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Elf Jahre nach ArchiveinsturzStadt Köln und Bauunternehmen handeln Vergleich aus

Lesezeit 4 Minuten
Archivbild Waidmarkt

Die Einsturzstelle des Stadtarchivs am Waidmarkt (Archivbild: März 2020)

  • Rund elf Jahre ist es her, dass im Herzen von Köln das Stadtarchiv einstürzte.
  • Nun sieht es so aus, als könnte der Rechtsstreit zwischen Stadt und Bauunternehmen mit einem Vergleich beigelegt werden.
  • Ob der angenommen werden soll oder nicht, muss nun der Stadtrat entscheiden. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht.

Köln – Nach etwas mehr als elf Jahren bietet sich die Möglichkeit, das traumatischste Kapitel der jüngeren Stadtgeschichte – der Einsturz des Stadtarchivs während des Baus der Nord-Süd-Stadtbahn – zu beenden. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat Stadtdirektor Stephan Keller (CDU) einen Vergleich mit der Arbeitsgemeinschaft (Arge) der beteiligten Bauunternehmen ausgehandelt. Die Stadt Köln soll dem Vernehmen nach mindestens 600 Millionen Euro erhalten und im Gegenzug auf alle Ansprüche gegenüber der Arge verzichten. Der Stadtdirektor habe den Deal mit den Vorsitzenden der Ratsfraktionen besprochen, die Verhandlungen aber eigenständig geführt, wie zu erfahren war.

Der Stadtrat soll in einer noch einzuberufenden Sondersitzung am 30. Juni beschließen, ob der Vergleich angenommen werden soll oder nicht. Dass den Politikern nun lediglich zwölf Tage zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung von einer solchen Tragweite für Köln zu treffen, wird im Rathaus kritisch gesehen – zumal es sich um einen äußerst komplexen Sachverhalt handelt.

Äußerst kurze Frist

Die äußerst kurze Frist soll damit zusammenhängen, dass Versicherungsunternehmen der Arge börsennotiert und aktienrechtlich dazu verpflichtet sind, eine Risikoanzeige zu erstatten, wenn sie in absehbarer Zeit einen dreistelligen Millionenbetrag auszahlen müssen, heißt es. Ab dem 1. Juli müsste daher wieder neu verhandelt werden.

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In dem Rechtsstreit um den Schadensersatz verlangen die Stadtverwaltung und die KVB von den Bauunternehmen Bilfinger, Züblin sowie Wayss und Freytag, die eine Arbeitsgemeinschaft gebildet haben, eine Summe von mindesten 1,3 Milliarden Euro. Darin enthalten sind mehr als 700 Millionen Euro für die Restaurierung der beschädigten Archivdokumente. Hinzu kommen etwa 80 Millionen Euro für das neue Archivgebäude, 24 Millionen Euro für das Bergen der Archivgüter und mehr als 70 Millionen Euro für das Besichtigungsbauwerk, das für die Gutachter errichtet wurde.

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Für die Ratspolitiker geht es nun darum abzuwägen, ob der von Stadtdirektor Keller ausgehandelte Vergleich angesichts einer Schadensumme von 1,3 Milliarden Euro tatsächlich tragfähig ist. Ein Problem besteht darin, dass es klar nachweisbare Schäden wie den Feuerwehreinsatz gibt, aber auch Schäden, die sich materiell nicht richtig messen lassen. Die Bewertung des Archivguts ist schwierig, da viele Archivalien einen eher ideellen Wert haben – das gilt etwa für alte Stadtpläne oder Telefonbücher.

Diese mögen im Kontext der Archivsammlung zwar wertvoll sein, würden faktisch aber bei einem Verkauf eher wertlos sein. Zudem gibt es die Befürchtung, dass einzelne Baufirmen möglicherweise nach weiteren Jahren der Verhandlungen pleite gehen und für die Stadt dann nichts mehr zu holen wäre.

Eine Hoffnung, die sich mit einem Deal verbinden würde, wäre, dass die Nord-Süd-Stadtbahn möglicherweise doch früher als bislang gedacht in Betrieb gehen könnte, weil die Einsturzstelle am Waidmarkt nicht noch länger von Gutachtern untersucht werden müsste. Da die Kölner Verkehrs-Betriebe allerdings bereits einen fertigen Sanierungsplan vereinbart haben, gilt das als eher unwahrscheinlich.

U-Bahn sollte ab 2010 fahren

Bislang ist davon die Rede, dass die Stadtbahn ab 2027 unterirdisch zwischen Heumarkt und Severinstraße fahren kann. Ursprünglich sollte die Nord-Süd-U-Bahn im Jahr 2010 in Betrieb gehen. Der Fehler, der zum Einsturz des Stadtarchivs am 3. März 2009 führte, soll bereits im September 2005 passiert sein, dreieinhalb Jahre vor dem Unglück. Damals wurden tief im Erdreich die Außenwände für ein größeres U-Bahn-Bauwerk angelegt, in dem Züge das Gleis wechseln können. Beim Aushub des Wandabschnitts mit der Bezeichnung Lamelle 11 brachen mehrfach Zähne des Greifers ab. Dadurch soll ein Fugenblech beschädigt worden sein, das die aus Beton bestehenden Wandabschnitte verbinden sollte. Dieser Vorfall soll dazu geführt haben, dass ein im Untergrund liegendes Hindernis, ein Gesteinsbrocken, nicht vollständig entfernt wurde. In der Folge war die Wand an dieser Stelle undicht. Als Jahre später die Erde für das Gleiswechselbauwerk ausgehoben wurde, soll Grundwasser durch die fehlerhafte Stelle in die Grube gedrungen sein. Dabei wurde das Erdreich unter dem Stadtarchiv mitgerissen.

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