Flüchtlinge in KölnInitiativen suchen händeringend neue Helfer

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Hussein Dirani und Helle Große-Stoltenberg nehmen an der Initiative Welcome Walk Köln teil. Doch die ehrenamtlichen Integrations-Initiativen suchen dringend neue Mitglieder.

Köln – Die Begeisterung ist Ernüchterung gewichen. Wurden die Initiativen für Flüchtlinge noch vor zwei Jahren von Freiwilligen überrannt, hat sich ein großer Teil von ihnen mittlerweile zurückgezogen.

„Vor zwei Jahren reichte ein Post auf Facebook und ich hatte auf einen Schlag 50 neue Leute“, erinnert sich Tanja Schmieder, Vorsitzende des Kölner Vereins City of Hope Cologne, die auch in der Porzer Flüchtlingsinitiative tätig ist. „Und jetzt bin ich froh, wenn bei unserem Ehrenamtler-Stammtisch außer mir noch zwei kommen.“

Vielschichtige Ursachen

Die Ursachen für den enormen Schwund sind vielschichtig: Erstens hat sich die Arbeit verändert. Ging es anfangs um Soforthilfe und erste neugierige Begegnung, sind es jetzt die steinigen Hürden der Integration, die mit den Flüchtlingen zu nehmen sind: Arbeitssuche, Wohnungssuche, Behördengänge. Alles Felder, auf denen Ehrenamtler einen langen Atem brauchen und zermürbende Erfahrungen machen, weil es so schwierig ist, Erfolge zu erleben: „Die Frust-Rate steigt, weil keiner mehr Lust hat, sich nur blutige Nasen zu holen“, fasst Mario Ascani, Sprecher des Arbeitskreises Politik der Kölner Willkommensinitiativen, die Stimmung zusammen.

„Es kostet unheimlich Energie, etwa bei Vermietern immer wieder gegen Wände zu rennen. 199-mal erträgt man den Satz „Wir vermieten nicht an Flüchtlinge“, beim 200. Mal hört man dann auf“, erzählt Schmieder. Auch bei der Verwaltung würden die Ehrenamtler von Amt zu Amt geschickt, erläutert Ascani. Erst allmählich stelle die Verwaltung – nicht zuletzt dank der beharrlichen Rückmeldung der Ehrenamtler – ihre IT um mit dem Ziel der Vernetzung, damit nicht in jedem Amt vom Wohnungs- bis zum Sozialamt alle Daten neu erhoben werden müssten.

Ehrenamt kostet Ressourcen

Dieses Ehrenamt koste viele Ressourcen und irgendwann hätten viele dann eben das Gefühl, sie verplempern ihre Zeit, ergänzt Gabriele Klein, Projektleiterin bei der Kölner Freiwilligenagentur. So bleiben die übrig, die erstens viel Zeit investieren könnten und zweitens sehr gefestigt seien. „Gleichzeitig muss man sich klarmachen, dass das jetzt eher ein Normalzustand ist“, konstatiert Klein. „Der Ausnahmezustand war ja eher das außergewöhnliche Engagement der Bevölkerung am Anfang.“

Aufgrund der veränderten Anforderung sei es noch wichtiger, die Freiwilligen, die sich auf Mentorenprojekte einlassen, gut zu begleiten. Gleichzeitig müssten weiter auch niedrigschwellige Angebote gemacht werden, bei denen sich Ehrenamtler nicht auf langes Engagement verpflichten. So etwa die Welcome Walks, bei denen sich ein Geflüchteter und ein Alt-Kölner kennenlernen und bei drei dreistündigen Treffen innerhalb von sechs Wochen gemeinsam die Stadt erkunden oder einfach nur reden. Denn es bleibe ein riesiges Bedürfnis der Flüchtlinge nach Begegnung mit Kölnern, so Schmieder. Gerade jetzt, da viele Familien – teils nach zwei Jahren in einem einzigen Zimmer in einer Unterkunft – in Lethargie versinken und sich völlig aufgeben.

Neue Konzepte entwickeln

Gleichzeitig versuchen die Willkommensinitiativen Konzepte zu entwickeln, wie die Arbeit mit weniger Ehrenamtlern geleistet werden kann. In der Diskussion sind etwa Sprechstunden in den Unterkünften oder Infoveranstaltungen, in denen die Ehrenamtler den Geflüchteten zentral erklären, wie Wohnungssuche funktioniert.

Gleichzeitig macht sich Schmieder keine Illusionen: Ohne einen Mentor sei es für eine Familie fast unmöglich, etwa kurzfristig einen Kindergartenplatz, einen Job oder gar eine Wohnung zu finden. Ascani fordert daher von der Stadt dringend mehr finanzielle Unterstützung und Anerkennung für die Ehrenamtler. „Ohne unsere Arbeit ist die Integration der Flüchtlinge schlicht nicht leistbar“, konstatiert er. Derzeit werde unter den Flüchtlingsinitiativen sogar diskutiert, die Arbeit bundesweit mal eine Woche brachliegen zu lassen, um ein Zeichen zu setzen.

www.wiku-koeln.de

Kölner Freiwilligen Agentur sucht Mentoren für Flüchtlinge 

Die Kölner Freiwilligen Agentur sucht Freiwillige, die geflüchtete Menschen unterstützten wollen, und bereitet diese professionell auf die Arbeit vor. Am 24./25. Februar startet die nächste Runde der einjährigen Patenschaft im Projekt „Außerschulische Begleitung von Flüchtlingskindern“ und am 3./4. März die nächste Runde der halbjährigen „Mentorenschaft für geflüchtete Familien“.

Zusätzlich gibt es auch Optionen für Menschen, die sich eher kurzfristig engagieren möchten. So gibt es die sogenannten „Welcome Walks“ bei denen Alt- und Neukölner gemeinsam die Stadt erkunden. Das nächste Vorbereitungstreffen dafür ist am 24. Januar. Für Menschen, die gerne vorlesen, gibt es außerdem das Projekt „Flüchtlingskinder begegnen LeseWelten in Museen.

Wer Interesse an einem Projekt hat, kann zu einer der Informationsveranstaltungen der Kölner Freiwilligen Agentur kommen. Sie finden am 31. Januar, sowie am 15., 21., und 27. Februar um 17 Uhr in der Clemensstraße 7 statt. Um vorherige Anmeldung wird gebeten, entweder unter Tel. 0221/888278-22 oder per Mail mentoren@koeln-freiwillig.de. www.koeln-freiwillig.de 

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