Fanforscher im Interview„1. FC Köln hat mehr Fans als mancher Verein mit mehr Erfolg“

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Karnevalslieder beim 1. FC Köln und FC-Lieder im Karneval – das ist Köln.

  • Jonas Gabler (37) ist Fanforscher und als Wissenschaftler in der Kompetenzgruppe „Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit“ in Berlin und Hannover tätig.
  • In unserem Interview spricht er über die besondere Anziehungskraft des 1. FC Köln.

Köln – Herr Gabler, der 1. FC Köln hatte während seiner Zeit in der zweiten Liga eine höhere Stadionauslastung als in der Europa-League-Saison davor. Was sagt das aus über die Kölner Fans?

Gerade bei Vereinen, die eine lange Tradition haben und stark in der Stadt verankert sind, wird ein Effekt sichtbar: In Zeiten, in denen es nicht gut läuft, rücken die Fans zusammen, bekennen sich zu ihrem Verein, es kommt ein „Jetzt erst recht“-Momentum auf. Das ist beim 1. FC Köln gegeben, der in den vergangenen Jahren sowieso ein Auf und Ab erlebt hat. Da steht man zusammen.

Es sind in der vergangenen Saison nicht mal Dauerkarten zurückgegangen.

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Da spielt sicher auch eine Rolle, dass die Saison davor sehr erfolgreich verlief. So gehört es zur Ehre der Fans, dass man dem Verein in der Saison danach nicht sofort den Rücken kehrt, und eine gewisse Resteuphorie ist auch noch da. Aber die Fans des 1. FC Köln sind ohnehin sehr leidensfähig.

80 Prozent der Kölner fühlen sich laut einer Umfrage dem 1. FC Köln nah.

Es gibt Unterschiede, wie stark ein Verein in der Stadtkultur verankert ist. In Köln gibt es ein stärkeres Band als in vielen anderen Städten, denn dort ist der Fußballverein definitiv ein Kulturgut. Köln ohne den FC ist in den Augen der Kölner genauso wenig vorstellbar wie ohne Karneval oder den Dom.

Die Verehrung für den Club ist bei den Kölner Fans also offensichtlich abgekoppelt vom sportlichen Erfolg. Woher kommt diese Faszination?

Zum einen liegt das sicher daran, dass wie beschrieben die Vereins- und Stadtkultur so eng verwoben sind. Da verschmilzt Folklore, wenn im Karneval FC-Lieder und bei FC-Spielen Karnevalslieder gesungen werden.

Außerdem gibt es innerhalb Kölns nicht diese Konkurrenz anderer Mannschaften, wie es sie für Bayern München mit 1860 oder für den Hamburger SV mit dem FC St. Pauli gibt.

So fokussieren sich Fans auf einen Verein. Aber man muss auch sagen: Ganz ohne Erfolge geht es nicht. Köln hat in der Vergangenheit schon Meisterschaften gewonnen. Es gibt also positive Geschichten, die man erzählen kann.

Doch der FC hat viele Fans, die ihren Verein noch nie einen Titel haben holen sehen. Wie lange kann sich der Verein also noch auf die Verehrung durch seine Anhänger verlassen?

Das Titelholen war vor 30 Jahren noch erheblich einfacher. Die Meisterschaft wird auf absehbare Zeit zwischen zwei oder drei Mannschaften auszumachen sein. Ich glaube, dass Erfolgsgeschichten auf dem Niveau einer Mannschaft wie dem 1. FC Köln auch auf einer anderen Ebene geschrieben werden.

Die Europacupteilnahme, einmal gegen Arsenal London spielen zu können und dann auch noch das Führungstor zu erzielen, war sicher eine solche Kölner Erfolgsgeschichte. Das reicht manchmal schon, um die Erfolgstanks wieder aufzufüllen und um Geschichten zu haben, die man der nächsten Generation erzählen kann.

Die Fankultur lebt in hohem Maße von Geschichten, Anekdoten, Mythen und Legenden.

Der 1. FC Köln hat mehrere hundert Fanclubs, einige davon auch weltweit verteilt. Wie ungewöhnlich ist das für eine Bundesligamannschaft dieser Qualität?

Letztendlich braucht es eine sehr erfolgreiche Phase, um auf der ganzen Welt Fans zu begeistern. Diese Phase hatte Köln mit Spielern wie Pierre Littbarski, Toni Schumacher oder Toni Polster auch.

Das waren Identifikationsfiguren, die über die Stadt und die Region hinaus gestrahlt haben. Gerade in der ehemaligen DDR gab es die Kultur, Fan eines eigenen Vereins im direkten Umfeld zu sein und dann noch einem Herzensverein in der Bundesliga treu zu sein.

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Neben Mönchengladbach und München war Köln da ganz vorne. Sicher haben Dortmund und Bayern bundesweit wie weltweit einen größeren Nimbus, aber schaut man sich Köln im Verhältnis zu seinen sportlichen Erfolgen der letzten Jahre an, muss man sagen, dass der Verein gut aufgestellt ist. Er hat mehr Anhänger als manche Mannschaft mit mehr Erfolg – sicher auch wegen des hohen Identifikationspotenzials.

Erstmals seit dem Jahr 1997 spielen mit Düsseldorf, Mönchengladbach und Leverkusen neben Köln wieder alle vier rheinischen Vereine in der ersten Bundesliga. Wird das aus Sicht der Fans eine besondere Saison?

Mir war gar nicht bewusst, dass das schon so lange her ist. Aber natürlich sind diese drei Derbys in der Saison ein Highlight. Das muss man sich vorstellen: Sechs der 34 Spiele haben aus Kölner Sicht eine besondere Bedeutung. Für die Fans wird es das attraktiv machen.

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