Filmdoku „Das Double“1977 war der 1. FC Köln das Maß aller Dinge

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Hennes Löhr (l) und Toni Schumacher mit Meisterschale und Pokal im Erfolgsjahr 1978.

Hennes Löhr (l) und Toni Schumacher mit Meisterschale und Pokal im Erfolgsjahr 1978.

Köln – Ohne Hennes Weisweiler wäre Harald Konopka nie der beste Fußballer der Welt geworden. Für immerhin Andy Warhol war Konopka das. Warhol besuchte den Linienläufer mit den widerspenstigen Haaren in dessen Eigenheim, um ihm ein Bild mit den Worten „To the best soccer player in the world“ zu signieren. Weisweiler ließ seine Außenverteidiger revolutionärerweise stürmen und verhalf den Fußballarbeitern an der Seitenlinie so zu Ruhm. Vielleicht hatte Warhol den Lauf Konopkas gegen Braunschweig mit idealem Torabschluss gesehen, den der Schnauzbart 40 Jahre später so kommentiert: „Dafür bewundere ich mich heute noch, wie ich den Ball da eiskalt durch Kneib (Torwart von Mönchengladbach, die Red.) durchgespielt habe.“

Einerlei. Warhol und Konopka kannten sich, der hemdsärmelige Verteidiger sammelte Kunst („Ich weiß auch nicht, wie das kam“) und schleppte seine Kumpels Heinz Flohe, Herbert Neumann und Dieter Müller mit in die berühmten Galerien. Konopka ist einer der Helden des Dokumentarfilms „Das Double“, der auch als Buch erschienen ist, und mit dem der Kölner Filmemacher, Autor und Verleger Frank Steffan der Saison 1977/78 ein kleines Denkmal setzt.

Goldene 70er Jahre

1977 kann es Köln als Kunststadt mit New York und Paris aufnehmen, der 1. FC Köln als Fußballverein mit Barcelona und Bayern. Todesjahr von Elvis Presley, Charlie Chaplin, Sepp Herberger und dem von der RAF ermordeten Manager Hanns-Martin Schleyer, Geburtsjahr der Popsängerin Shakira, der späteren Weltfußballerin Birgit Prinz und der besten Kölner Fußballmannschaft aller Zeiten. „Das Double“ beginnt mit Schwarz-Weiß-Bildern von Leonid Breschnew und Jimmy Carter, Mr. Universum Arnold Schwarzenegger, Romy Schneider, Hans-Joachim Kuhlenkampff, Helmut Schmidt, Erich Honecker und einem Cover der gerade gegründeten Frauenzeitschrift Emma.

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Als ein Mann mit autobahngerader Zahnleiste und herabhängenden Mundwinkeln ins Licht rückt und gleich darauf eine behörnte Ziege, schillern die Bilder plötzlich bunt: Mann und Ziege heißen Hennes, der Mann gilt den Kölnern als Heilsbringer. Als der Trainer Hennes Weisweiler 1976 aus Mönchengladbach zurückkehrt, herrscht gefährliche Euphorie. Mehr als 10.000 Fans am Geißbockheim trampeln sich fast über den Haufen. Die 90 Filmminuten sind fußballlastig – die Saison wird vom ersten bis zum letzten Spieltag nachgezeichnet. Sie kommen gerade recht, da der eben noch euphorische 1. FC Köln, nach 25 Jahren zurück im Europacup, sich schon wieder in den Niederungen der Bundesliga wiederfindet.

Wenn FC-Trainer Peter Stöger seiner Mannschaft den Film jetzt zeigte, um ihnen die Energie der alten Helden einzuflößen, würde sich manch einer wünschen, 40 Jahre früher in Blüte gestanden zu haben: Nicht, weil das Spiel langsamer war und sich ständig Räume auftaten – so war der Fußball. Heinz Flohe wäre auch heute einer der besten Fußballer der Welt, was Matthias Lehmann oder Jonas Hector auch damals nicht gewesen wären.

Spieler würden sich zurücksehnen

Nein, die Spieler würden sich zurücksehnen, weil man entspannt einen trinken gehen konnte, oder auch zwei oder drei, ohne dass es fünf Minuten später für immer die ganze Welt weiß, weil die Szene mit dem Handy fotografiert und ins Internet gestellt wird (Es hätte ihnen höchstens passieren können, dass ein Typ namens Warhol sie fotografiert, der schlich nämlich auf der Suche nach Porträtmotiven durch jeden angesagten Club und konnte sehr penetrant sein.)

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1977 konterte der dänische FC-Stürmer Preben Elkjær Larsen die Behauptung Weisweilers, er sei des Nachts mit zwei Frauen im Arm und einer Flasche Whiskey in der Hand in einem Club gesehen worden, mit den Worten: „Nein, das stimmt nicht, Trainer.“ „Wie, Du widersprichst? Aber es haben dich mehrere Leute gesehen!“ „Es war nicht Whiskey, Trainer, es war Wodka.“ Kettenraucher Larsen hat nur neun Spiele und ein Tor für den FC gemacht, um dann in Belgien, Italien (bei Hellas Verona mit Hans-Peter Briegel) und der dänischen Nationalmannschaft (38 Tore) Karriere zu machen.

Für den Film ist der Lebemann ähnlich gewinnbringend wie der damalige Vereinsarzt Dr. Alfons Bonnekoh, der es einmal wagte, Weisweiler zu widersprechen und so in Ungnade fiel; wie Hardcore-Fan Jacki Nimmesgern, der Toni Schumacher nach dem Schlusspfiff am letzten Spieltag 1978 um den Hals fiel und fast erdrückte, oder der Kölner Künstler Anton Fuchs, dessen Stimme von ungezählten Zigaretten erzählt wie die von Larsen – oder jene von Sprecher Gerd Köster.

Das Filmmaterial ist so körnig wie die Typen, die die gleichen Floskeln wie die Spieler heute auswendig wussten („Ein Pokalspiel ist natürlich immer etwas Besonderes, vor allem ein Pokalendspiel“, Karl-Heinz Thielen), aber eben nicht nur aus Floskeln bestanden.

Die Musik für den Film hat mit Dirk Schlömer vor 36 Jahren auch so ein Vogel aufgenommen. „Mit unserer damaligen Band The Cöln waren wir damals der sogenannte heiße Scheiß“, sagt Schlömer. Die Band mit dem anmaßenden Namen spielte überall, auf dem Weg zum Weltruhm kam irgendwas dazwischen. Schlömer spielte später immerhin für „Ton, Steine, Scherben“ und das Solo-Projekt von Rio Reiser. Frank Steffan wird die alte Platte „The Cöln“ jetzt neu herausbringen. Immer wieder in Archiven zu stöbern, mit Zeitzeugen zu sprechen und Mosaikstücke Kölner Sport- und Kulturgeschichte neu zu erzählen, ist sein großes Verdienst.

Die DVD „Das Double“ ist im DuMont-Shop erhältlich,Breite Straße 72, DuMont-Carré. Hier kann man die DVD online bestellen: www.ksta.de/shop

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