Einmalig in EuropaÄrzteteam der Kölner Uniklinik wagt seltene Operation

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herzzentrum

Kathrin Schlender und Prof. Stephan Baldus von der Kölner Uniklinik 

Köln – In wenigen Tagen wird Kathrin Schlender auf Skiern stehen. Vor gut drei Monaten konnte sie keine zehn Treppenstufen steigen, ohne in extreme Atemnot zu geraten. Die 58-Jährige ist seit Jahren schwer herzkrank. Mehrere Herzoperationen linderten ihre Beschwerden jeweils nur eine Zeit lang. Nach dem jüngsten Eingriff hat sich ihr Zustand deutlich verbessert.

Am 26. Oktober erhielt sie im Herzzentrum der Uniklinik Köln eine neue Mitralklappe. Das mag wie ein Routine-Eingriff anmuten, trifft im vorliegenden Fall indes ganz und gar nicht zu. Um der Patientin helfen zu können, wagte sich das Team um Professor Stephan Baldus, Direktor der Klinik für Kardiologie am Herzzentrum, an ein Verfahren, das bis dato in Deutschland noch nie zum Einsatz gekommen ist. Selbst europaweit gab es zuvor nur eine vergleichbare Operation in der Schweiz. Im Grunde ging es um einen Clip und eine Herzklappe, die zunächst nur im Duett funktionierten und dann unbedingt wieder getrennte Wege gehen mussten, damit die Patientin gut weiterleben konnte.

Patientin hatte bereits drei Herz-OPs hinter sich

Der Ersatz der Mitralklappe war nur der Schlusspunkt unter eine Krankengeschichte, die in mehrfacher Hinsicht besonders, teilweise sogar spektakulär ist. Auch weil es zugleich eine Geschichte über den rasanten Fortschritt in der Kardiologie und deren Anwendung an der Uniklinik Köln ist. Als Kathrin Schlender erstmals ans Kölner Herzzentrum kam, hatte sie bereits drei komplizierte Herzoperationen hinter sich. Drei ihrer insgesamt vier Herzklappen waren aufgrund einer Entzündung stark geschädigt.

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Die Klappen trennen Vorhöfe und Herzkammern sowie Kammern und Kreisläufe voneinander. Die Klappen wirken dabei wie Ventile und sorgen dafür, dass das Blut in die richtige Richtung fließt. Bei der Patientin war die Erkrankung so ausgeprägt, dass eine Klappe schon drei Mal ersetzt worden war, ebenso der erste Teil der aufsteigenden Aorta. Die Herzprobleme blieben. Mit starken Beschwerden als Folge der undichten Mitralklappe wandte sich die Restaurantbesitzerin aus Düsseldorf ans Herzzentrum Köln.

Konventionelle Methode kam nicht mehr in Frage

Die Klappe war so stark verändert, dass die beiden Segel nicht mehr zueinander kamen. Dadurch floss das Blut zurück in die Lunge und führte zu starker Luftnot. Weil außerdem Blut in die Vorkammer zurückströmte, wurde diese gedehnt und löste eine Herzrhythmusstörung aus. „Das sind typische Komplikationen eines schweren Mitralklappenfehlers. Es war klar, dass die Patientin dringend eine neue Klappe brauchte“, sagt Professor Baldus. Aber nicht bekommen konnte.

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Aufgrund der vorherigen Operationen, bei denen jeweils der Brustkorb eröffnet worden war, kam eine konventionelle Methode mit einem erneuten Durchtrennen des Brustbeines und der Einsatz der Herzlungenmaschine nicht mehr in Frage. „Es blieb zu dem Zeitpunkt nur die Möglichkeit, die defekte Klappe am schlagenden Herzen so gut wie möglich zu reparieren.“ Dazu wurde 2018 über einen kathetergestützten Zugang über die rechte Leiste das vordere mit dem hinteren Klappensegel mit einem Mitraclip zusammengeheftet. „Wir wussten, dass das Ergebnis zwar eine Besserung bedeutete, aber nicht die perfekte Lösung war. Denn die ganze Klappe war so sehr entzündet und verändert, dass sie auch mit dem Clip nicht komplett dicht wurde.“

Es war eine Erleichterung auf Abruf. Tatsächlich hatte sich der Zustand von Kathrin Schlender knapp drei Jahre später erneut verschlechtert. Obwohl mittlerweile auch die beiden anderen beschädigten Klappen ersetzt (Aortenklappe) beziehungsweise rekonstruiert (Trikuspidalklappe) worden waren.

Operation dauerte drei Stunden

Der Schwachpunkt blieb die undichte Mitralklappe. Mittlerweile gab es eine neue Alternative, die defekte Klappe zu ersetzen. Es war nun möglich, sie am schlagenden Herzen über die Herzspitze einzusetzen. Dazu musste nicht der Brustkorb, sondern lediglich im Bereich der Herzspitze der Zwischenrippenraum geöffnet werden. Es galt nur noch ein Hindernis zu überwinden. Der zuvor hilfreiche Clip störte. „Es ist nicht möglich, eine neue Klappe in eine alte Klappe einzusetzen, die einen Clip trägt.“ Entfernen ging nicht, also wurde er buchstäblich aus dem Weg geräumt. „Wir haben über die Leiste eine Schlinge zur Klappe geführt und um den Clip gelegt. Diese Schlinge wurde unter Strom gesetzt und so der Clip von einem der beiden Klappensegel gelöst“, erklärt Stephan Baldus. Damit war der Weg für das Herzteam, bestehend aus Kardiologen und Chirurgen, zur Herzspitze frei.

Drei Stunden dauerte die Operation. Mit der neuen, endlich dichten Mitralklappe hat sich die Lebensqualität von Kathrin Schlender entscheidend verändert. Sie muss noch Medikamente nehmen und wird weiter engmaschig im Herzzentrum überwacht. „Ich kann wieder arbeiten und mein Restaurant führen. Es geht täglich besser.“ Für 2022 hat sie gleich zwei Urlaubsreisen geplant - nach Sri Lanka und nach Italien.

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