Weltreise in KölnHavanna mitten in Ehrenfeld – Lateinamerika in der Stadt

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Annette Meisl hat mit ihrer Zigarrenmanufaktur „La Galana“ ein Stück Kuba mitten in Ehrenfeld geschaffen.

Annette Meisl hat mit ihrer Zigarrenmanufaktur „La Galana“ ein Stück Kuba mitten in Ehrenfeld geschaffen.

Köln – Für eine Reise nach Lateinamerika braucht man Zeit. Selbst, wenn sie vor der Kölner Haustür beginnt und die Anreise kurz ist. Egal ob Brasilien, Kuba, Peru oder Mexiko: Jedes dieser Länder hat in Köln so viel für die Sinne zu bieten, dass man gleich mehrere Ferientage damit verbringen kann, sich in den Latinorhythmus zu grooven. Köln ist so etwas wie ein Schmelztiegel zwischen Maya, Salsa und Latinopop.

Das habe einfach damit zu tun, dass es zwischen Köln und Lateinamerika so etwas wie eine intuitive Verbindung gebe, erzählt die mexikanische Sängerin und Tänzerin Kim Morales. „Es gibt einfach diese Mischung aus locker, leicht und chaotisch. Da begegnen wir uns.“ Für sie ist es daher alles andere als ein Zufall, dass sich etwa die in Deutschland größte brasilianische Gemeinde ausgerechnet in Köln niedergelassen hat.

„Als ich über die Brücke Richtung Dom lief, hat es mich gepackt“

Morales, die für den Veranstalter „Kulturklüngel“ Kulturwanderungen quer durch Lateinamerika in Köln anbietet, muss es wissen: Schließlich hat sie einst als 18-Jährige bei einer Reise durch Europa eher widerwillig und auf Drängen ihres damaligen Freundes vor der Rückreise noch eine letzte Station in der Jugendherberge in Köln-Deutz eingelegt. „Aber als ich von dort über die Brücke Richtung Dom lief, da hat es mich gepackt. Es war einfach ein Bauchgefühl, dass ich hier leben will.“ Als ihr dann auch auf der Domplatte noch ein Mexikaner namens Roberto, begegnete, der im Indianerkostüm auf der Domplatte sang, war das so etwas wie ein Zeichen.

Für die Kölner ist es natürlich erst mal der Rhythmus, der sie für den lateinamerikanischen Kosmos einnimmt, eine Art Sehnsucht nach Leichtigkeit: Wenn Morales in ihrem kleinen Salsa-Schnupperkurs im Allerweltshaus in der Ehrenfelder Körnerstraße die Grundlagen des Tanzes vermittelt, kommt die Gruppe mühelos in Schwung. Und wer mag, kann das Geübte dann in einer der Tanzschulen unter lateinamerikanischer Ägide verfestigen und das Repertoire erweitern.

Das Allerweltshaus ist so etwas wie ein Fixpunkt für die Lateinamerika-Fans: In regelmäßigem Turnus finden hier Literatur- und Kinotage statt, an denen Filme aus Lateinamerika auf Spanisch gezeigt werden. Hier hat auch die Kunst des in Köln lebenden mexikanischen Künstlers Jaime Rodriguez ihre Spuren hinterlassen: Die große Hauswand an der Grimmstraße ziert ein so genanntes „Morales“, ein überdimensionales Wandgemälde, das die Weisheit der Azteken und Mayas nach Köln bringt: „Die wahrhafte Zivilisation wird sein, wenn der Mensch in Harmonie mit der Natur und sich selbst lebt“, hat er dem Betrachter ins Stammbuch geschrieben. Mit seinen Bildern aus der bäuerlichen Kultur der Indios will er den Blick öffnen für die Lebenswelten anderer Kulturen, die vielleicht noch einen ganz anderen Zugang zu sich haben. So wie die Schamanen, denen man sich auch in Ehrenfeld nähern kann:

Tensegridad heißt das mexikanisch-schamanische Yoga, das Jaime Rodriguez unterrichtet: Das ist eine Art magisches Yoga, entdeckt einst von indianischen Schamanen, die vor den Zeiten der spanischen Eroberung in Mexiko lebten. Den Schatz alter indianischer Kulturen kann man in Ehrenfeld aber auch ganz handfest bewahren helfen: im Urwaldcafé in der Simrockstraße, wo Oliver Driver ganz tief in die Welt der Kogi-Indianer in Kolumbien eingetaucht ist. Die Kogi gehören zu den letzten Völkern der Erde, die sich ihre ursprüngliche Kultur und die uralten Kultstätten erhalten konnten, indem sie sich radikal abschotten und noch genauso leben wie vor 500 Jahren. Driver hat Zugang zu dem Volk gefunden: Bei einer Tasse Kaffee erzählt er über ihre mystischen Schätze und will ganz konkret helfen, indem er den handverlesenen, im Einklang mit der Natur gewachsenen Urwaldkaffee hier in kleinen Mengen verkauft. Mit den Einnahmen aus dem Kaffee kaufen die Kogi Land zurück.

Ein Feeling wie in einer Bar mitten in Havanna

Von Kolumbien bis Kuba ist es dann in Ehrenfeld nicht weit: Wer den Salon im „La Galana“ in der Venloer Straße betritt, der fühlt sich wie in einer Bar mitten in Havanna oder im Buena Vista Social Club: ein Sofa aus rotem Samt, ein alter Ohrensessel aus Leder, Kronleuchter, ein altes Klavier, Bilder von Che Guevara an der Wand. Hier, wo Inhaberin Annette Meisl ein Stückchen Kuba erschaffen hat, rollt die charismatische kubanische Zigarettendreherin Alicia Espect Parada in reiner Handarbeit Zigarren. Im Salon können Zigarrenliebhaber sich auf eine Zigarrenlänge eine Auszeit nehmen und in eine andere Welt eintauchen. „Eine Zigarre, die raucht man nicht wie eine Zigarette, die genießt man“, sagt Annette Meisl. Wie eine Art Meditation. Selbst das Zigarrenrollen kann man hier in Workshops lernen.

Was Kuba bei den Zigarren ist, ist Peru bei der Küche: ganz weit vorne. Die peruanische Küche gilt als eine der besten der Welt. Unter den weltweiten Top-Ten-Köchen sind allein drei Peruaner, die in ihrer Heimat bekannt sind wie Fußballspieler. Und auch hierzulande liegt die peruanische Küche derzeit voll im Trend. So erfreut sich das peruanische Nationalgericht Ceviche immer größerer Beliebtheit. Um es zu genießen, braucht man die Venloer Straße in Ehrenfeld nur ein Stück stadtauswärts zu gehen. Der Besitzer des Restaurants Causa – einem von inzwischen drei peruanischen Restaurants in Köln – braucht nicht mehr als Limettensaft und Salz, um den frischen Fisch in Sushi-Qualität für eine köstliche Ceviche „zu kochen“. Durch die Säure und das Salz der Marinade wird der Fisch gegart. Hinzu kommen noch frischer, gehackter Koriander, Aji Limo – eine scharfe peruanische Chilisorte.

Brasilianisches Lebensgefühl mit Perlenschmuck

Aber abseits von Kunst und Kulinarik lebt die latinoamerikanische Community aber von denen, die alle kennen, von den Netzwerkern: Menschen wie Kim Morales oder auch Suzy Wortberg aus Brasilien, die seit zehn Jahren ihren Schmuckladen „Contasbrasil“ in der Brüsseler Straße führt. Dort will die ehemalige Balletttänzerin mit selbst kreiertem Perlen-Modeschmuck – allesamt Unikate – ein Stück brasilianisches Lebensgefühl weitergeben. Abseits des schönen Schmucks ist ihr kleiner Laden längst fürs Viertel eine Art Wohnzimmer geworden. Ein Ort, wo Menschen in herzlicher Umgebung ihr Herz ausschütten, ein bisschen brasilianische Sonne und Leichtigkeit tanken. Und wer einen Tipp rund um brasilianische Kulturevents braucht, der wird hier garantiert fündig.

Aber ein Spaziergang durch das kölsche Lateinamerika über Ehrenfeld ins Belgische Viertel darf unbedingt erst in der Luxemburger Straße/Ecke Barbarossaplatz enden. Sonst verpasst man die südamerikanische Institution an sich: Mercedes Adjelleh Trujillo, die dort ihren südamerikanischen Lebensmittelladen „Hola Mundo“ betreibt. Ihr Geschäft gilt als verlässliche Adresse für südamerikanische Produkte aller Art: Von der Inca-Cola über lila Mais, getrocknete Kartoffeln, Kochbananen und Matetee findet sich alles, was das Herz begehrt. Für viele ist Mercedes das Tor zur südamerikanischen Welt – und das nicht nur wegen ihrer Kochkurse: Was immer man wissen will über Kulturevents von der Latinoparty bis zu peruanischen Foodfestivals: Bei Mercedes gibt es beides – ganz Old School als Aushang am Fenster und regelmäßig auf Facebook.

Tipps zur Entdeckung von Lateinamerika in Köln

Kulturwanderungen: Der Kulturklüngel hat "Colonia Latina" mit Kim Morales und einen Peruanischen Kochkurs im Programm.

www.kulturkluengel.de

Party: Salsapartys gibt es im Herbrands oder als Salsa Open Air auf dem Dach des Schokoladenmuseums. Im Herbrands finden regelmäßig freitags Schnupperstunden Salsa statt. Alle Salsa-Events finden sich auf www.latincologne.de

Reisen: "Machu Picchu Travel" , ein Projekt von Deutschen und Südamerikanern, bietet nachhaltigen Tourismus.

www.mpt-reisen.de

Accessoires: Im "Contas Brasil" in der Brüsseler Straße 58 entwirft Suzy Wortberg Modeschmuck.

www.contasbrasil.de

Das mexikanische Pendant "Cosita Bonita" in der Brüsseler Str. 45

www.cositabonita.de

Genussmittel: "Hola Mundo", Luxemburger Str. 13, bietet lateinamerikanische Produkte, die

Zigarrenmanufaktur "La Galana" (Venloer Str. 213) bietet Zigarren, Seminare und Zigarrenevents.

www.lagalana.de

Restaurants: Das peruanische Lokal "El-Inca" (Görresstr. 2) ist Treffpunkt vieler Lateinamerikaner

www.el-inca.de

"Causas Peru" in Ehrenfeld (Venloer Straße 531) bietet Ceviche-Gerichte und Quinoa- Gerichte.

www.causas-koeln.de

"Tigermilch" (Brüsseler Str. 12) bietet peruanische Cross-over-Küche

www.tigermilch.kitchen

Urwaldkaffee der Kogi gibt es in Ehrenfeld (Simrockstr. 29).

www.urwaldkaffee.de

Tanzschulen: Die Salsa-Tanzschule "la danza" in Köln bietet alles von Salsa Cuban bis Kizomba.

Allerweltshaus: Interkultureller Begegnungsort mit Veranstaltungen rund um Lateinamerika.

www.allerweltshaus.de

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