Tödlicher Unfall in Köln-EhrenfeldKVB muss sich kritischen Sicherheitsfragen stellen

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An der KVB-Haltestelle Liebigstraße ist ein Mann tödlich verunglückt.

Köln – Kioskbesitzerin Serife Tasdan zögerte nicht lange. Geich nach dem schlimmen Verkehrsunfall am Mittwochmorgen vor ihrem Stehcafé an der Subbelrather Straße öffnete sie ihre Türen für die geschockten Augenzeugen, ließ sie hinein, drehte alle Heizungen hoch, servierte kostenlos Kaffee und versorgte auch Polizisten und Feuerwehrleute mit Getränken.

In der Pressemitteilung zu dem Unfall bedankte sich die Feuerwehr ausdrücklich bei der 50-Jährigen: „Eine derart freundliche Unterstützung erfahren auch wir nicht jeden Tag.“ Aber Tasdan wehrt ab: „Das war keine Frage für mich. Ich bin ein herzlicher Mensch.“

49-Jähriger gerät auf Bahnsteig ins Straucheln

Die Zeugen hatten Furchtbares mitangesehen. Um kurz nach acht Uhr war ein 49 Jahre alter Mann an der Haltestelle Liebigstraße aus einer Straßenbahn der Linie 5 ausgestiegen. Wie es heißt, könnte es sich um einen betrunkenen Obdachlosen gehandelt haben. Die Polizei geht diesem Hinweis nach.

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Als die Bahn wieder anfuhr, geriet der 49-Jährige auf dem Bahnsteig ins Straucheln. Er stürzte zwischen die beiden Waggons und wurde zwischen der fahrenden Bahn und der Bahnsteigkante eingeklemmt. Ein Notarzt konnte nur noch den Tod des Mannes feststellen. Der 27 Jahre alte Straßenbahnfahrer erlitt einen Schock und wurde in ein Krankenhaus gebracht.

Köln: Subbelrather Straße zeitweise gesperrt

Polizisten bauten einen Sichtschutz auf. Experten des Unfallaufnahmeteams untersuchten den Unglücksort und sicherten Spuren, Feuerwehrleute führten die insgesamt 300 Fahrgäste geordnet aus der Bahn. Die Gleise wurden zwischen Lukasstraße und Ehrenfeldgürtel komplett gesperrt. In der Umgebung bildeten sich lange Staus.

Im Kiosk führten die Seelsorger und Opferschützer fast zwei Stunden lang Einzelgespräche mit elf Augenzeugen. Ihnen seien weitergehende Hilfsangebote gemacht worden, die jedoch vor Ort niemand angenommen hätte, berichtete ein Feuerwehrsprecher. „Den Betroffenen wurde aber mit auf den Weg gegeben, wohin sie sich wenden können, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt Hilfe benötigen sollten.“

KVB muss sich kritischen Fragen zur Sicherheit stellen

Unterdessen müssen sich die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) einmal mehr kritische Fragen zur Sicherheit gefallen lassen, denn zum wiederholten Mal hat ein Mensch sein Leben verloren, weil er offenbar in die Lücke zwischen zwei gekoppelten Bahnen gestürzt ist, als der Zug gerade angefahren war. Zuletzt 2018 hatte es zwei Unglücke dieser Art gegeben, einer endete tödlich. Bei einem dritten im selben Jahr starb ein 25 Jahre alter Amateurfußballer am Zülpicher Platz, als er die Kupplung zwischen zwei Waggons übersteigen wollte, um den Weg abzukürzen.

Der tödlichen Gefahr, die in der Lücke zwischen zwei gekoppelten Waggons lauert, ist man sich auch bei der KVB bewusst. Bauliche Veränderungen an den Zügen hat das Unternehmen – aller Unfälle zum Trotz – bislang aber nicht veranlasst. Man habe verschiedene Möglichkeiten geprüft, sagt KVB-Sprecher Matthias Pesch . „Aber aus unserer Sicht gibt es keine wirksamen Sicherungen, die verhindern können, dass jemand im Kupplungsbereich unabsichtlich unter einen Zug rutscht.“

Die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Technische Aufsichtsbehörde wollte sich am Mittwoch zu dem Thema und dem aktuellen Unfall nicht äußern.

Alternative Sicherheitskonzepte für Stadtbahnen

In München oder Den Haag sind zum Beispiel Schläuche – so genannte Faltenbalge – zwischen den Waggons verbaut, die sich in Kurven wie eine Ziehharmonika zusammenziehen. In Köln lasse sich das aber wegen der vielen engen Kurven im hiesigen Stadtbahnnetz nicht realisieren, betont die KVB seit Jahren.

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Stattdessen hatte das Unternehmen nach den schweren Unfällen 2018 angekündigt, seine Straßenbahnen womöglich mit Außenkameras nachrüsten zu lassen, so dass die Fahrer sich vor jeder Abfahrt einen Rundumblick um ihre Fahrzeuge verschaffen könnten. Doch bis heute gibt es auch diese Technik nicht. Fraglich zudem, ob eine Kamera einen Unfall wie an der Liebigstraße verhindert hätte.

Bei Neubestellungen ihrer Züge will die KVB ab 2023 sukzessive Langzüge einsetzen, vor allem auf der Ost-West-Achse der Linie 1 – das sind etwa 60 Meter lange und durchgehende Bahnen, die so lang sind wie ein heutiger Doppelzug mit Kupplung in der Mitte. Um das bewusste Übersteigen der Kupplung zu verhindern, hat die KVB zuletzt die meisten Bahnen technisch so nachgerüstet, dass das Darüberklettern zumindest erheblich erschwert worden sei, sagte Pesch.

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