Eingeschüchtert und schikaniertHeftige Mobbingvorwürfe am Kölner Hänneschen-Theater

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Im Hänneschen Theater soll es Mobbingvorwürfe geben.

Köln – Nicht nur am Schauspielhaus, auch am altehrwürdigen Hänneschen-Theater geht es um Knatsch und Klüngel, um Personalführung, Krankmeldungen und Kündigungen. Und das nicht etwa in einem Puppenspiel, welches derartige Verhältnisse entlarvt und der Lächerlichkeit preisgibt, sondern ganz real hinter den Kulissen.

Intendantin Frauke Kemmerling

Intendantin Frauke Kemmerling

Sind beim Schauspiel der Intendant und seine Ehefrau (eine Schauspielerin) die Hauptpersonen, geht es beim Hänneschen vor allem um die Intendantin Frauke Kemmerling, ihren Noch-Ehemann Charly Kemmerling (der Puppenspieler der Figur „Speimanes“) sowie ihren Lebensgefährten Roland Kämmerling (ein Musiker der Hänneschen-Band).

Puppenspieler und Mitarbeiter verschicken offenen Brief

„Et es nit zom Ushalde“ lautet die Überschrift eines offenen Briefes, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt und mit dem sich im April sechzehn Puppenspieler sowie Mitarbeiter aus Verwaltung und Werkstatt an Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach gewandt haben und über „stetig wachsende Missstände“ klagen. Die Kreativität leide, die Spielfreude gehe flöten. Rund sechs Wochen später hat Laugwitz-Aulbach – möglicherweise aufgeschreckt durch die Ereignisse am Schauspiel, die bundesweit für Negativ-Schlagzeilen sorgten – die Betroffenen nun zu einem Gespräch geladen. Das soll an diesem Freitag stattfinden.

Wohl zum ersten Mal in den vergangen Jahrzehnten werden Unstimmigkeiten bei Hänneschen, Bärbelchen und Co. nicht mit dem Mäntelchen des Schweigens überdeckt. Denn öffentlich über Knatsch in Knollendorf zu reden, galt bislang als tabu. Genau wie ihr Vorgänger Heribert Malchers, der Querelen innerhalb des Ensembles stets bestritten hatte, wollte auch die seit Dezember 2012 amtierende Intendantin Kemmerling bislang vom Zoff in der Puppenkiste nie etwas gehört haben. Doch damit ist es wohl vorbei. Zu heftig sind die Vorwürfe, die in dem aktuellen Schreiben anklingen.

 In Knollendorf herrsche ein Klima der Angst und Willkür

Da ist die Rede von „tiefer Besorgnis und einem immensen Unbehagen im Arbeitsverhältnis zur Intendanz“. In Knollendorf herrsche ein Klima der Angst und Willkür, heißt es weiter. Die Unterzeichner des Briefes werfen Kemmerling mangelhafte Personalführung vor. Entscheidungen seien wenig transparent, Grundlage seien zumeist persönliche Empfindsamkeiten, schreiben sie.

Wer sich wehrt, werde mit Zusatzarbeiten bestraft oder dürfe nicht die Rollen spielen, die er gerne übernehmen wolle, wird von betroffenen Mitarbeitern auf Nachfrage berichtet. Zudem nehme Kemmerling jede sachliche Kritik persönlich, sage manchmal wissentlich die Unwahrheit und reagiere mitunter – so wird von mehreren Seiten bestätigt – mit Wut- oder Schreianfällen. Da fliege dann schon mal ein Schlüsselbund durch die Gegend oder ein Teller gehe zu Bruch.

Runter geputzt, eingeschüchtert und schikaniert

Während einige Kollegen vor versammelter Mannschaft runter geputzt („Bist du eigentlich blöd? Wie kann man nur so bescheuert sein?“), eingeschüchtert und schikaniert würden, würden andere bevorzugt und teilweise vom Dienst freigestellt, während sich der Rest des Ensembles auf das nächste Stück vorbereite. Da dürfe dann auch schon mal einer der Bevorzugten beim weniger attraktiven Weihnachtsmärchen aussetzen, um in der Zeit Texte oder Lieder für die Puppensitzung zu schreiben, für die er dann zusätzlich bezahlt werde, berichten Insider.

Auch das Verhältnis der Intendantin zur Werkstattleitung sei schon seit einigen Jahren belastet. „Die zur Klärung angedachte Mediation fand sich wieder in einer für alle Beschäftigten verpflichtenden Teambildungs-Maßnahme, die im vergangen Jahr leider in einem Fiasko ihren unprofessionellen Abschluss fand.“ Stattdessen hat Kemmerling den Schreinern, die für Bühnenaufbauten und Kulissen zuständig sind, per schriftlicher Dienstanweisung untersagt, das Haus zu den Zeiten zu betreten, wenn dort die Puppenspieler tätig sind.

Schwangerschaft als Vertrauensbruch bezeichnet

Ein ähnliches Bild zeige sich in der Verwaltung der Puppenspiele, wo man laut Brief „die vielen Kündigungen junger, sympathischer und qualifizierter Kolleginnen sehr bekümmert zur Kenntnis nehmen“ musste. Einer Mitarbeiterin, die schwanger geworden war, sei dies vor Zeugen von Kemmerling mit den Worten „Du hattest mir doch versprochen, nicht schwanger zu werden“ als Vertrauensbruch zum Vorwurf gemacht worden. Überhaupt schwebe ein genereller Vorwurf „undankbar zu sein“ über allem. Der Brief bezeugt Äußerungen wie „Ihr wisst ja gar nicht, wie gut es ihr habt“ oder „Wem das hier nicht passt, der kann ja bei Aldi an der Kasse arbeiten.“

Intendantin Frauke Kemmerling wollte auf Anfrage nichts zu den Vorwürfen sagen: „Es ist ein laufender Prozess, zu dem ich mich gegenwärtig nicht äußern möchte.“ Sie will die Gespräche abwarten, betonte aber, dass es auch ein Loyalitätsschreiben von elf Kollegen gäbe, das ihr Stellvertreter Udo Müller im Kulturamt abgegeben habe.

Die Betroffenen wollen von der Stadt Taten sehen

Auch seitens der Stadt will man sich noch nicht zu dem Knatsch am Eisenmarkt äußern. Die Kulturdezernentin kümmere sich darum, heißt es. „Da setzen wir erst einmal auf Gespräche. Und hoffen, somit Lösungen zu finden. Das hat in anderen Situationen ja auch funktioniert“, so Stadtsprecherin Inge Schürmann. Doch den Glauben an das gesprochene Wort hat die Mehrheit in und um Knollendorf verloren: „Die Zeit der Worte und des Geredes ist vorbei. Wir wollen Taten sehen“, sagen einige Ensemble-Mitglieder vor dem Termin mit Laugwitz-Aulbach.

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