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Versunkene StadtteileDie Keimzelle von Ehrenfeld

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Das Foto dürfte entstanden sein, kurz bevor die Gutsgebäude abgebrochen wurden. Im Hintergrund grüßt der Turm von St. Peter.

Das Foto dürfte entstanden sein, kurz bevor die Gutsgebäude abgebrochen wurden. Im Hintergrund grüßt der Turm von St. Peter.

Widdersdorf/Neuehrenfeld – Eine Schlösserstraße in Neuehrenfeld? Felix Schloeßer ist verdutzt, davon hat er noch nie gehört. Neugierig beugt er sich über den Stadtplan: Tatsächlich, da ist sie, eine kleine Stichstraße, die von der Subbelrather Straße abgeht und zur Schrebergartenkolonie „Kleingärtnerverein Schlösser“ führt. Im Volksmund sagt man meist Schlössers Gärten. Felix Schloeßer wohnt in Widdersdorf, also ziemlich weit weg von Neuehrenfeld, wo sich sein Familienname auf einem Straßenschild findet.

Die Namensgleichheit – trotz der unterschiedlichen Schreibweise – ist kein Zufall. Felix Schloeßer, Landschaftsgärtner von Beruf, ist der Urenkel von Aloys Anton Schloeßer. Nach ihm, der ebenfalls im Gartenbau tätig war, sind sowohl die Straße als auch die Schrebergartenanlage benannt. Er war der Besitzer des Subbelrather Hofs, dessen Ländereien sich nördlich der Subbelrather Straße bis zur Iltisstraße erstreckten. Also genau dort, wo heute das Zentrum von Neuehrenfeld liegt.

Besitz in Parzellen geteilt

Vom Gehöft ist kein Stein mehr vorhanden. Wo es einst stand, breitet sich heute die Kreuzung Ehrenfeldgürtel/Subbelrather Straße aus, fahren Autos, rattert die Straßenbahn. Aloys Anton Schloeßer, der 1845 geboren wurde und 1908 starb, schob die Gründung Neuehrenfelds entscheidend mit an, denn wie andere Großgrundbesitzer auch, etwa Franz Zilkens, teilte er vom Ende des 19. Jahrhunderts an seinen Besitz in Parzellen auf, verkaufte sie an Bauwillige oder ließ selbst Häuser darauf errichten. Zudem stiftete er das Grundstück für die 1901 geweihte Kirche St. Peter sowie 22 000 Reichsmark für den Turm und die Glocken. Der Lenauplatz wurde ebenfalls auf seine Initiative hin angelegt. Gleichzeitig aber führte er in all den Jahren seine Obstbaumschule weiter, 15 000 Bäume soll es auf dem Areal gegeben haben, alljährlich erschien ein Bestellkatalog. Der erste datiert von 1882, der letzte von 1905/06 – so lange dürfte also auch die Hofanlage Bestand gehabt haben.

Die Kataloge mit genauen botanischen Beschreibungen und farbigen Zeichnungen, zu Folianten gebunden, hütet Annemarie Schloeßer, die Frau von Felix, wie einen Schatz. Auch ein Foto vom Subbelrather Hof im Schnee besitzt die Familie noch, es stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts, im Hintergrund ist der Turm von St. Peter zu sehen.

Bis in die 1980er Jahre hinein wurde das Viertel zwischen Subbelrather- und Nußbaumerstraße auch von offizieller Stelle „Subbelrath“ genannt – etwa von der Denkmalpflegerin Henriette Meynen in ihrem Buch „Wohnbauten in Köln-Ehrenfeld“ von 1977. Und 1963 gründete sich in der Gaststätte „Zu den Linden“ an der Subbelrather Straße 387 der Karnevalsstammtisch „Subbelrooder Junge“, die Kneipe ist längst geschlossen. Der Freundeskreis ging viele Jahre im Dienstagszug mit, hat sich aber, der nicht eben sehr aktuellen Homepage nach zu urteilen, mittlerweile wohl aufgelöst. Das hat etwas Symptomatisches, denn kaum ein Bürger spricht heute noch wie früher davon, „om Subbelrood“ einkaufen zu gehen. Dabei liegt die belebte Landmannstraße mitten in diesem Quartier – das versunken ist wie viele andere in Köln, die von dominanteren Stadtteilen aufgesogen wurden, in diesem Falle von Neuehrenfeld.

Zwar musste der Subbelrather Hof dem Ehrenfeldgürtel weichen, die Besitzerfamilie blieb aber erst einmal ihrem angestammten Wohnort treu und beteiligte sich an weiteren Bauvorhaben, zumal der 1884 geborene Felix Schloeßer, einer von fünf Söhnen von Aloys Anton, Architekt von Beruf war. Nachdem er mit seiner Familie zunächst (ab 1913) am Ehrenfeldgürtel 142 gewohnt hatte, kaufte er 1933 den historischen Petershof an der Widdersdorfer Hauptstraße und taufte ihn in Neu-Subbelrather Hof um.

Vom Vater übernommen

Ohne weiteres könnte man also eigentlich seinen Nachfahren Felix Schloeßer, der nach seinem Großvater heißt und den Hof 1994 von seinem Vater Edgar übernommen hat, als den letzten echten Subbelrather bezeichnen. Der 65-Jährige schüttelt den Kopf: „Ach nein, ich bin in Hohenlind geboren, in Widdersdorf aufgewachsen, mit Ehrenfeld verbindet mich nichts.“ Wirklich nicht? Zumindest eine vage Erinnerung: „Ich war mal mit meinem Vater in einem Haus an der Fridolinstraße, das uns noch gehörte. Es musste ausgeräumt werden, weil es abgebrochen werden sollte, nur noch alte Sachen standen herum.“

Dass es in Widdersdorf den Neu-Subbelrather Hof gebe, führe bei Ortsunkundigen manchmal zu Verwirrung, erzählt Annemarie Schloeßer. „Es kommt vor, dass Leute bei uns landen, obwohl sie eigentlich zur Subbelrather Straße wollen.“ Auch Post werde mitunter irrtümlich zugestellt. Kurios: In der Nähe des Hofs gab es in den 1950er Jahren eine Landarbeiter-Siedlung, die nannte die Widdersdorfer Bevölkerung „Im Ehrenfeldchen“.

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