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„Game of Thrones“-BücherKölner Übersetzer ist der Namensgeber von Jon Schnee

Lesezeit 5 Minuten
Ehrenfeld_Andreas Helweg_Übersetzer GOT

Andreas Helweg aus Ehrenfeld übersetzt die amerikanische Fantasy-Buchreihe „Game of Thrones“ von George R. R. Martin ins Deutsche.

  • In den 1990er-Jahren wurde Andreas Helweg zum Fantasy-Fan.
  • Einige Buchcharaktere wurden für den Übersetzer aus Ehrenfeld zu einer echten Herausforderung.
  • Warum er die Fernsehserie zur Buchreihe noch nicht schauen möchte – und auf die neuen Bände von Autor Georg R.R. Martin sehnlichst wartet.

Köln – Dieser eine Name hat Andreas Helweg lange verfolgt. Gilly. Oder besser Goldy, seine Übersetzung. Gilly heißt in der Romanreihe „A Song of Ice and Fire“ von George R. R. Martin die Freundin von Samwell Tarly, benannt nach der Gillyflower, also dem Goldlack. Daraus machte der Übersetzer in der deutschen Fassung „Das Lied von Eis und Feuer“ Goldy.

Die Fan-Seele ist sensibel

Richtig glücklich war er damit nicht, aber als die junge Frau zum ersten Mal auftauchte, war ja nicht damit zu rechnen, dass sie lange Teil der Saga bleiben würde. Charaktere der Fantasy-Reihe leben bekanntlich gefährlich. Doch Goldy blieb putzmunter. Und Helweg musste sich mit überkritischen Fans auseinandersetzen, die seine Namenswahl kritisierten.

Überhaupt sind die Übertragungen der englischen Orts- und Personennamen ins Deutsche ein Quell ewiger Streitereien. Dass Jon Snow im Deutschen zu Jon Schnee wird, liegt auf der Hand. Aber Königsmund für King’s Landing? Und warum heißen die Lannisters in der deutschen Fassung Lennister? Da ging es in den einschlägigen Foren hoch her. Die Fan-Seele ist sensibel. „Als Übersetzer steht man normalerweise im Schatten des Autors, plötzlich stand ich im Rampenlicht“, sagt Helweg.

Suche nach passenden deutschen Bezeichnungen

Wäre es nach ihm gegangen, hätten die Namen – so wie in den ersten deutschsprachigen Ausgaben – im Original stehenbleiben können. Doch der Verlag wollte es so. Das sei üblich bei Fantasy-Übersetzungen. Der studierte Literaturwissenschaftler machte sich die Suche nach der passenden deutschen Bezeichnung nicht leicht.

Überhaupt recherchiert er stets aufwendig zu Herkunft und Bedeutung von Namen, sucht nach einem guten Klang. „Bei einem solchen Autor will man sich einfach keine Blöße geben“, so Helweg, der in Bielefeld und Essen studierte und seit 1993 in Köln lebt. Aber man müsse in die Welt des fiktiven Kontinents Westeros auch erst einmal reinwachsen.

8000 Manuskript-Seiten übersetzt

An den Übersetzungsauftrag kam er über Praktika und Mitarbeit in einem Verlag. Als der ursprüngliche Übersetzer der Martin-Romane absprang, übernahm er den Job. 8000 Manuskript-Seiten, so schätzt er, hat er mittlerweile ins Deutsche übertragen, darunter viele Nebenprojekte wie ein Graphic Novel. Die besondere Qualität der Romanvorlage sei ihm schon beim ersten Lesen sofort klar gewesen. „Mein erster Gedanke war: Endlich mal geile Fantasy!“, erinnert er sich.

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Das war in den 90er Jahren und der weltweite Siegeszug der Bücher – und vor allem der darauf basierenden HBO-Serie „Game of Thrones“ – lag da noch in weiter Ferne. Die gesamte Fantasy-Szene sei sich aber schon damals bewusst gewesen, dass da etwas Großes entstand. Einen regelrechten Aufschrei der Erleichterung habe es gegeben. Martin nehme seine Figuren und die Geschichte immer ernst. „Gerade bei Fantasy-Literatur sind die Figuren oft hohl, es gibt nur ein schematisches Gut und Böse. Vieles ist lieblos und brutal. Das mag ich nicht. Da war das eine echte Abwechslung“, sagt der kräftige Mann mit erstaunlich sanfter Stimme. Martin setze die Fantasy-Elemente zudem sehr dosiert ein, baue den Spannungsbogen gekonnt auf.

Ein Treffen mit dem Autor

Helweg, der in Ehrenfeld lebt, kann das beurteilen. Er hat schon viel Fantasy-Literatur übersetzt. Dabei ist das gar nicht sein Lieblingsgenre. „Man muss sich manchmal damit abfinden, dass man bestimmte Dinge kann, die man gar nicht so gerne mag.“ Ihm gefallen etwa Kinderbücher und Krimis besser. Doch dass Martins Romanreihe für ihn mehr ist als ein normaler Job, merkt man ihm an. Er hat ihn auch schon einmal getroffen. Auf der Buchmesse, als der Hype noch nicht so groß war.

Danach war der Amerikaner in Köln zu Besuch, gemeinsam gingen die beiden ins Römisch-Germanische Museum. „Sehr nett, sehr wissbegierig“ habe er ihn erlebt. Das war Anfang der 2000er. Mittlerweile sei es nicht mehr so leicht, mit Martin in Kontakt zu treten. Zu groß der Ruhm, zu zahlreich die Anfragen. „Aber die Unsicherheiten beim Übersetzen werden ohnehin weniger, weil sich viele Dinge geklärt haben“, so Helweg. Martin lasse sich ohnehin gut übersetzen, weil er klar und strukturiert erzähle.

Fans fordern neues Ende

Fans von „Game of Thrones“ fordern die Macher in einer Online-Petition auf, die aktuelle Staffel erneut zu drehen. „Macht „Game of Thrones“ noch einmal neu mit kompetenten Autoren“, heißt die Aktion bei der Plattform change.org, die bis Donnerstagmorgen rund 230 000 Unterstützer fand. „Die Serie verdient eine finale Staffel, die Sinn ergibt.“

Die Initiatoren kritisieren die Drehbuchschreiber David Benioff and D.B. Weiss für die jüngsten Entwicklungen. Viele Anhänger sind erbost, weil sich die eigentliche Sympathieträgerin der Serie, Daenerys Targaryen, kurz vor dem Finale zum Bösewicht gewandelt hat.

Die Serie, die laut dem US-Sender HBO pro Folge allein in Amerika rund 43 Millionen Menschen erreicht, endet mit der sechsten Folge der achten Staffel. Das Finale ist in Deutschland beim Pay-TV-Sender Sky ab Montag zu sehen.

Warten auf neues Material

Allerdings wartet Helweg schon lange auf neues Material, um es ins Deutsche zu übertragen. Denn der Meister lässt sich Zeit. Anfangs seien die Folgebände alle zwei bis drei Jahre erschienen, dann alle fünf, der bisher letzte Band „Ein Tanz mit Drachen“ erschien 2012.

Im Internet wurde zuletzt darüber spekuliert, dass Martin die letzten zwei Bände schon lange fertig habe, aber den Serienmachern den Vortritt gelassen habe. Helweg winkt ab. Er hat sich fest vorgenommen, sich – ebenso wie George R.R. Martin selbst – nicht an Spekulationen zu beteiligen. Die deutsche Lektorin hat er dann aber doch gefragt. Ihre eindeutige Antwort: „Es gibt nichts Neues.“ So bleibt ihm nichts anderes übrig als zu warten – so wie alle anderen.

Erst nach Ende der Buchreihe wird die Serie geschaut

Wenn nun, nach acht Staffeln, das weltweite Phänomen „Game of Thrones“ zu Ende geht, wird Helweg nicht wie Millionen anderer Fans die letzte Folge anschauen und über den Ausgang streiten. Die erste Staffel hat er sich angeschaut, mehr nicht. „Die Umsetzung ist großartig. Aber die Bilder in meinem Kopf wurden irgendwann vollständig überlappt von denen der Serie.“ Das wollte er nicht. Sich fernzuhalten von all den Spekulationen ist angesichts der Popularität der Reihe gar nicht so leicht.

Und über ein paar Informationen, die über seinen Wissensstand hinaus gehen, ist er auch ganz froh. Etwa die Gewissheit, dass Jon Snow doch noch lebt. Und irgendwann, wenn auch das letzte Buch übersetzt ist, wird er sich auch die Serie anschauen.

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