Streit im SchrebergartenKölner kämpft um 50 Jahre alten Kirschbaum

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  • Weil er gegen die Gartenordnung verstößt, soll ein 50 Jahre alter Baum weichen.
  • Für den Pächter steht fest: „Es wäre wirklich niemanden geholfen, wenn der Kirschbaum dran glauben müsste.“

Köln-Bickendorf – Blütenpracht, Sauerstoff, Lebensraum – ein Kirschbaum steht für sehr viel mehr als nur verlockende Früchte. Gregor Klosa ist zu beneiden, denn er hat ein prächtiges Exemplar einer Süßkirsche in seinem Schrebergarten stehen. Noch steht der Baum – doch er soll weg.

Klosa kämpft um den Kirschbaum. Ein zähes Ringen, bei dem die Kölner Gartenordnung eine entscheidende Rolle spielt. Darum ist Gregor Klosa nicht zu beneiden.

Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die aus dem Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ von Christian Morgenstern stammende Redewendung ist so etwas wie das Grundprinzip der Kölner Gartenordnung. Diese regelt das Zusammenleben in den Schrebergärten der Stadt. Meist sind die Bestimmungen nachvollziehbar, etwa wenn sehr krankheitsanfällige Pflanzen dadurch verbannt werden.

Verbotene Bäume

Neben Lauben, die zu groß oder zu hoch geraten sind, haben nach dieser Ordnung auch bestimmte Bäume kein Existenzrecht in der Gartenanlage.

Unter anderem stehen hochwachsende Süßkirsch- und Walnussbäume auf der „Schwarzen Liste“. Vor allem, weil sie irgendwann einen oder mehrere Gärten ganz in den Schatten stellen würden, dürfen sie gar nicht erst angepflanzt werden. Die Bäume aus der Zeit vor Inkrafttreten dieser Bestimmung sollen – auf eigene Kosten – entfernt werden. Und zwar immer dann, wenn ein Pächter einen Garten an einen anderen übergibt.

„Diese Praxis hat sich bewährt und schützt den Nachfolger vor der Übernahme nicht rechtskonformer Zustände“, erläutert eine Sprecherin der Stadt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ähnliche Fälle wie den in Bickendorf gibt es immer wieder. Erst kürzlich versuchte eine Pächterin in Zollstock zwei alte Kirschbäume zu retten, die der Ordnung halber weichen sollten.

Übernahme nach Großmutters Tod

Gregor Klosa und seine Familie übernahmen den Garten in der Bickendorfer Kleingartenanlage an der Frohnhofstraße von der Großmutter nach deren Tod Mitte 2018. Den fast ein halbes Jahrhundert alten Kirschbaum wollten sie aber unbedingt erhalten, denn den kannte und liebte die Familie schon seit vielen Jahren. Klosas Ehefrau sogar schon seit ihrer Kindheit.

Damit der vom Großvater gepflanzte Baum stehen bleiben konnte, beantragte Klosa beim Grünflächenamt eine Ausnahmegenehmigung. Diese kann dann erteilt werden, wenn der Baum stadtbildprägende Bedeutung hat. „Wir bekamen umgehend Antwort vom Grünflächenamt. Und zwar eine Ablehnung“, berichtet Gregor Klosa. Aufgrund der rasch erteilten Antwort mutmaßt er, dass die beigefügten Fotos und die Skizze gar nicht eingehend geprüft worden seien.

Kein „stadtbildprägender Charakter“

Zum Nachteil geriet ihm außerdem, dass der Baum – wie bei Süßkirschen üblich und sinnvoll – einmal eingekürzt worden war. Somit ging der stadtbildprägende Charakter verloren, der ihn vielleicht noch gerettet hätte. Denn grundsätzlich ist der Baum mit seinen jetzt acht Metern immer noch zu hoch, die Gartenordnung erlaubt nur vier Meter Wuchshöhe.

Dazu heißt es: „Nachteilige Auswirkungen auf Nachbarparzellen müssen vermieden werden. Äste, Zweige, Ausläufer und Wurzeln dürfen nicht störend oder schädigend in benachbarte Gärten hineinwachsen oder die Begehbarkeit von Gartenwegen beeinträchtigen.“

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Aber in seinem Antrag konnte Gregor Klosa darauf verweisen: „Von den Nachbarn liegt die ausdrückliche Zustimmung für den Verbleib des Baumes vor. Sie werden in der kleingärtnerischen Nutzung des Gartens nicht beeinträchtigt.“ Das und die ausführlichen Schilderungen des Nutzens für Wildbienen sowie des emotionalen Wertes des Süßkirschenbaums vermochten bislang nicht zu überzeugen.

Auch das Thema Klimanotstand scheint keine Rolle zu spielen. „Im Hinblick darauf erfüllen die rund 14.000 Kölner Kleingärten schon jetzt vielfältige klimatische, ökologische und soziale Funktionen“, betont die Stadtsprecherin. So trügen sie „in besonderem Maße“ zu Biodiversität und Klimaverbesserung bei. 

Klimanotstand ist kein Argument

Bis Mitte nächsten Jahres müsse der Generalpachtvertrag zwischen der Stadt Köln und dem Kreisverband der Gartenfreunde neu abgeschlossen werden, hieß es weiter. In diesem Zusammenhang werde auch die Gartenordnung „an die sich verändernden Aspekte angepasst“.

Die Gartenordnung wird vom Rat beschlossen. Neue Beschlussvorlagen müssen auf ihre Klimaauswirkung hin überprüft werden. Das ist ein Ergebnis des im Juli 2019 ausgerufenen Klimanotstands. Daraus könnte sich eine Chance für noch vorhandene, „nicht rechtskonforme“ hochwachsende Bäume in den Schrebergartenparzellen ergeben. Ob bis dahin und darüber hinaus der Kirschbaum der Familie Klosa seinen Beitrag zum Stadtklima leisten darf, hängt davon ab, ob der Kreisverband der Gartenfreunde noch auf die Einhaltung seiner 2013 verfassten Gartenordnung besteht. Für den Pächter steht fest: „Es wäre wirklich niemanden geholfen, wenn der Kirschbaum dran glauben müsste.“

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