Abo

Erste Hilfe für eine gute Nachbarschaft

Lesezeit 3 Minuten

Nippes/Niehl/Riehl –  Wirft man in großer Runde das Thema „Streit mit den Nachbarn“ in die Runde, hat jeder Zuhörer eine Geschichte auf Lager. Das lässt sich sogar mit Zahlen belegen: Jeder siebte Kölner hat sich 2019 mit anwaltlicher Unterstützung mit seinem Vermieter, Mieter oder Nachbarn gestritten. Das zeigt die Studie eines Versicherers. In den erzählten Geschichten geht es dann nicht selten um Laubbäume, die über den Zaun ragen oder um Zigarettenrauch, der durch das gekippte Fenster vom Balkon unten hereinzieht. Um vermeintliche Lappalien, die stören, sich im Kopf zu unlösbaren Problemen aufbauschen und im Zusammenleben dafür sorgen, dass die Nachbarn im Treppenhaus schweigend aneinander vorbeigehen.

Bevor es soweit kommt – oder wenn es schon zu spät ist –, hilft ein Anruf bei Heike Korfmacher. Sie verwaltet hauptberuflich Häuser und arbeitet ehrenamtlich als eine von 24 Schiedspersonen der Stadt, sie sagt: „Es gibt nichts Schöneres als eine gute Nachbarschaft.“ Korfmacher selbst wohnt in Niehl am Finkenplatz, hier grüßt und kennt man sich. Gibt aufeinander Acht. Klopft auch mal nebenan bei der über 80-jährigen Nachbarin, wenn sie länger nicht zu sehen war.

Dass das Tür-an-Tür-Leben auch ganz anders aussehen kann, weiß Korfmacher aus ihrem Ehrenamt. Wer sich in Nippes, Niehl und Riehl durch zu beharrlichen Efeu oder zu penetrante Musik von nebenan gequält fühlt, der kann Korfmacher sein Problem schildern, sie lädt dann die Nachbarn zum so genannten Schlichtungsgespräch in ihr Haus ein.

„Ich lasse alle Beteiligten erstmal reden“, sagt Korfmacher. „Oft kommen dann Altlasten zutage. Du hast das gesagt, du hast jenes getan“. Dann weiß die erfahrene Schiedsfrau: Das Problem ist gar nicht der Efeu oder der Baum. Sondern aufgestauter Groll, der sich vielleicht seit Jahren angesammelt und dann sein Ventil gefunden hat. Auch fehlende Kommunikation beobachtet Korfmacher. Manche Menschen kämen zu ihr, ohne das Problem vorher überhaupt angesprochen zu haben. „Mein Motto: Sprecht frühzeitig miteinander. Wehret den Anfängen!“, sagt sie und klingt dabei ein bisschen wie eine Paartherapeutin.

Korfmacher ist außerdem sicher: Ein Gang zur Schiedsperson ist effektiver und günstiger als der Gang vor Gericht. „Bei uns gibt es eigentlich keinen Verlierer. Wir erarbeiten die Lösung gemeinsam. Ein Geben und Nehmen. Bei Gericht wird ein Urteil gefällt.“ Ein Verfahren bei ihr oder ihren Kollegen koste rund 50 Euro – inklusive einem schriftlichen Vertrag mit Fristen. Dort könne dann etwa vereinbart werden, wann und wie oft der Efeu geschnitten werden soll. „Unsere Lösungen sind oft flexibler. Wir sind nicht starr an die Gesetze gebunden, sind näher am Menschen.“

Korfmacher sucht gemeinsam mit den Streitenden immer den bestmöglichen Kompromiss. Die Flutlichtbeleuchtung im Garten scheint in das Schlafzimmer des anderen? Heike Korfmacher empfiehlt: „Stellen Sie die Strahler anders, kaufen Sie ihrem Nachbarn ein paar Vorhänge“. Hauptsache: Alle können nachher mit der Lösung leben. „Es waren schon Nachbarn bei mir, die jahrelang nicht miteinander gesprochen haben und nach unserem Termin noch eine halbe Stunde vor dem Haus zusammenstanden“, erinnert sie sich.

Aber es gibt auch immer ein paar Unbelehrbare. „Die sind dann wirklich verbohrt“, sagt sie lachend.

In der Hälfte der Fälle kommt es zu einem Vergleich

Insgesamt 183 Verfahren wurden beim Schiedsamt Köln 2018 durchgeführt. Davon waren 110 zivilrechtliche Verfahren – unter die auch Nachbarschaftsstreitigkeiten fallen – und 73 Strafverfahren, zu denen beispielsweise „Beleidigung“ zählt. Die Hälfte der zivilrechtlichen Verfahren konnte mit einem Vergleich beendet werden. Den richtigen Ansprechpartner für den eigenen Wohnbezirk finden die streitenden Parteien auf der Internetseite der Stadt Köln. www.stadt-koeln.de

Heike Korfmacher

KStA abonnieren