Eine Nacht im HostelWie man den Zauber des Reisens mitten in Köln erleben kann

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Die Pfadfinder-Truppe aus Südbelgien ist per Anhalter in drei Dreierteams nach Köln gekommen und feiert die Ankunft.

Die Pfadfinder-Truppe aus Südbelgien ist per Anhalter in drei Dreierteams nach Köln gekommen und feiert die Ankunft.

  • Unsere Autoren verlassen für unsere Serie für eine Nacht ihre Wohnung und schlafen an Orten, wo sonst eher Touristen anzutreffen sind – ein Tapetenwechsel innerhalb Kölns.
  • In der Auftaktfolge besucht Alexandra Ringendahl das älteste Backpacker-Hostel Kölns „Station“.
  • Wie sie die Nacht und die Begegnungen erlebt hat, lesen Sie hier.

Köln – Die Nachbarschaft mutet an wie das Bermudadreieck der Bürgerlichkeit: Schräg gegenüber das „Hilton“, daneben das Generalvikariat des Erzbistums Köln und 100 Meter weiter das Nobelhotel „Excelsior Ernst“. Wer dagegen das „Station“ betritt, verlässt den Boden gediegen konventioneller Gastlichkeit. Wer sich in Kölns ältestem Backpacker-Hostel einquartiert, taucht ein in einen Ort, an dem Menschen vieler Nationen wie in einem Schmelztiegel in Kontakt kommen.

Für 18 Euro die Nacht teste ich den Charme eines Sechs-Bett-Zimmers und fühle mich wie im Urlaub – als Tourist in der eigenen Stadt. Plus Gratis-Flashback in eigene alte Backpacker-Zeiten.

Zimmer 211, Bett Nummer 5 wird mir zugeteilt. Die Zahl der Rucksäcke sei leider in den letzten Jahren zurückgegangen, immer mehr Backpacker reisen mit Rollkoffer, dämpft Besitzer Ralf Kuhlmann meine Nostalgie-Stimmung. Aber mein Zimmer ist ein Glücksgriff: Auf den Betten liegen fünf Rucksäcke und nur ein Koffer.

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Ich teile das Zimmer mit einer Französin, einer Türkin, einer Kolumbianerin und zwei Amerikanerinnen. Allesamt mindestens 20 Jahre jünger als ich. Noch in einer anderen Hinsicht habe ich Glück gehabt. Es sind keine indischen Backpacker auf dem Zimmer, vor denen man mich an der Rezeption augenzwinkernd gewarnt hatte. „Die pflegen auch gerne mal nachts Anrufe zu bekommen und lautstark mit dem Handy zu telefonieren.“

Jeder wird geduzt

Im Backpacker-Hostel begegnen sich Menschen aller Milieus. „Und zwar ganz offen. Und mit Lust auf Kontakt. Hier wird jeder geduzt und angesprochen“, beschreibt Hostel-Inhaber Ralf Kuhlmann den Charme der Backpacker-Philosophie, die überall auf der Welt funktioniert. Ansprechen und angesprochen werden. Echt-Kontakt statt Handy-Chat. Das fällt in der wuseligen, lässigen Bar mit der Mischung von Holzpaletten-Möbeln bis Fransen-Lampenschirm aus den 60ern oder im Biergarten nicht schwer.

Das bestens gelaunte, aus Siegen angereiste Männer-Trio – Informatiker, Dachdecker und Fliesenleger – das sich auf das abendliche ZZ Top-Konzert im Tanzbrunnen freut und mit ein paar Kölsch vorglüht, macht mir den Einstieg ins Backpacker-Geplauder leicht. „Relaxte Atmosphäre hier. Wenig Geld fürs Übernachten, heißt mehr Geld für Alkohol“, erläutert Ralf Boger, den alle nur „Rallebo“ nennen, das Reise-Konzept. Er ist ZZ-Top- und Roland-Kaiser-Fan in einer Person und hat die Konzert-Backpacker-Tour von seinen Freunden zum 50. Geburtstag bekommen.

Kundschaft verrät, was in Köln los ist

An der Kundschaft kann Hostel-Chef Kuhlmann ablesen, was gerade so los ist in der Stadt: Vor kurzem wurde es von Dutzenden Metallica-Altrockern in voller Montur geentert, weil die Band in Köln gespielt hat. Davor mischten sich unter die Rucksack-Traveller ein Dutzend Zahntechniker aus Usbekistan und Kasachstan, weil Zahnmedizin-Messe war.

Heute ergänzt sich die ZZ-Top-Truppe aufs Trefflichste mit dem polnischen Rentner-Ehepaar zwei Tische weiter, das mit einem Kölsch in der Hand im Reiseführer stöbert. Maciej und Lucy aus Posen machen hier Zwischenstation auf der Reise zum André-Rieu-Konzert nach Maastricht. „Da lag Köln auf dem Weg, und wir lieben Kathedralen.“ Den Dom haben sie gerade besichtigt. Heute Abend geht es in die Altstadt. „Geheimtipp aus dem Reiseführer“, meint er lächelnd. Im Hostel haben sie ein Doppelzimmer gebucht und fühlen sich plötzlich „richtig jung“ beim Blick auf die Mit-Gäste.

„Rievekoche Honolulu“

Gerade entern neun Pfadfinder aus Belgien mit Rucksäcken das „Station“. Fröhlich halten sie wie eine Trophäe ihr Pappschild „Köln“ in die Höhe. Sie sind in drei Kleingruppen von Belgien über Luxemburg bis nach Köln getrampt. Die Technik ist, wie sie erzählen, die gleiche geblieben wie früher: Immer zwei Jungs und ein Mädel bilden Teams und postieren sich an unterschiedlichen Stellen. „Das Mädel hält den Daumen hoch. Erst, wenn der Fahrer anhält, kommen wir beiden Jungs aus der Deckung“, erzählt Peter lachend.

Tagessieger ist die Gruppe, die als erste am Zielort landet. Ausgelassen feiern sie ihre Ankunft, begeistert, mit wie wenig Geld man so viel erleben kann. „Irgendwie ist Trampen Retro, und man muss Geduld haben. Aber man hat manchmal richtig tolle Begegnungen.“ Und das Beste sei: Es bleibt selbst bei schmalem Budget genug Geld fürs Genießen. Etwa für einen Teller Kölsche Tapas. Das Hostel-Restaurant verwöhnt die Traveller mit Speisen wie „Rievekoche Honolulu“ (Reibekuchen mit Mango-Chutney) oder Hennes de Fritte (Gebackener Ziegenkäse in Honig).

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Am Nebentisch ist die Stimmung gedämpfter. Shosh (24) stiert seit Stunden auf ihren Kaffee. Die allein reisende Israelin, die zum Summerjam angereist war, hat im Taxi ihr Handy liegen gelassen – Rückflugticket, Passwörter, alles drin. „Ohne mein Handy kann ich nichts machen.“ Beim Telefonat mit dem Taxiunternehmen hat sie nur verstanden, dass der Fahrer nicht im Dienst ist. Ich klemme mich dahinter, überzeuge das Taxiunternehmen, den Fahrer zu kontaktieren, um sich nach dem Handy zu erkundigen.

Inzwischen – es ist Abend geworden – füllen sich Restaurant und Biergarten: Die Gruppen mischen sich, und irgendwann sitzt auch die Französin aus meinem Zimmer, die das erste Mal allein reist, nicht mehr allein am Tisch. An zwei Tischen werden Gesellschaftsspiele gespielt. Wer sich dazu setzt, wird aufgefordert mitzuspielen.

Nachts klingelt gnadenlos ein Handy

Um 22 Uhr steht der Taxifahrer im Foyer und gibt Shoshs Handy ab. Ein guter Zeitpunkt, ins Bett zu gehen. Aber auch ohne Inder klingelt um 4 Uhr gnadenlos ein Handy. Fünf Menschen blicken verschlafen auf das Bett Nummer 6. Die Kolumbianerin, deren Handy penetrant bimmelt, schläft selig weiter. Backpacker sind tolerant: Alle warten ruhig ab, bis das Ding endlich verstummt und schlafen – außer mir – wieder ein. Ich warte bis 7 Uhr, dann gibt es endlich das Backpacker-Frühstück für 2,50 Euro: einen Kaffee und ein belegtes Brötchen.

Fazit: So ein Hostel-Aufenthalt ist mehr als ein preiswerter persönlicher Flexibilitätstest. Und auch mehr als eine unkomplizierte Gelegenheit, Englisch zu plaudern. Es ist ein Tipp für den, der ohne selbst in die Fremde aufzubrechen, den Zauber des Reisens mitten in Köln erleben möchte: Begegnung, Vielfalt und gute Laune.  

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