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Junge Männer und Frauen verurteilt25-Jährigen in Köln-Ehrenfeld als Sklaven gehalten

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Drei der sieben Angeklagten sitzen vor Beginn des Prozessauftakts im Landgericht. Die Angeklagten sollen einen behinderten Mann eingesperrt und zu „sklavenähnlichen Arbeiten“ gezwungen haben.

Drei der sieben Angeklagten sitzen vor Beginn des Prozessauftakts im Landgericht. Die Angeklagten sollen einen behinderten Mann eingesperrt und zu „sklavenähnlichen Arbeiten“ gezwungen haben.

  • Fünf Tage lang hielten sieben junge Männer und Frauen den Mann, der Epileptiker und geistig leicht behindert ist, gefangen und behandelten ihn wie einen Sklaven.
  • Früh hatten die Angeklagten, zwischen 16 und 34 Jahre alt, die Vorwürfe im Wesentlichen eingeräumt.
  • Am Mittwoch hat das Landgericht das Urteil verkündet.

Köln – Im Prozess gegen sieben junge Männer und Frauen, die im Februar dieses Jahres einen 25 Jahre alten Mann tagelang in einer Wohnung in Ehrenfeld festgehalten, gedemütigt und misshandelt haben, hat das Landgericht am Mittwoch das Urteil verkündet.

Bis zu viereinhalb Jahre Haft

Zwei Angeklagte haben wegen Raubes, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung Haftstrafen von viereinhalb Jahren erhalten und sollen laut Gericht in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. Drei weitere Beschuldigte sind zu dreieinhalb Jahren Haft sowie Bewährungsstrafen von 21 und 18 Monaten verurteilt worden.

Ebenfalls eine 18-monatige Haftstrafe auf Bewährung hat die 15. Große Strafkammer des Landgerichts gegen einen Mann verhängt, den es nur der Beihilfe zum Raub, aber ebenfalls der Freiheitsberaubung für schuldig hält. Als geringer stuft sie auch die Tatbeteiligung eines weiteren Mannes ein, doch die wiege noch so schwer, dass er für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis müsse. Einige Einzelurteile ergingen nach Jugendstrafrecht.

Vorwürfe früh eingeräumt

Früh hatten die Angeklagten, zwischen 16 und 34 Jahre alt, die Vorwürfe im Wesentlichen eingeräumt. Die Kammer geht von folgendem Geschehen aus. Eine Täterin lockte den 25-jährigen Marvin R., der über Facebook Kontakt gesucht hatte, unter dem Vorwand, seinen Wunsch nach Sex zu erfüllen, am 3. Februar in eine Wohnung in der Liebigstraße. Sie und zwei Pärchen, die dort bei reichlich Drogenkonsum „Party machten“, hatten vor, ihn „abzuziehen“.

Fünf Tage lang hielten sie den Mann, der Epileptiker und geistig leicht behindert ist, gefangen und behandelten ihn wie einen Sklaven. Er musste saubermachen, Müll sortieren und Wäsche waschen. Weigerte er sich, gab es Schläge und Tritte. Einen Spaß machte sich die Clique daraus, ihr Opfer einen Bikini anziehen, einen Damenslip auf dem Kopf tragen und in High Heels fast nackt putzen zu lassen.

„Tragisch, grausam und außergewöhnlich“

Gelegentlich fesselten und knebelten sie ihn. Am fünften Tag befreite sich Marvin R. auf spektakuläre Weise: An zusammengeknoteten Decken seilte er sich aus dem zweiten Stock ab. Sein Stiefvater, der als Anwalt der Nebenklage auftrat, zitierte ihn mit den Worten: „Das einzige Lebewesen, das mir geholfen hat, war die Katze, neben der ich schlafen durfte.“

„Tragisch, grausam und außergewöhnlich“ sei der Fall, sagte der Vorsitzende Richter Jan F. Orth und griff damit Worte des Staatsanwalts auf. Der hatte gesagt, „tragisch“ sei der Fall, weil die Angeklagten, die allesamt aus prekären Verhältnissen stammen, selber früher Opfer von Demütigungen und Gewalt geworden seien, und „grausam“, weil sie Marvin R., der ein „fünftägiges Martyrium“ durchgemacht habe, wie eine „Aggressionspuppe“ behandelt hätten.

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Daran knüpfte Orth in seiner Urteilsbegründung an: Das Verhalten der Täter zeuge von einer „erschreckenden Gleichgültigkeit und Empathielosigkeit“. Die Verteidiger hatten wiederholt auf die Macht der „Gruppendynamik“ hingewiesen; der Zusammenhalt sei allem übergeordnet worden. Dazu sagte Orth, gerade das sei das Verwerfliche. Das „große Charakterdefizit“ der Täter bestehe darin, sich unter dem Einfluss von Drogen in eine Situation gebracht zu haben, in der sie nicht mehr „Herr der Gruppendynamik“ gewesen seien und „jegliche Kontrollmechanismen“ preisgegeben hätten. Alle hätten es in der Hand gehabt, dem Treiben ein Ende zu setzen.

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