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Fahrschüler genervtKölner müssen 45 Tage auf einen Führerschein-Termin warten

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Fahrschule dpa

Bis man in Köln eine neue Fahrerlaubnis beantragen kann, können schon mal Wochen vergehen.

Köln – Die Wahrscheinlichkeit, dass Michael A. (Name geändert) doch noch kurz vor seinem 18. Geburtstag am 31. Dezember seinen Führerschein in der Tasche haben wird, ist seit einer Woche deutlich gestiegen. Die größte Hürde hat er mit viel Beharrlichkeit und mit Unterstützung aller genommen, die in seinem Umfeld ein Smartphone besitzen: Er hat einen Termin für den Antrag auf Ersterteilung einer Fahrerlaubnis bei einer der Führerscheinstellen der Stadt Köln bekommen.

Die sind nämlich so selten wie ein staufreier Rheinufertunnel im Berufsverkehr in Vor-Corona-Zeiten, fordern eine Menge Geduld und 45 Tage Vorlaufzeit. Kleiner Tipp: Die Methode mit der höchsten Trefferwahrscheinlichkeit erfordert in Köln zehn Mitstreiter, die zeitgleich an einem Freitag zu Dienstbeginn am besten die jeweilige Sonderrufnummer in allen neun Kundenzentren der Bezirksrathäuser anrufen.

Kein Durchkommen am Bürgertelefon

Der Zehnte wählt, freitags um 7.30 Uhr, parallel das Bürgertelefon der Stadt. Die Wahrscheinlichkeit, dort durchzukommen, liegt um diese Uhrzeit zwar bei 1:1000, aber wem das gelingt, der hat Zugriff auf alle Vergabetermine in den Führerscheinstellen der viertgrößten Stadt Deutschlands - von Chorweiler bis Porz.

In Michaels Fall hat das nicht geklappt. Seiner Mutter gelingt es aber immerhin, in Nippes zu landen. Was man wissen muss: In Nippes werden ausschließlich Termine für Nippes vergeben. Auf die zentrale Datei kann die äußerst freundliche Mitarbeiterin dummerweise nicht zugreifen. Es entspinnt sich folgender Dialog, der nur in Auszügen wiedergegeben wird.

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Bis zum 14. Juni sei alles ausgebucht, es werde für 45 Tage im Voraus immer nur der nächste Tag freigeschaltet, sagt die Mitarbeiterin. Man könne aber jeden Morgen nochmal anrufen, vielleicht habe ja jemand abgesagt. „Ich habe gerade einen Termin für acht Uhr reinbekommen.“

Toll. Es ist 7.40 Uhr. „Wie soll ich den noch vergeben?“, fragt sie verzweifelt. „Der Bewerber müsste ja sofort los und auch noch einen negativen Corona-Test mitbringen.“ Michaels Mutter kann der verzweifelten Mitarbeiterin da auch nicht helfen. Und nein, über die 45 Tage hinaus vergebe die Stadt Köln keine Führerscheintermine. Warum nicht? Weil sich zwischenzeitlich die Führerschein-Bestimmungen ändern könnten.

Ohne persönliche Beratung geht nichts

Online-Termine im Internet zu buchen, wie das bei Personalausweisen, Reisepässen und anderen Dienstleistungen seit langem problemlos möglich ist, biete die Stadt bei Führerschein-Angelegenheiten nicht an. Dazu sei das Verfahren zu komplex. Da bedürfe es schon der persönlichen Beratung. Die dauert im Fall Michael ungefähr 20 Minuten, endet mit einem Termin und einem Mitleid erregenden Seufzer. „Eine Katastrophe ist das.“ 20 Minuten, in denen die Leitung für andere Anrufer blockiert ist.

Dass der Vorsprechtermin für Michael, der im kommenden Jahr Abitur machen wird, mitten in die Unterrichtszeit fallen wird, darf keine Rolle spielen. Und so endet das Gespräch mit Nippes. „Am besten sagen Sie in der Schule, er fühlt sich nicht wohl. Nochmal einen neuen Termin zu bekommen, ist ja der Horror.“

Fahrlehrer verärgert, Fahrschüler gefrustet

Eine Woche später. Drei Dezernate haben sich ausführlich mit der Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nach dem Fahrerlaubnis-Ersterteilungsantrags-Problem beschäftigt. Dass Besuche in den Führerscheinstellen nicht online gebucht werden können, liege an der Vielzahl der Fahrerlaubnisse. Die verursache einen Beratungsaufwand, „der sich online nicht in der nötigen Qualität sicherstellen lässt", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Diese persönliche Beratung sei im Vorfeld „auch nötig, damit nicht alle oder die falschen Unterlagen vorgelegt werden und deshalb eine erneute persönliche Vorstellung notwendig wird“.

Wenigstens den relativ simplen Vorgang, zum ersten Mal einen Führerschein zu beantragen, durch eine Online-Terminvergabe zu ermöglichen, gebe die Software nicht her. „Unsere neue Software, die zurzeit getestet wird, wird diesen Service bieten.“ Dort würden dann stadtweit alle verfügbaren Termine angezeigt. Von Porz bis Chorweiler.

Begleitetes Fahren fällt meistens flach

Überdies arbeite man im Zuge der Digitalisierung „mit Hochdruck“ daran, Führerscheine und Fahrerlaubnisse auch direkt online beantragen zu können. Dazu seien aber Abstimmungsprozesse zwischen dem Bund, dem Land und den Kommunen erforderlich. Es müsse auch geklärt werden, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen sind.

„Bürgernahe Abwicklung im Bereich Fahrerlaubnis gibt es in den meisten Fällen nicht“, sagt Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Nordrhein. Dies sei vor allem ärgerlich, „weil die Verzögerungen bei der Beantragung häufig die Begleitphase durch die Eltern verkürzt. Das beeinträchtigt die Verkehrssicherheit.“

Dass 17-Jährige sich zuerst unter Aufsicht eines Elternteils hinters Steuer setzen können, habe viel dazu beigetragen, dass Fahranfänger weniger Unfälle bauen. „Wir können in den Fahrschulen doch nur die Basis legen. Anschließend zusammen mit den Eltern die Erfahrung zu sammeln, ist doch Gold wert.“

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