnahmen“, fordert Niklas Kienitz, Geschäftsführer der CDU-Fraktion. „Nachdem wir uns aus städtebaulichen Erwägungen gegen eine Tiefgarage entschieden haben, müssen wir unbedingt die Planungen für eine Umgestaltung des Platzes vorantreiben. Gleichzeitig ist eine verstärkte Präsenz von Polizei und Ordnungskräften nötig, um dem Problem Herr zu werden. Beides hat letztlich aber nur verdrängenden Charakter, so dass begleitende, niederschwellige Hilfsangebote für die Szene erforderlich sein werden.“

Bündnis '90/ Die Grünen

„Auch für den Bereich Eigelstein/ Ebertplatz ist die Etablierung eines Drogenkonsumraums notwendig“, sagt Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank. „Allein polizeiliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen, die ja bereits stattfinden und auch notwendig sind, reichen nicht aus. Sie lösen das Problem nicht nachhaltig, sondern erzeugen Verdrängungseffekte. Mit dem Drogenkonsumraum am Neumarkt und dem vom Rat beschlossenen erweiterten Angebot am Hauptbahnhof gehe ich davon aus, dass die Lage an den neuralgischen Punkten in der Innenstadt entschärft und verbessert werden kann.“

FDP

„Selbstverständlich müssen wir den Ebertplatz städtebaulich umgestalten“, sagt FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite. „Aber es hilft doch nichts, den Menschen jetzt zu sagen: Wartet noch mal gefühlte zehn Jahre ab, dann seid ihr das Problem los. Ich bin überrascht, dass diese Dealer nicht festgesetzt werden. Welchen ausländerrechtlichen Status haben die eigentlich? Grundsätzlich gilt: Wer sich integriert, soll hier bleiben können. Aber wer hierher kommt, um zu dealen oder andere Straftaten zu begehen, der hat seinen Aufenthaltstitel verwirkt. Dieses Problem ist hausgemacht.“

Die Linke

„Der Ebertplatz muss lebenswerter gestaltet werden“, findet Michael Weisenstein, Fraktionsgeschäftsführer der Linken. „Der Masterplan Innenstadt sieht eine Umgestaltung des Platzes vor. SPD, CDU, Grüne und vor allem die FDP haben die rasche Umgestaltung verhindert, indem sie aus Wahlkampfgründen eine unsinnige Machbarkeitsstudie für eine Tiefgarage in Auftrag gegeben hatten. Trotzdem gilt: Es wird nicht gelingen, Drogen aus unserer Gesellschaft zu verbannen. Cannabis sollte legalisiert und in Apotheken verkauft werden. Dann verlieren die Dealer ihre Geschäftsgrundlage und verschwinden von alleine.“

KStA abonnieren