111 Jahre Tradition„Haus Scholzen“ in Köln-Ehrenfeld ist immer noch in Familienhand

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Die Seele des Hauses: Wirtin Marie-Luise Scholzen

Die Seele des Hauses: Wirtin Marie-Luise Scholzen

Carl und Angelika Scholzen bewiesen 1907 unternehmerischen Mut und Weitsicht. Sie kauften das Lokal „Ehrenfelder Hof“, tauften es in „Haus Scholzen“ um und legten den Grundstock für eine imposante Kölner Gastronomiegeschichte. Heute würde man sagen: Den beiden ist ein äußerst erfolgreiches Startup geglückt. Eins mit langem Atem. Das kölsche Jubiläum „111 Jahre Restaurant Haus Scholzen“ feiern ihre Enkel und Ur-Enkel. Das Unternehmen ist seit vier Generationen in Familienbesitz. Immer am gleichen Platz in Ehrenfeld an der Venloer Straße.

Dass sie zupacken konnten, hatten die Firmengründer bereits in ihren ursprünglichen Berufen bewiesen. Carl stammte aus einer Bauernfamilie aus Niederprüm und arbeitete als Kellner im Kölner Hotel/Restaurant und Brauhaus „Ewige Lampe“. Das beeindruckende Gebäude stand einst in unmittelbarer Nähe des Kölner Domes hinter dem Hauptbahnhof. Angelika war Hebamme. Die Gastwirtschaft der Scholzens entwickelte sich gut in dem aufstrebenden Viertel, das erst 1888 nach Köln eingemeindet worden war. Fabriken, Handwerksbetriebe und Geschäfte und mit ihnen viele Familien siedelten sich in dem Vorort an. Leider gibt es aus dieser Zeit nichts Erhellendes mehr in der Familienchronik. 1943 wurde das Haus durch einen Bombentreffer komplett zerstört.

„Meine Mutter soll weinend auf der anderen Straßenseite gestanden und auf das brennende Gebäude gestarrt haben. Sie schilderte noch Jahre später mit Entsetzen den Moment als die Bierpumpe geschmolzen ist“, erzählt Karl Scholzen. Er leitet das Haus gemeinsam mit seiner Frau Marie-Luise seit 1975.

Der Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg war schwierig. Carl Scholzen starb 1946. Wohl auch an gebrochenem Herzen. Sein Lebenswerk lag in Schutt und Asche, ein Sohn war im Krieg gefallen, der andere bei Kriegsende noch nicht zu Hause. Sohn Heinz kehrte erst 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft heim. Obwohl weder Karl noch Marie-Luise Scholzen damals bereits auf der Welt waren, ist ihnen die Heimkehr aus Erzählungen sehr präsent. „An dem Tag war meine spätere Schwiegermutter Magdalena gemeinsam mit ihrer Schwester Cilly und ihrem Schwager Walter zum ersten Mal nach Kriegsende wieder ausgegangen.

Ein Bekannter hat sie mitten aus der Vorstellung im Williamsbau geholt und gerufen: »Lenchen, dein Mann ist wieder da«. Die Strecke von der Aachener Straße bis zur Venloer Straße wird sie wohl in Rekordzeit zurückgelegt haben“, erzählt Marie-Luise Scholzen.

Lenchen und Heinz gingen ans Aufräumen. Carls Sohn war von Beruf Drogist und wollte eigentlich eine Drogerie eröffnen. Das ging aber nicht, da es in dem Viertel bereits eine gab, die Gebietsschutz genoss. Also besann er sich auf die Familientradition und auf die Gastronomie. Die Anfänge waren recht bescheiden. Wenig erinnerte an die einstige Gastwirtschaft. Nur eine Säule war stehengeblieben, auf dem Eckgrundstück türmte sich der Schutt.

Fatalerweise hatten die Nachbarn ihre Trümmer noch dazu geworfen. Notdürftig richtete Heinz einen kleinen Laden her. Seine Kenntnisse als Drogist nutzte er, um eine Schnapsbrennerei aufzubauen. Die gibt es immer noch. Es müssen abenteuerliche Zeiten gewesen sein. „Mein Vater schlief nachts in dem Lädchen und passte auf, dass nichts wegkam. Tagsüber schickten die Brauereien ihre Leute vorbei, um sich den strategisch günstigen Wirtschafts-Standort zu sichern.“

Für jeden hatte Heinz nur eine Antwort parat: „Fahr’ wigger“. Stück für Stück baute die Familie das Haus wieder auf. Die Gasträume wurden erweitert, Stockwerk um Stockwerk wuchs das Gebäude in die Höhe. Erst 1982 war der Aufbau beendet, und der Komplex auf seine ursprüngliche Größe wie vor 111 Jahren gewachsen.

Im „Haus Scholzen“ ist es über die Jahrzehnte gelungen, das Traditionelle zu bewahren und dennoch stets auf der Höhe der Zeit zu sein. Um das festzustellen, genügt ein Besuch. Das Restaurant bietet bis zu 150 Plätze auf etwa 400 Quadratmetern. Im Innern empfängt den Gast eine rustikal-altdeutsche Gemütlichkeit. Eichenvertäfelung an den Wänden, Tische mit eingelassenen blauen Delfter Kacheln – die umfassen auch die weitläufige Theke im Eingangsbereich. Historische Leuchter, Madonnenfiguren, Zinnvasen und alte Meister an den Wänden runden das Bild ab.

„Diese Sachen sind alle vom Schwiegervater. Der hat Antiquitäten gesammelt und ging regelmäßig zu den Versteigerungen ins Auktionshaus Van Ham. Ein paar Stücke zeigen wir, beständige Dinge passen zum Haus und zu unserer Philosophie.“

Scholzen's Flönzjen und Ehrenfelder Tröpfchen

Zu den Stars auf der Speisekarte gehören der „Ehrenfelder Senfbraten“ und das „Ehrenfelder Tröpfchen“, ein Halbbitter aus eigener Herstellung nach historischem Rezept sowie „Scholzen’s Flönzjen“, ein Stück Blutwurst mit Senf und ein Kümmelschnaps. Zum kölschen Jubiläum gibt es eine Spezialkarte, die als kulinarische Reise einige Gerichte aus den jeweiligen Dekaden abbildet.

Ein paar Beispiele: Soleier und Zunge in Madeira (1907), Graupensuppe „Blauer Heinrich“ (1948), mit Königinnenpastetchen und Kalb „au four“ geht es hinein in die Sechziger, Toast Hawaii, die „Domspitzen“ und das Rumpsteak „Alt Köln“ markieren das Jahr 1975. Ab 2007 wird es auf den Tellern moderner unter anderem mit vegetarischen, veganen und regionalen Speisen.

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„111 Jahre Haus Scholzen“ feiert der Familienbetrieb gemeinsam seinen Gästen. „Mit wem sonst? Das Indiz für den Erfolg eines Restaurants ist die Zahl seiner Stammgäste. Das ist die Basis. Im Rahmen der Jubiläumswochen möchten wir als Gastgeber etwas zurückgeben. Als Dankeschön gibt es elf Prozent Rabatt“, sagt Marie-Luise. Sie ist die Seele des Hauses, ihr Mann der Chef. Früher stand der gelernte Koch in der Küche, jetzt als Wirt hinter der Theke.

Auf dem T-Shirt des Vaters stand „01 Boss“

Die Frage der Rangfolge ist allerdings spätestens seit der Sache mit den T-Shirts geklärt. Vor einigen Jahren überraschten die Kinder ihre Eltern mit zwei individuell bedruckten Hemden: Auf dem des Vaters stand „01 Boss“, auf dem der Mutter „02 Big Boss“.

Die Scholzens haben drei Töchter und einen Sohn, mit Tochter Kathrin ist seit 2007 bereits die vierte Generation mit im Geschäft. Die fünfte ist zwar hin und wieder schon im Restaurant anzutreffen, ist aber mit drei und eineinhalb Jahren beziehungsweise wenigen Wochen noch nicht einsatzbereit.

111 Jahre „Restaurant Haus Scholzen“, Venloer Straße 236; Jubiläumswochen vom 6. bis 17. Juni

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