Flickenteppich auf Venloer StraßeKölner Verkehrsversuch in Ehrenfeld mündet im Chaos

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Auf der Venloer Straße sind Markierungen auf Rad- und Fußgängerweg durchgestrichen – es fahren zwei Autos und ein Radfahrer auf der Straße, eine Fußgängerin steht am Straßenrand.

Den Fußgängerüberweg in Höhe der Neptunstraße gibt es derzeit nicht mehr, weil die Markierungen überklebt und die Ampeln abgeschaltet sind.

Die Verkehrswende sorgt gerade in vielen Veedeln für Diskussionen. In Deutz soll die Freiheit autofrei werden, in Ehrenfeld die Venloer Straße zur Tempo-20-Zone.

Die Fahrradpiktogramme sind durchgestrichen. „Darf ich da jetzt nicht mehr fahren?“ Ein kleiner Junge schaut seinen Vater fragend an. Der blickt ratlos und verwirrt, weil vernünftige Antworten in Bezug auf die Venloer Straße in diesen Tagen schwer sind. Starke Nerven und wache Sinne waren schon immer gefragt, wenn man zwischen Gürtel und Innerer Kanalstraße unterwegs war. Jetzt aber wird es schon zur Herausforderung von einer Straßenseite auf die andere zu kommen.

„Verkehrsversuch“ auf der Venloer Straße in Köln endet im Chaos

Der „Verkehrsversuch“ scheint sämtliche Regeln des Miteinanders im Straßenverkehr außer Kraft zu setzen angesichts der allgegenwärtigen gelben Kreuze, mit denen Piktogramme und Linien für ungültig erklärt wurden. Ampeln sind abgeschaltet und die eher kleinformatigen „Tempo 20 Zone“-Verkehrszeichen gehen im allgemeinen Schilderwald der Venloer Straße praktisch unter.

Eine Fahrradfahrerin fährt auf der durchgestrichenen Fahrradspur auf der Venloer Straße.

Mit gelben Streifen wurden die Fahrradpiktogramme auf der Venloer Straße ungültig gemacht.

Die Schilder mit der Information „Geänderte Verkehrsführung“ tragen auch nicht zur Erhellung bei. Demnächst sollen großformatige Fahnen an den Masten entlang der Straße auf die neue Situation aufmerksam machen. Ob das Beachtung findet, wo die Menschen mit übergestülpten Kapuzen oder eingeschalteten Scheibenwischern unterwegs sind, bleibt abzuwarten.

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Fassungslosigkeit in Kölner Bezirksvertretung und Politik

„Ich bin auch der Meinung, dass nicht alles optimal gelaufen ist“, räumte Jürgen Möllers, Fahrradbeauftragter der Stadt in der Bezirksvertretung Ehrenfeld ein. Dort war ihm das blanke Entsetzen der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger entgegengeschlagen, die bei ihren Schilderungen der Situation auf der Venloer Straße sichtlich um Fassung bemüht waren.

„Wir experimentieren hier mit lebenden Menschen“, warnte SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Bossinger. Aus ihrer Befürchtung, dass jemand zu schaden kommen könnte, machte sie keinen Hehl. „Schalten Sie die Ampeln wieder an und markieren Sie weitere Zebrastreifen “, forderte sie. Dazu gab es aber von den Vertretern des Amts für Straßen und Verkehrsentwicklung eine Absage. Das sei in einer Tempo 20 Zone – und so etwas soll der Teil der Venloer Straße zwischen Innerer Kanalstraße und Gürtel gerade sein – nicht vorgesehen.

Gefährliche Umstände auf der Venloer Straße – zu Fuß oder mit dem Rad

Warum dann aber der vorhandene Zebrastreifen am Barthonia-Forum nicht auch durchgestrichen wurde, blieb unklar. Hier haben Fußgänger noch die größten Chancen, halbwegs sicher auf die andere Straßenseite zu gelangen. An den Übergängen in Höhe der Piusstraße oder in Höhe Neptunstraße, wo die Ampeln abgeschaltet wurden, ist das fast schon unmöglich.

Im Vordergrund sieht man das Hinweisschild auf Tempo 20 und im Hintergrund die befahrene Venloer Straße.

Die Hinweisschilder auf Tempo 20 wurden an den Zufahrtsstraßen aufgestellt.

Radfahrende achten noch weniger auf den Fußverkehr als zuvor und wer hinter dem Steuer eines Autos sitzt, hat schnell die Hand auf der Hupe. Im Nachteil sind vor allem Fußgänger – hier besonders Kinder und ältere Menschen. Überwege wollte die Stadt eigentlich mittels fest eingebauter Einengungen schaffen, die wie vorgezogene Bordsteine in die Fahrbahn ragen. Sie seien nicht rechtzeitig geliefert worden. Einen genauen Termin gebe es nicht. Möglicherweise müsse ein Provisorium mit rot-weißen Baken gebaut werden, sagte Jürgen Möllers. Es würde dann in der kommenden Woche in Höhe Neptunstraße/Josephskirche installiert.

Kritik aus der Politik: Schlechte Kommunikation und Umsetzung

Auch die Kritik, dass die Maßnahmen schlecht kommuniziert wurden, mussten sich Jürgen Möllers und Christian Leitow anhören. Nachdem dienstags die De-Markierung mit gelben Streifen abgeschlossen und die Tempo 20-Schilder aufgestellt waren, standen bereits mittwochs die Telefone bei Politik und Verwaltung kaum still. Am Wochenende werden Flyer in der Nachbarschaft verteilt und nächste Woche werden die blauen Fahnen mit dem „Tempo 20“-Schild gehisst. „Das hätte man vor den Markierungen und den Beschilderungen machen müssen“, sagt Ulrike Detjen von den Linken.

Kritisiert wurde auch, dass es keine Möglichkeit gibt, sich vor Ort zu informieren oder auch Hinweise zu geben. Eigentlich sei beschlossen worden, während des Versuchs einen Container oder Bauwagen als Infostelle in der Straße zu platzieren. Bettina Tull von den Grünen, die Veränderungen der Verkehrssituation auf der Venloer Straße seit Jahren am lautesten fordern, zeigte sich ebenfalls unzufrieden. Sie machte Geschwindigkeitsüberschreitungen und Falschparken von Autofahrern als Übel aus. Doch auch den Radfahrenden müsse klar gemacht werden, dass die Venloer keine Schnellstraße mehr für sie ist.

Wie geht der „Verkehrsversuch“ auf der Venloer Straße weiter?

Ihrer Überzeugung nach müsse nun so bald wie möglich der nächste Schritt kommen: Die Einführung einer Einbahnstraße. Dies sei das entscheidende Element, um den vorherrschenden Autoverkehr zurückzudrängen. Im Laufe des nächsten Jahres wird diese Phase des Verkehrsversuchs gestartet.

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