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Fehler der PolitikKölner Gereonshof nur noch für die Schönen und Reichen zugänglich?

Lesezeit 6 Minuten
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Eine Mitarbeiterin und ein Wachmann weisen Passanten an, den Platz zu verlassen.

  • Das Kölner Gerling-Quartier sollte durch seinen Umbau zum Luxusviertel zu einem Anziehungspunkt für alle Bürger werden.
  • Doch jetzt ist alles anders: Besucher werden von einem privaten Sicherheitsdienst vom Gelände verscheucht – angeblich im Auftrag der Besitzer und Mieter.
  • Die Politik fühlt sich über den Tisch gezogen – und hat Sorge vor einer geschlossenen Gesellschaft der Reichen im Herzen der Stadt.
  • Doch etwas dagegen tun könnte sie nicht. Die Hintergründe.

Köln – Auf den Bänken löffeln Männer ihr Erdbeereis, einige Meter weiter turnt ein Kind am Rande eines Springbrunnens. Baumwipfel spenden Schatten an diesem warmen Frühlingstag am Gereonshof, dem zentralen Platz im Gerling-Quartier nahe des Friesenplatzes. Eine vermeintliche Idylle mitten in der Innenstadt, so scheint es.

Doch im Gerling-Quartier, das während seines Umbaus zum Luxusviertel als ein Vorzeigeprojekt der Kölner Stadtentwicklung galt und zu einem Anziehungspunkt für alle Bürger werden sollte, lassen die wohlhabenden Eigentümer Passanten nun mit einem privaten Sicherheitsdienst vom Gelände verscheuchen. Die Politik fühlt sich deshalb von den Investoren über den Tisch gezogen – und hat Sorge vor einer geschlossenen Gesellschaft der Reichen im Herzen der Stadt.

Nur ein Ort der Schönen und Reichen?

Es sind nur wenige Sekunden, in denen die zweijährige Tochter von Juliane Taube unbemerkt auf dem Springbrunnen spielen kann. Dann kommt eine Portiersfrau auf sie zu. Das Betreten des Brunnenrands sei verboten, sagt sie, der Aufenthalt auf dem Gelände sowieso. „Das ist hier offensichtlich nur ein Ort der Schönen und Reichen“, wundert sich Taube noch, dann muss sie mit Mann und Kind den Platz verlassen. Die Portiersdame unterhält sich währenddessen schon mit der nächsten Gruppe, die sich mit Sandwiches auf einer der Sitzbänke niedergelassen hat.

Mit einem Mann in gelber Warnweste, offensichtlich Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, bittet sie die Personen zu gehen. Warum sie das mache? Das sei die Ansage der Eigentümer und Anwohner, die Fläche mitsamt Brunnen und Sitzbänken Privatgrund, sagt sie achselzuckend und fordert den Reporter auf, es zu unterlassen, mit Passanten zu sprechen und Fotos zu machen. Sie habe schon „nervöse Anrufe“ von Eigentümern bekommen.

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Gereonshof sollte zum öffentlichen Mittelpunkt werden

Wenig später tauchen zwei Herren, offensichtlich Verantwortliche des Areals, auf. Sie drohen mit dem Ordnungsamt, sprechen schließlich einen „Platzverweis“ gegen den Reporter aus. Hier sei Presse unerwünscht, sagen sie. Ein Platz, der aussieht wie eine öffentliche Fläche, aber keine ist – und das mitten in Köln? Eigentlich hatte das alles mal ganz anders geklungen.

Ein Rückblick: Der Gereonshof sollte zum öffentlichen Mittelpunkt des ehemaligen Gerling-Quartiers werden. Dafür verkaufte die Stadt die öffentliche Straße Gereonshof an den Investor, der sie zu einem Platz umbauen ließ, Brunnen und Bäume installierte – und in Person von Immofinanz-Vorstand Oliver Schumy bei der Eröffnung des Platzes 2015 vollmundig versprach: „Wir wollen alle Kölner zum Flanieren und Verweilen einladen.“ Ganz ähnlich sah das der damalige Oberbürgermeister Jürgen Roters. Der Gereonshof könne zur „Piazza Navona von Köln werden“.

Der Platz sollte ursprünglich zu jeder Zeit zugänglich sein

Der Architekt des Komplexes, Johannes Kister, betonte in einem Interview mit dieser Zeitung: „Ich denke, es ist eine Qualität des Quartiers, dass der Platz ein öffentlicher Raum ist, der zu jeder Zeit zugänglich ist.“ Und die Stadtverwaltung versprach in einer Stellungnahme an den Rat „ein lebendiges Stadtviertel“. Dafür sollte im Grundbuch ein Recht für die Allgemeinheit eingetragen werden, um den Platz nutzen zu können.

Heute, rund fünf Jahre später, scheint die Faktenlage anders. Immofinanz hat sich aus dem Projekt zurückgezogen, rund 170 Eigentümern gehört der Platz mittlerweile anteilig. Im Minutentakt fahren jetzt fast ausschließlich dunkle Sport- und Geländewagen mit getönten Scheiben in die Tiefgarage unter der Piazza ein. Besitzer und Mieter der Wohnungen seien es, heißt es von mehreren Seiten, die nicht wollten, dass der Platz von Nichtanwohnern genutzt wird.

Vereinbarung mit der Kölner Politik war eine andere

Für die Politik ist diese Praxis völlig unverständlich. Dass der Platz öffentlich nutzbar ist, sei als Qualität des Quartiers angepriesen worden, sagt der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses, Niklas Kienitz (CDU). „Wenn genau das jetzt verhindert wird, wird diese Planung ad absurdum geführt.“ Jörg Frank (Grüne) ergänzt: „Wenn der Investor vorgeschlagen hätte, den öffentlichen Charakter des Platzes einzuschränken, hätte sich keine Mehrheit gefunden, ihm den Platz zu übertragen.“

Doch offensichtlich steht das, was zwischen Politik und Investoren vereinbart wurde, und das, was am Ende vertraglich gesichert wurde, auf zwei verschiedenen Papieren. Im Grundbuch ließ sich die Stadt nämlich nur für einen zehn Meter breiten Korridor, der der ehemaligen Straße Gereonshof entspricht, ein Wegerecht einräumen. Dafür zahlte sie sogar 55.000 Euro Entschädigung an den Investor. Das geht aus einer Urkunde hervor, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ebenso wie den Grundbucheintrag einsehen konnte.

Auf dem Korridor bewegen, aber nicht verweilen

Konkret heißt das: Die Bevölkerung darf sich ausschließlich auf diesem Korridor bewegen, aber nicht verweilen. Und der Rest des Platzes, auf dem sich die Brunnen und Sitzbänke befinden, ist vollständig Privatgelände. „Tatsache ist, dass die Piazza nur von Eigentümern und Mietern des Gerling-Quartiers genutzt werden darf und wir dies entsprechend mit einem Sicherheitsdienst durchsetzen müssen“, erklärt Jürgen Ach, Manager des Gerling-Quartiers und Immobilienverwalter. Die Stadt bestätigt das auf Nachfrage.

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Dies widerspreche allerdings dem Willen der seinerzeit getroffenen politischen Beschlüsse in jeder Hinsicht, meint Bezirksbürgermeister Andreas Hupke (Grüne). „Ich bin geschockt und werde umgehend Akteneinsicht einfordern“, sagt er. „Für mich ist das eine Katastrophe, weil wir diesen Platz unter diesen Voraussetzungen wahrscheinlich nie wieder für die Allgemeinheit zurückbekommen werden.“ Aus politischen Kreisen heißt es selbstkritisch, man habe den Versprechungen der damaligen Investoren vertraut, ohne sich diese schriftlich absichern zu lassen – das würde man heute anders machen.

Sorge, dass das Gerling-Quartier zur „Gated Community“ wird

Ein städtebaulicher Vertrag, der genau das hätte leisten können, wurde nie geschlossen. Dabei war die Sorge, dass das Gerling-Quartier zu einer „Gated Community“ werden könnte, also zu einem geschlossenen Wohnkomplex mit Zugangsbeschränkungen, seit Jahren für Stadt und Politik präsent. Immer wieder verhinderte die Politik Pläne, die Fläche einzuzäunen; 2016 wunderte sich die SPD-Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung Innenstadt, Regina Börschel, dass an anderer Stelle im Quartier bereits Zäune aufgestellt worden waren. „Jetzt muss man feststellen, dass unsere Befürchtungen mittlerweile Realität sind und scheibchenweise neue Fakten geschaffen werden“, sagt Börschel.

So klingt das auch in einer Mail eines Mitarbeiters des Immobilienverwalters Ach von Ende März, die dieser Zeitung vorliegt: Man wolle Passanten zwar das Wegerecht im Gereonshof nicht vorenthalten, „aber gerne den Platz mit einer Zaunanlage sowie Toranlagen an den beiden Kopfseiten versehen lassen, so dass es eine optische Barriere ist“. Bezirksbürgermeister Hupke fürchtet, dass die Eigentümer tatsächlich Ernst machen und die Fläche einzäunen könnten.

CDU fordert ein Gespräch mit allen Beteiligten

Juristisch hätten sie wohl das Recht dazu. Wieso es soweit kommen konnte, will die SPD nun aufarbeiten lassen. Die CDU fordert ein Gespräch mit allen Beteiligten und Grünen-Politiker Frank will die Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Dienstag im Liegenschaftsausschuss zum Thema machen.

In einem sicher ist sich die Politik aber bereits jetzt: Ein Projekt unter diesen Bedingungen würde sie heute so kein zweites Mal unterstützen.

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