Europas größtes InklusionsfestMit virtueller Rolli-Fahrt durch Köln

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Rollstuhlbasketball war eines der vielen Angebote bei Europas größtem Inklusionsfest im Rheinpark .

Rollstuhlbasketball war eines der vielen Angebote bei Europas größtem Inklusionsfest im Rheinpark .

Köln – Streit unter Nachbarn ist vor deutschen Gerichten ein beinahe alltägliches Thema. Doch in einem Prozess vor gut zwanzig Jahren ging es nicht etwa um falsch gestutzte Hecken oder das überlange Dach eines Carports. Ein Mann aus Kreuzau im Landkreis Düren störte sich daran, dass die sieben geistig eingeschränkten Bewohner der Wohngruppe neben seinem Haus „unartikulierte Laute“ von sich gaben.

Nach mehreren Versuchen, sich außergerichtlich zu einigen, verlor der Lehrer über das Rufen und Klatschen seiner Nachbarn die Geduld und reichte Klage beim Amtsgericht Aachen ein. Die dortigen Richter lehnten die Klage des Mannes weitgehend ab, doch dieser ging in Berufung und bekam im Jahr 1998 schließlich vom Kölner Oberlandesgericht recht. Fortan durften sich die Männer der Wohngruppe nur noch zu bestimmten Zeiten im Garten aufhalten, eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das Urteil blieb ohne Erfolg.

Europas größtes Inklusions-Fest

Der Träger der Einrichtung im Kreis Düren war der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Dort reagierte man einigermaßen fassungslos auf das „Maulkorb-Urteil“, die Verantwortlichen sahen sich gezwungen, ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen.

Alles zum Thema Henriette Reker

„Das war die Geburtsstunde des Tags der Begegnung“, erklärt Ellen Petry, die Sprecherin des LVR. Um für mehr Verständnis und ein besseres Zusammenleben zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu sorgen, rief man einen jährlichen Aktionstag ins Leben, bei dem sich Verbände, Einrichtungen, Firmen und Interessengruppen präsentieren. Am Samstag fand der inzwischen zwanzigste „Tag der Begegnung“ im Deutzer Rheinpark statt. Die Veranstaltung gilt als Europas größtes Inklusions-Fest.

Virtuelle Rolli-Fahrt durch Köln

Bei hervorragendem Wetter gab es zwischen Tanzbrunnen und Zoobrücke vielerlei zu sehen und auszuprobieren. So konnten die Gäste etwa bei den Köln 99ers Rollstuhl-Basketball ausprobieren. Das LVR-Mobil hatte im Vorfeld zusammen mit einem Rollstuhlfahrer eine virtuelle Rolli-Fahrt durch Köln aufgezeichnet. So konnten die Besucher sich mit einer VR-Brille selbst in den Rollstuhl setzen und lebensecht nachfühlen, wie sich die Straßen und Wege für Menschen mit einer Gehbehinderung anfühlen. Es zeigt sich: Zwar sind große Teile des öffentlichen Raums inzwischen besser zugänglich, doch Kopfsteinpflaster, Treppen und zu hohe Bordsteine bleiben Hindernisse im Alltag.

Auf die Barrierefreiheit angesprochen, verwies Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei der Eröffnung auf die großen Fortschritte, die man bereits gemacht habe. Trotzdem arbeite man täglich an Verbesserungen. Für sie sei Behindertenpolitik „Chefinnensache, weil dabei Haltung gefragt ist“.

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Aus Düsseldorf war Landtagspräsident André Kuper (CDU), gekommen. Der Schirmherr des Festes freute sich auf der Bühne im Tanzbrunnen über das neue inklusive Wahlrecht, das behinderten Menschen unter Betreuung erlaubt, an Wahlen teilzunehmen. Auf den drei Bühnen traten den ganzen Tag über Tanzgruppen, Bands, Chöre und einzelne Darsteller auf. Alles wurden von Gebärdendolmetscherinnen übersetzt und so für gehörlose Menschen zugänglich gemacht. Am Abend spielten unter anderem Culcha Candela und Leslie Clio. Insgesamt zählte der LVR rund 30000 Gäste.

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