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Duelle an der Deutzer BrückeKölner Polizei kontrolliert Hotspots der Raserszene

Lesezeit 5 Minuten
Raser Deutzer Brücke gepixelt

Polizisten kontrollieren einen BMW-Fahrer, der mir 141 km/h durch den Rheinufertunnel gerast ist.

Köln – Es dauert nicht lange an diesem Freitagabend, bis das Getöse einer schwarzen BMW-Limousine durch den Rheinufertunnel röhren. Gegen halb zehn schießt der Sportwagen mit Euskirchener Kennzeichen mit 141 gemessenen Stundenkilometern unter der Deutzer Brücke hindurch Richtung Malakoffturm, kurze Zeit später folgt einer mit 128 Stundenkilometern.

Erlaubt wären maximal 50. Aber es ist ein für Ende Februar recht lauer Freitagabend im Lockdown, an dem nicht nur der BMW-Fahrer wieder daran scheitert, die Grenze zwischen Vernunft und Leichtsinn, zwischen Fortbewegung und Pose einigermaßen zu trennen. Nachdem er von der Polizei gestellt wird, reagiert der junge Mann am Steuer mit Galgenhumor, feixt zunächst etwas. Etwas später nimmt ihn seine Freundin auf dem Beifahrersitz in den Arm, tröstet ihn. Es hat offensichtlich etwas gedauert im Licht der Polizei-Taschenlampen, bis bei ihm angekommen ist, dass diese Fahrt noch ziemlich teuer werden dürfte.

Rennen haben seit Corona zugenommen

Die Polizei ahnt, wann und wo sich solche Szenen abspielen und postiert sich regelmäßig an den Raser-Hotspots. Heute Nacht sind sie bei einer NRW-weit koordinierten Aktion am Rheinufertunnel, an der Siegburger Straße und der Alfred-Schütte-Allee. „Wir wollen den Menschen zeigen, dass es einfach keinen Spaß macht, nach Köln zu kommen, um hier zu rasen“, sagt Polizeihauptkommissar Jürgen Berg, Leiter des „Einsatztrupp (ET) Rennen“. Zeitgleich gibt es auch Kontrollen in Duisburg, Düsseldorf und der Raser-Hochburg Dortmund.

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Seit Beginn des zweiten Corona-Lockdowns haben Rennen und Raserei spürbar zugenommen. Wegen Kontaktbeschränkungen, geschlossener Clubs und Shisha-Bars suchen viele junge Menschen nach Alternativen und beteiligen sich oft schlicht aus Langeweile an illegalen Autorennen. Die Fahrer sind meist Männer zwischen 18 und 25 Jahren, überwiegend mit Migrationshintergrund und aus einfachen Verhältnissen. „Für viele ist es der Sinn des Lebens, mit getunten Wagen und Raserei bei anderen Eindruck zu machen“, sagt Berg. So suchen sich die Raser ihr Publikum, vor dem sie sich glauben, sich profilieren zu können.

Hotspot nach Unfall verwaist

Viele kommen dafür aus dem Umland, weil sie in Köln mehr Zuschauer haben. „Sehen und gesehen werden“, nennt Berg das und spricht von „Blechtindern“: Die Raserstrecke als Dating-Plattform für junge Männer mit hochgetunten Wagen, mit denen sie versuchen, den Frauen zu imponieren, häufig indem sie einfach nur die Motoren aufheulen lassen oder mit quietschenden Reifen Kreise drehen, sogenannte „Donuts“. Die Audis, BMWs oder Mercedes AMGs sind oft geliehen oder geleast, manchmal teilen sich ein paar Freunde die Kosten und wechseln sich hinterm Steuer ab. „Damit können die sich auch die dicksten Autos finanzieren“, sagt Berg. Immer häufiger werden auch Carsharing-Autos für Raser-Fahrten genutzt.

Als wohl größter Hotspot gilt das Deutzer Rheinufer. Auf dem Parkplatz am Thermalbad versammelt sich normalerweise in Nächten wie heute die Szene, um nebenan an Auenweg, Sachsenbergstraße und Kennedyufer Tempo zu machen – trotz Blitzern, Hindernissen und Kreisverkehren, wie Berg berichtet. Doch seit einem weiteren Raserunfall am Donnerstagabend vor 20 bis 30 Zuschauern ist der Parkplatz dicht. Üblicherweise zählen auch die Ringe zu den Hotspots, doch die sind gerade verwaist.

Verletzte nach Unfall

Am Samstagnachmittag ist ein 26-Jähriger mit seinem BMW-Cabrio in Lindweiler auf der Kreuzung Unnauer Weg/Pescher Weg mit einem Mercedes zusammengestoßen. Bei dem Verkehrsunfall wurde der Mercedes in eine Böschung geschleudert . Helfer konnten den Fahrer (69) und seine Begleiterin (58) aus dem Fahrzeug befreien. Beide Insassen erlitten leichte Verletzungen. Eine Passantin hatte beobachtet, wie das Cabrio und zwei weitere Sportwagen auf dem Unnauer Weg mit hohem Tempo durch die 30er-Zone gefahren sei und sich dabei gegenseitig überholt hätten. Kurz darauf habe sich der Unfall ereignet. Die beiden anderen Sportwagen seien davongefahren. Die Polizisten stellten bei der Überprüfung des Mannes fest, dass er offensichtlich nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist. (red)

Neben Stichprobenkontrollen von Autos und dessen Fahrern misst die Polizei an diesem Freitagabend mit einem Laser die Geschwindigkeiten. Dieser gilt als effizient, weil er – anders als Blitzer – das Tempo nicht nur direkt vor dem Gerät misst, sondern eine Reichweite von bis zu einem Kilometer hat. Außerdem leiht sich der ET seit Herbst für die Raser-Kontrollen am Wochenende regelmäßig ein Provida-Fahrzeug von der Autobahnpolizei aus. Der schwarze VW Passat, der zu Tarnzwecken regelmäßig ein neues Kennzeichen bekommt, hat eine Tempomesskamera und 299 PS. Potenzielle Verfolgungsfahrten macht der locker mit, doch muss die Polizei in solchen Situationen auch auf die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer achten, keine zusätzlichen Unfälle bei der Flucht vor der Polizei provozieren.

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„Wenn es zu gefährlich wird, brechen wir ab. Wir wollen die Raser natürlich kriegen, aber nicht um jeden Preis“, sagt Verkehrspolizist Florian Kaminski, der heute Nacht mit seinem Kollegen André Simon in dem Wagen unterwegs ist. Im Stadtverkehr fahren die beiden zunächst im Normaltempo. Wenn dann ein Wagen Gas gibt, sich womöglich mit einem weiteren Auto duelliert, kann Simon als Beifahrer im Provida-Passat mit einem Knopfdruck die Kamera scharf stellen. Auf einem kleinen Monitor im Kofferraum können die Polizisten den Raser – sofern er gestellt wurde – mit dem Video konfrontieren. Polizisten haben zwar eine Intuition. „Wir sind aber auch immer für Hinweise von Zeugen dankbar, wo gerade ein Rennen stattfindet“, sagt Kaminski.

Die Bilanz dieses Einsatztages ist: Die Polizei stellte drei Autos sicher, da sie wegen technischer Mängel oder unsachgemäßer Umbauten nicht mehr verkehrssicher waren. An der Messstelle im Rheinufertunnel wurden 59 Geschwindigkeitsverstöße gegen Tempo 50 festgestellt. Zwölf Fahrer waren mit mehr als 100 km/h unterwegs. Der junge BMW-Raser, bei dem 141 km/h gemessen wurden, darf nun erst einmal weiterfahren. Zu schnelles Fahren ist zunächst nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit. Den Führerschein wird er aber wohl demnächst für längere Zeit abgeben müssen.

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