„Ausbruch aus der Konvention“Universität Köln organisiert erste Tattoo-Tagung

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Aelteste_Taetowierstube dpa

Die Uni Köln richtet eine Tagung zum Thema Tattoos aus.

Köln – Frau Kloß, das Internationale Kolleg Morphomata richtet eine Tagung zum Thema „Tattoo“ aus. Warum beschäftigt sich die Uni Köln damit?

Tattoos werden in unserer Gesellschaft immer präsenter und sind ein spannendes Thema, das in der Wissenschaft bislang wenig beleuchtet wurde. Bei Tätowierungen geht es nicht nur um eine bildliche Ausdrucksweise, sondern auch um den Prozess, auf der Haut zu schreiben. Zugleich sind Tätowierungen mein Habilitationsthema. Seit einigen Monaten beschäftige ich mich mit Tätowierungen in Guyana, Surinam und der Karibik.

Was erwartet die Gäste?

Alles zum Thema Universität zu Köln

Es ist vermutlich die erste Tagung überhaupt, die sich auf das Thema „Tattoo“ konzentriert. Nach Köln kommen Wissenschaftler aus der ganzen Welt, die sich in unterschiedlichen Fachrichtungen mit dem Thema beschäftigen – unter anderem aus den USA, Kanada, Indien und Deutschland. Zu Gast ist auch der Ethnologe Lars Krutak, der in den USA bekannt ist durch seine Dokumentationen im Discovery Channel.

Was macht den Unterschied des Tattoos zu anderen Kunstformen aus?

Tattoos besitzen eine gewisse Unveränderlichkeit. Zudem macht der Körper den Unterschied. Man ist nicht nur Betrachter, sondern zugleich Kunstobjekt. Gesellschaftlich ist das Thema interessant, weil die Meinungen über Tattoos weit auseinandergehen. Manche lieben sie, manche verabscheuen sie.

Wo kommt das Wort „Tattoo“ her?

Es stammt vom polynesischen „tatau“. Missionare und Kolonialherren haben den Begriff nach Europa gebracht.

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Tattoos sind schon 5000 Jahre alt. Warum hatte der Ötzi Tattoos?

Es gibt unterschiedliche Arten von Tätowierungen. Wir denken heute an grafische Motive, die den Körper verschönern. Beim Ötzi ging es wohl um ein medizinisches Verfahren, um Krankheiten abzumildern. Auf diese Weise werden Tattoos auch in anderen Kulturen verwendet: In meiner Forschungsarbeit habe ich in der Karibik mit vielen älteren Frauen gesprochen. Sie sagten, dass sie auch bei Gelenkschmerzen tätowiert wurden – und dann war das Problem weg. Es gibt auch Tattoos, um Reinheit zu erlangen oder einen Ritus durchzuführen. Wer sich tätowieren lässt, verändert seinen Status, wird etwa verheiratet oder wird erwachsen.

Welche Funktion hatten Tätowierung in Antike und Mittelalter?

Von christlicher Seite waren Tätowierungen nicht erlaubt. Der Körper war gottgegeben, man sollte ihn nicht verändern. Tätowierungen wurden vorgenommen, um Gefangene zu markieren. In Indien hat man tätowiert, um die Kastenzugehörigkeit bestimmter Personen zu kennzeichnen. In manchen Gesellschaften waren Tattoos nicht nur als Endprodukt wichtig, sondern auch die Tätowierung an sich. Wer die Schmerzen der Nadeln und vielleicht auch der nachfolgenden Entzündungen aushielt, durfte sich zur Gemeinschaft zählen. Der Weg war das Ziel.

Warum fanden Tattoos in den 60er Jahren Eingang in die Subkultur?

Das war ein Ausbruch aus den Konventionen. Eine Ausdrucksform, um sich von der Masse abgrenzen. Tattoos sind eine Form von Körperpolitik: Ich mache mit meinem Körper, was ich will. Und habe die Freiheit dazu und muss mich keinen gesellschaftlichen Zwängen unterordnen. Das hat sich immer stärker durchgesetzt. Heute sind Tattoos normal.

Welche Rolle spielten Musik und Sport, um Tattoos massentauglich zu machen?

Tattoos sind auch eine Modeerscheinung. Wenn das Idol ein Tattoo trägt, regt das zur Nachahmung an. Wobei sich Trends auch ändern. Das berühmte „Arschgeweih“ über dem Gesäß war vor ein paar Jahren unglaublich modisch, wird aber heute als negatives Beispiel von Tattoos gesehen.

Welche neue Trends gibt es?

Es gibt unterschiedliche Trends, die abhängig von der sozialen Gruppe sind. Was mich aus Forschersicht interessiert, sind Tattoos, die gemacht werden, um sich an andere Personen zu erinnern. Namen und Bilder von verstorbenen Verwandten, auch Tieren werden zu Tattoos. Das gibt einem das Gefühl, die Verstorbenen wären anwesend. Es gibt in den USA sogar Tinte mit Partikeln von Verstorbenen, die man sich tätowieren lassen kann. Durch das Tattoo erhält man dadurch auch eine materielle Nähe zum Verstorbenen.

Das Gespräch führte Dirk Riße

Die Tagung „Tattoo: The Histories and Aesthetics of Embodies Imaging and Writing“ (1. und 2. 12.) wird von Sinah Kloß (32) ausgerichtet. Ort: Internationalen Kolleg Morphomata, Universität, Weyertal 59. Mehr Infos unter www.morphomata.uni-koeln.de.

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