Finanzaffäre der Handwerkskammer KölnUnsaubere Abrechnungen schon seit 1995

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Ortwin Weltrich, der ausgeschiedene Geschäftsführer der Handwerkskammer Köln

Ortwin Weltrich, der ausgeschiedene Geschäftsführer der Handwerkskammer Köln

In der Finanzaffäre der Handwerkskammer, die vor zwei Monaten zum Ausscheiden des Hauptgeschäftsführers Ortwin Weltrich geführt hatte, sind weitere Einzelheiten bekanntgeworden. Kammerpräsident Hans Peter Wollseifer bestätigte am Donnerstag, dass das unsaubere Abrechnungsverfahren zwischen der Kammer und ihrer in der Entwicklungshilfe tätigen Tochterfirma seit deren Gründung im Jahr 1995 angewandt wurde. „In den Vorgängen der Handhabung“ bestehe „eine Kontinuität“, sagte Wollseifer auf einer Pressekonferenz. Nach der 2007 erfolgten Beförderung Weltrichs zum Hauptgeschäftsführer wurde demnach fortgesetzt, was in der Amtszeit von dessen Vorgänger begann.

Als Folge der Unregelmäßigkeiten werde die Bildungs- und Beratungs-GmbH spätestens bis zum Jahresende aufgelöst, kündigte Wollseifer an. Danach werde sich die Handwerkskammer selber in der Entwicklungshilfe betätigen. Der finanzielle Schaden für die Organisation, die mit den Pflichtbeiträgen ihrer Mitgliederbetriebe wirtschaftet, betrage rund 1,1 Millionen Euro. Zu diesem Ergebnis kamen jedenfalls die von der Kammer beauftragten Wirtschaftsprüfer des Unternehmens ACT Audit. Allerdings hatten sie lediglich die Unterlagen für die Jahre 2009 bis 2018 ausgewertet; der gesamte Verlust, der seit 1995 entstanden ist, dürfte um einiges größer sein. Man habe die Untersuchung auf die zurückliegenden zehn Jahre beschränkt, da diese für die Frage der Haftung entscheidend seien, sagte Wollseifer.

Die Geschäftsführung der Handwerkskammer übernahm zugleich nebenamtlich die Geschäftsführung der Tochterfirma. Der Schaden soll der Kammer vor allem dadurch entstanden sein, weil sie ihrer Tochtergesellschaft Personal zur Verfügung stellte, ohne die Kosten zu berechnen. Eben dafür erhielt das Unternehmen Geld von der Bundesregierung, ausgezahlt über die in Bonn ansässige gemeinnützige Sequa GmbH. Die Mitarbeiter der Kammer haben die Aufgabe, die internationalen Einsätze zu steuern und abzurechnen. Die Orte befinden sich überwiegend in Afrika, derzeit in Malawi, Togo, Uganda und Palästina. Für diese vier Hilfsprojekte zahlt der Bund insgesamt Personalzuwendungen von annähernd 150 000 Euro jährlich.

Da die für das Personal vorgesehenen Gelder des Bundes in der Kasse der Tochterfirma verblieben, wuchsen deren Gewinne um eben jene Beträge. Damit stiegen nicht nur die Ausschüttungen an den Eigentümer, sondern auch die Steuern sowie die Tantiemen für Weltrich und dessen Stellvertreter Peter Panzer. 120 000 Euro habe die Tochterfirma „unsinnigerweise“ an das Finanzamt überwiesen, gibt Weltrich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu. Die Höhe der seit 2009 an die beiden Geschäftsführer gezahlten Tantiemen beträgt dem Bericht nach 89 000 Euro. Das sind umgerechnet 4450 Euro jährlich für jeden. Zum Vergleich: Das Jahresgehalt Weltrichs erreichte zuletzt einschließlich einer erfolgsabhängigen Zusatzzahlung etwa 205 000 Euro.

Der ehemalige Hauptgeschäftsführer zweifelt die Höhe des Schadens an. „Die Wirtschaftsprüfer haben Einnahmen der Kammer nicht gegengerechnet“, sagte er am Donnerstag. Er selber habe einen Gesamtverlust von 19 000 Euro errechnet. Es sei „absolut fatal“, dass Kammerpräsident Wollseifer von einer derart hohen Schadenssumme spreche.

Ende März hatten Weltrich und Panzer Aufhebungsverträge unterschrieben. Ohne Affäre wäre Weltrich noch bis Ende 2021 im Job geblieben, Panzer bis Ende 2020. Warum das für die Kammer unvorteilhafte Finanzgebaren nicht schon früher aufgefallen war, begründete Wollseifer so: Die Tochterfirma brauche ihre Bilanz nicht in dem Umfang offen zu legen wie ein großes Unternehmen. Aufgrund der insgesamt positiven Ergebnisse habe das Präsidium zudem keinen Anlass gehabt, vertieften Einblick zu nehmen. Vor der Vollversammlung am selben Tag äußerte sich Wollseifer so: „Wir hoffen, dass die Manager-Versicherung zumindest für einen erheblichen Teil des Schadens aufkommen wird. Keine Versicherung kann jedoch die Imagebeschädigung und die Vertrauenseinbußen gegenüber der Öffentlichkeit und den Mitgliedsbetrieben wettmachen.“

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, das Gutachten des Wirtschaftsprüfers zu berücksichtigen. „Wir prüfen weiterhin den Anfangsverdacht einer Straftat“, sagte Behördensprecher René Seppi.

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