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Leiterin geht in RenteEinzige deutsch-türkische Grundschule in Köln ist sehr beliebt

Lesezeit 4 Minuten
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Schulleiterin Babette Ehrngruber geht in Rente

  • Seit zwölf Jahren bietet die Gemeinschaftsgrundschule in Köln-Bilderstöckchen deutsch-türkischen Unterricht an.
  • Schulleiterin Babette Ehrngruber geht in Rente. Sie und ihre Kollegen haben den Ruf der Schule in den vergangenen Jahren kräftig aufpoliert.
  • Von 200 Grundschülern werden 120 bilingual unterrichtet, fast die Hälfte von ihnen hat keinen familiären Bezug zur Türkei.

Köln – Zwölf Jahr ist es her, dass in Bilderstöckchen ein Modellprojekt startete, das eigentlich Schule machen sollte. Die Gemeinschaftsgrundschule an der Alzeyer Straße bietet ihren Schülern zweisprachigen, deutsch-türkischen Unterricht. Die Schulleiterin, Babette Ehrngruber, war und ist damals wie heute von der Idee überzeugt und den vielen Erfahrungen begeistert. Doch die zweizügige Schule in Bilderstöckchen ist die einzige in Köln und in ganz Nordrhein-Westfalen geblieben, die Türkisch auf diese Weise in ihren Unterricht integriert. „Die Diskussion ist nicht weitergegangen“, zieht Ehrngruber kurz vor ihrem letzten Schultag Bilanz.

Die engagierte Pädagogin geht in Rente. Corona zwang bei der Abschiedsfeier zu Improvisationen. Statt eines großes Festes gab es Videobotschaften und ein Ständchen der Kollegen im Freien, während die Kinder aus den Klassenfenstern applaudierten. Es sei „faszinierend“ gewesen, in einer Stadt zu arbeiten, die so bunt ist und in der so viele Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern leben, sagt die Schulleiterin zum Abschied. „Diese Vielfalt sehen viele als ein Problem. Dabei muss man sie unbedingt als Chance begreifen“.

Viele Kölner Kinder ohne türkische Wurzeln lernen an der Schule

Ehrngruber und ihre Kollegen haben den Ruf ihrer Schule in den vergangenen Jahren kräftig aufpoliert. Es gibt viel mehr Anmeldungen als Plätze. Die Gemeinschaftsgrundschule ist genau wie ihr bilinguales Angebot beliebt. Eine „weltoffene Schule“, die die Bildungschancen von vielen Kindern verbessere, sei gewachsen, sagt die angehende Pensionärin.

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Nutzten in den Anfangsjahren fast nur Kinder aus türkeistämmigen Familien das zweisprachige, freiwillige Angebot, so sind es heute auch viele Kinder ohne familiäre Wurzeln in der Türkei. Von 200 Grundschülern werden 120 bilingual unterrichtet, fast die Hälfte von ihnen hat keinen familiären Bezug zur Türkei. Wer auf diese Weise in jungem Alter zwei Sprachen lernt, werde in seiner gesamten Entwicklung davon profitieren, so Ehrngruber. Längst ist erwiesen, dass diese Kinder später auch leichter neue Fremdsprachen erlernen.

Hier lesen Sie mehr: Schnelle Lösungen gegen die Mängel an Kölner Schulen sind nicht in Sicht

In Bilderstöckchen hat sich das herumgesprochen, Bildungsexperten sind sich in dieser Frage ohnehin seit langem einig – doch andere Schulen sind bislang kaum von der Idee zu begeistern. Außerdem fehlt es offenbar am politischen Willen bei den übergeordneten Stellen bei Stadt und Land. Einzelne Unterrichtsangebote in Herkunfts- oder Muttersprachen gibt es häufig. Dann ist die Sprache ein einzelnes Fach, aber nicht fest integrierter Bestandteil des Schulalltags und fast aller anderen Fächer. So ein echtes zweisprachiges Angebot mit den Sprachen der Zuwanderer ist Mangelware.

Drei bilinguale Schulen in ganz Köln

In Köln gibt es drei bilinguale Schulen mit Italienisch und jeweils eine mit Spanisch und Türkisch. Englisch und Französisch sind auch ganz ohne familiäre Bezüge beliebt. Das Image von Türkisch ist dagegen weniger gut, obwohl Zehntausende Kölner Familien direkte Bezüge in die Türkei haben. „Wir haben immer wieder auch gute Aufklärungsarbeit leisten müssen“, so Ehrngruber. Auch türkeistämmige Eltern hätten davon überzeugt werden müssen, dass die Einbeziehung von Türkisch nicht zu Lasten der deutschen Sprache gehe. Die praktische Umsetzung eines bilingualen Angebots ist aufwendig. In den meisten Fächern unterrichten jeweils zwei Lehrer, außerdem haben die Kinder einige Schulstunden mehr. Diese Praxis wird wissenschaftlich begleitet.

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Zum Abschied nach fast 43 Jahren als Lehrerin, davon 14 Jahre als Leiterin in Bilderstöckchen, wünscht sich Ehrngruber, dass mehr Schulen bilinguale Angebote aufbauen. Auch an diejenigen, die für Geld, Ausstattung und Ressourcen zuständig sind, richtet sie Wünsche: Die Praktiker aus den Schulen müssten besser in schulpolitische Entscheidungsprozesse eingebunden werden, findet sie. Die Kinder bräuchten mehr Räume zur Entfaltung und die Lehrer mehr Zeit zum Austausch und Vernetzen. Die Liste mit den Herausforderungen der Zukunft – vom guten Schulessen bis hin zum Umgang mit neuen Medien – ist lang. Man könnte sie aber auch in einem Satz zusammenfassen: „Es muss einfach mehr Geld für Schule ausgegeben werden.“

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