Erzbistum KölnMissbrauchsopfer klagt auf 750.000 Euro Schmerzensgeld

Lesezeit 3 Minuten
Dom dunkle Wolken dpa

Dunkle Wolken über dem Kölner Dom. (Symbolbild)

Köln – Das Erzbistum Köln sieht sich im Missbrauchsskandal einer Schmerzensgeldklage in bislang nicht dagewesener Höhe gegenüber. Der Kölner Krankenhausseelsorger Georg Menne, der als Minderjähriger in den 1970er Jahren von dem inzwischen verstorbenen Priester Erich J. mehrere hundert Male sexuell missbraucht wurde, verlangt von der Kirche eine Summe von 750.000 Euro. Die von dem Bonner Rechtsanwalt Eberhard Luetjohann vertretene Klage soll an diesem Freitag beim Landgericht Köln eingereicht werden. Die Vorwürfe gegen das Erzbistum wiegen schwer.

Die Klage fußt auf dem Vorwurf, die Bistumsleitung habe ihre Amtspflichten verletzt, indem sie den Täter in der Seelsorge belassen, ihn nicht überprüft oder beaufsichtigt habe.

„Das Erzbistum hätte alles verhindern können“

„Das Erzbistum hätte das alles verhindern können, wenn man J. rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen hätte“, sagte der 1960 geborene Menne dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Alles zum Thema Erzbistum Köln

Trotz Gerüchten schon in den 60er Jahren habe kein Verantwortlicher nachgeforscht. Er erwarte Gerechtigkeit, sagte Menne, der bis heute an den Spätfolgen des Missbrauchs leidet. „Das Erzbistum muss endlich Verantwortung übernehmen. Dafür stehe ich jetzt auf. Ich lasse mir nicht mehr den Mund verbieten.“

„Mittelbare Täterschaft“ durch Unterlassen

Für eine „mittelbare Täterschaft“ durch Unterlassen hafte das Erzbistum, sagte Luetjohann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Umfang und Reichweite der „Garantenstellung“, die von einem Arbeitgeber oder Dienstvorgesetzten für sein Personal übernommen werden muss, sind in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft umstritten.

Über die Fragen einer Amtshaftung der kirchlichen Vorgesetzten für Vergehen ihrer Priester sei das Kölner Missbrauchsgutachten des Strafrechtlers Björn Gercke „hinweggehuscht“, sagte Lütjohann.

Ein Priester ist immer im Dienst

Bei einem Priester gebe es prinzipiell keine Unterscheidung zwischen dienstlicher und privater Sphäre, in der den Bischof im Falle von (sexuellen) Vergehen von Klerikern keine Mitverantwortung treffe. „Ein Priester ist immer Priester. Das ist das Amtsverständnis der katholischen Kirche.“ Menne sei als Messdiener in Kontakt mit dem Täter gekommen – also im Rahmen der Berufsausübung.

Gerckes Kanzlei wies Luetjohanns Sicht zurück. Das Gutachten beschäftige sich auf etlichen Seiten ausführlich mit der Frage einer Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen. Mennes Fall und der seiner – ebenfalls betroffenen – Brüder wird von Gercke als Aktenvorgang 15 auf insgesamt 18 Seiten behandelt. Er kommt zu dem Schluss, der frühere Erzbischof Joseph Höffner und sein Generalvikar Norbert Feldhoff hätten ihre Pflicht zur Aufklärung und zur Opferfürsorge verletzt. Aus späterer Zeit wird der Justiziarin des Erzbistums eine unterlassene Meldung des Falls an die Strafverfolgungsbehörden im Jahr 2011 als Pflichtverletzung zur Last gelegt.

Austritt aus Beratungsgremien

Menne gehörte ab 2019 dem Betroffenenbeirat des Erzbistums an, den er 2021 aus Protest gegen Woelkis Aufarbeitung verließ. Im Frühjahr 2022 zog er sich auch aus dem externen Beraterstab sexueller Missbrauch zurück.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das kirchliche Verfahren zur Opferentschädigung bezeichnete der Pastoralreferent als ungenügend und intransparent. Die von seinem Mandanten geforderte Schmerzensgeldsumme bewege sich am unteren Rand dessen, was die Tabellen vorsehen, betonte Luetjohann. Menne habe schreckliche Gewalterfahrungen machen müssen. Diese sind teils auch dokumentiert. So zeigt ihn ein Foto gefesselt in einer Duschwanne.

Das Erzbistum teilte auf Anfrage mit, da aktuell keine Klage vorliege, sei keine Stellungnahme möglich.

KStA abonnieren