„Kaum innovativer Geist“Planungsbeirat kritisiert Ideen für Max-Becker-Areal in Köln

Lesezeit 4 Minuten
roes-maxbexer-grundstueck

Das Max-Becker-Gelände

Köln-Ehrenfeld – Ein „Stück Stadt“ soll entstehen. Wohnen und Arbeiten sind die beiden ganz großen Themen für das künftige Plangebiet „Max-Becker-Areal“. Lange bevor der erste Spatenstich für das neue Viertel zwischen Widdersdorfer Straße, Maarweg und Bahndamm ausgeführt wird, gibt es schon erste Meinungsverschiedenheiten wie die künftige Wohnsiedlung aussehen soll und wie die Anteile zwischen Wohneinheiten und Arbeitsplätzen in dem Gebiet verteilt sein sollen.

Noch gibt es außer vielen Ideen und Wünschen und einer ganzen Reihe von Faktoren, die sich schon alleine aus geltendem Baurecht ergeben, noch nicht viel Konkretes zur Umwandlung des heutigen Schrottplatzes in eine attraktive Gegend zum Wohnen und Arbeiten. 17,3 Hektar gilt es zu beplanen mit Wohnhäusern, einer Grundschule, vier Kindertagesstätten, Gewerbebauten, Kulturstätten und Jugendtreff sowie Straßen, Plätzen und Grünflächen. Anfang des kommenden Jahres soll der städtebauliche Wettbewerb mit zunächst 15 eingeladenen Planer-Teams starten. Der Vorgabenkatalog für die Auslobung muss aber noch durch die politischen Gremien ehe er vom Ausschuss für Stadtentwicklung beschlossen werden kann. Im Rahmenplanungsbeirat Braunsfeld/Müngersdorf/Ehrenfeld, der ersten Station, hagelte es schon Kritik.

MDS-KSTA-2021-06-25-71-172835065

Das weiß umrandete Gebiet wird zum Wohngebiet. 

Wie in einer Mängelliste formulierte der Beirat seine Änderungsvorschläge für den Auslobungstext. Ob sie in den weiteren Beratungen berücksichtigt werden, ist aber nicht sicher. Unter anderem geht es um die angegebene Größenordnungen und die Art des Wohnungsbaus. Dass bereits von 1700 Wohnungen für 4000 Menschen die Rede sei, kritisierte Hildegard Jahn-Schnelle. Sie wünschte sich stattdessen, dass eine möglichst hohe Verträglichkeit mit der Umgebung im Vordergrund stehe. Der Anteil von 30 Prozent gefördertem Wohnungsbau reicht dem Beirat nicht. Er will, dass ein weiterer 20-prozentiger Anteil an preisgedämpftem Wohnungsbau vorgegeben wird. Außerdem benennt der Beirat sogar konkrete Branchen, die er in Bereichen mit Einzelhandel oder Dienstleitungen berücksichtigt haben will. Konkreter ausformuliert werden sollten seiner Überzeugung nach außerdem Vorgaben für den Klimaschutz, Lärm und Starkregen.

Diskussionen um Kugelgasbehälter

Der Auslobungstext fordert die „Vielfalt des Stadtteils Ehrenfeld“ ein. Sie soll sich neben dem Nutzungsschwerpunkt aus Wohnen und Arbeiten auch in sozialen, kulturellen und kreativen Nutzungen widerspiegeln. Zu einem kulturellen Mittelpunkt könnte das denkmalgeschützte „Uhrenhaus“ werden.

roes-kugelgasbeh-006

Erhaltenswert oder nicht? Die Gaskugel der Rhein-Energie am Maarweg. 

Ein früherer Funktionsbau des alten Gaswerks, der an ein Kirchenschiff erinnert. Zwei Villen auf dem Gelände, früher einmal Wohnhäuser leitender Angestellter des Werks, stehen ebenfalls unter Denkmalschutz. Unklarheit gibt es dagegen noch über die Zukunft des Kugelgasbehälters. In einigen Wochen soll allerdings feststehen, ob auch er unter Denkmalschutz gestellt wird.

Neuer Inhalt (1)

Das denkmalgeschätzte "Uhrenhaus" könnte kultureller Mittelpunkt des neuen Wohngebiets werden

Falls nicht, wäre der Abbau des Stahlkolosses praktisch beschlossene Sache. Im Vorgabenkatalog wird dieser Fall bereits als wahrscheinlich skizziert. Das kritisierte der Beirat. Er will, dass im Wettbewerb beide Szenarien – also mit oder ohne Gaskugel – berücksichtigt werden.

Radfahrerfreundliches Wegenetz als Bedingung

In Sachen Verkehrsplanung beschreibt der Textentwurf, dass ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten gefördert werden soll. Dazu müsse „die Radinfrastruktur außerhalb des Plangebiets angepasst werden und dementsprechend ein radfahrer- und fußgängerfreundliches Wegenetz innerhalb des Quartiers entstehen.“ Entlang der nördlich des Gebiets verlaufenden Bahnstrecke ist eine „Mobilitätsachse“ angedacht. Sie beginnt an der Oskar-Jäger-Straße und endet am Bahnhof Technologiepark Müngersdorf. Die Pandion hat alle erforderlichen Grundstücke an dieser Trasse erworben. „Hier könnte ein Shuttle-Bus vom und zum Bahnhof verkehren und eine fast zwei Kilometer lange Geh- und Radwegverbindung entstehen, die Ehrenfeld mit Müngersdorf verbindet“, sagt der Kölner Pandion-Niederlassungsleiter Klaus Küppers. Im Beirat gab es daran Zweifel: „Die Findung einer optimalen Anbindung des Gebiets an den Öffentlichen Nahverkehr ist Teil der Planungsaufgabe“, schlägt der Beirat vor. Der Verlauf der Mobilitätstrasse entlang der Gleise dürfe dabei nicht verbindlich vorgegeben werden. Entstehe dort eine Fuß- und Radwegeverbindung, bestehe die Gefahr, dass die im Zielbild definierte Grünverbindung nicht umgesetzt werden könne.

Das könnte Sie auch interessieren:

Beiratsmitglied Almut Skriver zerpflückte den Entwurf der Vorgaben geradezu. „Es gibt ja kaum innovativen Geist“, meinte die Stadtplanerin enttäuscht. Zudem war sie der Ansicht, dass sich Inhalte des Zielbildprozesses für das gesamte umgebende Gebiet sowie die vom Beirat beschlossene „Charta“ für das Areal praktisch nicht im Vorgabenkatalog wiederfänden. Klaus Küppers reagierte gereizt: „Wir sind nicht irgendwer, dass Sie glauben, uns in solch einer Weise abkanzeln zu können“, schnaubte er. Ein „unsagbarer Aufwand“ mit viel Arbeit sei bislang in die Entwicklung hineingesteckt worden. Man habe viele abstimmende Gespräche gehabt und sich am Zielbildprozess beteiligt. Auch die Charta für das Areal kenne er auswendig, so Küppers. Sie ist dem Vorgabenkatalog immerhin beigefügt. Alleine aufgrund der Referenzen der beteiligten Büros ist er sich sicher, dass eine Fülle an innovativen Vorschlägen erarbeitet werde.

Wettbewerbsjury entscheidet 2022

Die Auslobung des Wettbewerbs wird in Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt vorbereitet. Anfang 2022 soll sie den eingeladenen Büros – sie kommen unter anderem aus Skandinavien, den Niederlanden und Deutschland – zugehen. Für Mitte 2022 ist die Entscheidung der Wettbewerbsjury geplant. Diese besteht aus Vertretern der Stadt und der Pandion AG sowie eingeladenen Experten und Politikern. Der Siegerentwurf soll – voraussichtlich nach einer neuerliche Überarbeitung – die Basis für den Bebauungsplan bilden. Im Jahr 2024 ist zu erwarten, dass diese baurechtliche Seite abgeschlossen ist und die ersten Spatenstiche ausgeführt werden können.

KStA abonnieren