Schweigemarsch in Köln-EhrenfeldGedenken an Pogrome und Edelweißpiraten

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Rund 250 Menschen zogen mit Kerzen durch die Straßen Ehrenfelds. 

Ehrenfeld – In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, veranlasste das nationalsozialistische Regime Deutschlands Pogrome gegen die jüdischen Teile der Bevölkerung: Menschen wurden getötet, Geschäfte und Synagogen in Brand gesteckt. Auch in Ehrenfeld brannte die Synagoge in der Körnerstraße - kontrolliert von der Kölner Feuerwehr - nieder. Sieben Jahre später, am 10. November 1944, hängte die Gestapo dreizehn Menschen am Bahnübergang der heutigen Bartholomäus-Schink-Straße.

Edelweißpiraten aus Köln-Ehrenfeld

Unter den hingerichteten waren auch Mitglieder der Ehrenfelder Edelweißpiraten, einer Gruppe junger Kölner, die Widerstand gegen das Regime leisteten. Am selben Ort wurden bereits am 25. Oktober elf Zwangsarbeiter von Angehörigen der Staatspolizei ermordet. Beide Hinrichtungen fanden in der Öffentlichkeit statt, viele Ehrenfelder sahen den Exekutionen zu, einige applaudierten.

Um den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen zu gedenken, organisiert das Kuratorium Ehrenfelder Edelweißpiraten und Zwangsarbeiter in jedem Jahr einen Schweigemarsch. Auch am diesjährigen Jahrestag der Hinrichtungen trafen sich rund 250 Teilnehmer in der Körnerstraße, in der einst die Ehrenfelder Synagoge stand, und zogen mit Kerzen durch die Straßen des Viertels - vorne weg ein Banner mit der Aufschrift „Ehrenfelder Bündnis gegen Rechtsextremismus.”

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Der Schweigemarsch führte unter anderem über die Venloer Straße und den Ehrenfeldgürtel, bis er am Bahnübergang in der Bartholomäus-Schink-Straße mit einer Gedenkversammlung beendet wurde. Hier, am Ort der Hinrichtungen vor 77 Jahren, erinnern noch heute Wandgemälde an die Opfer der Nazis: „Wir müssen gegen jede Form des Rechtsextremismus immer und überall vorgehen”, sagte Josef Wirges, langjähriger Bezirksbürgermeister Ehrenfelds und Sprecher des Kuratoriums: „Das sind wir den Edelweißpiraten schuldig, die beim braunen Terror nicht mitgemacht haben.”

Auch Volker Spelthann, der derzeitige Bezirksbürgermeister, fand deutliche Worte, die er an die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung richtete: „Der Faschismus ist weiterhin und leider wieder stärker unter uns. Daher müssen wir Hass und Menschenfeindlichkeit auch im Alltag widersprechen.” Sowohl Wirges als auch Spelthann erinnerten an die jüngsten antisemitischen Gewalttaten, die auch in Köln für traurige Schlagzeilen gesorgt hatten - etwa im August, als ein junger Mann mit Kippa auf den Ringen schwer verletzt worden war: „Da müssen wir ein Signal aussenden, das zeigt: nie wieder und nicht mit uns”, so Spelthann.

Sorgen um die aktuelle Situation machte sich auch Miguel Freund, Mitglied der Synagogen Gemeinde Köln: „Der Antisemitismus, der sich lange Zeit in den Hinterzimmern versteckte, ist wieder da”, erklärte der 67-Jährige in seiner Ansprache. Das zeige sich in der zunehmenden Gewalt gegen Personen jüdischen Glaubens: „Sie werden angegriffen, bespuckt, ja sogar geschlagen”, sagte Freund und zog ein trauriges Fazit: „Juden haben wieder Angst in Deutschland und sie haben allen Grund dazu.”

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