Folge der WohnungsnotViele Kölner lagern ihre Habseligkeiten in „Self Storage“-Lagern

Lesezeit 5 Minuten
Anna Marquardt stellt die Reinigungs-Mittel und Kleingeräte ihres Hausmeister-Services in einem Mietlager in Ehrenfeld unter.

Anna Marquardt stellt die Reinigungs-Mittel und Kleingeräte ihres Hausmeister-Services in einem Mietlager in Ehrenfeld unter.

Köln – Der vielleicht beste Kundenfänger von Jonas Fischer ist die Kölner Wohnungsnot. Der 33-Jährige leitet das operative Geschäft von zwei „Self Storage“-Filialen in Ossendorf und Nippes. Insgesamt 5600 Quadratmeter Fläche vermietet Fischer unter dem Firmennamen „Lagerraum 365“, unterteilt in abschließbare Räume von einem bis 25 Quadratmetern Fläche, in denen die unterschiedlichsten Dinge aufbewahrt werden: Möbel, Surfbretter, Überraschungs-Ei-Sammlungen, Golfausrüstungen. Viele Gegenstände lagern in Kisten, die sich bis zur Decke stapeln. „Tetris spielen“, nennt es Jonas Fischer.

In seiner Ossendorfer Dependence ähneln die langen Gänge mit den nummerierten Türen einem Gefängnis. Doch in diesem Fall kommen die Leute freiwillig. Und es werden immer mehr. Noch in diesem Jahr will „Lagerraum 365“ einen dritten Ableger in Marsdorf eröffnen. „Köln wächst generell und der Wohnraum wird knapper“, sagt Fischer.

20 Euro pro Quadratmeter im Monat

„Self Storage“ kann man auch mit Mietlager oder Selbstlagerzentrum übersetzen: Wer kurzfristig Platz braucht, kann hier seine Sachen für einen selbst gewählten Zeitraum unterstellen. Im Falle der beiden „Lagerraum 365“-Standorte beträgt die Mindestlaufzeit 14 Tage, der Preis pro Quadratmeter liegt im Durchschnitt bei 20 Euro pro Monat. Wer an seinen Verschlag muss, kann das Gebäude zwischen 6 und 23 Uhr mit einem persönlichen Pincode betreten.

Laut dem „Verband deutscher Self Storage-Unternehmen“ (VDS) gibt es derzeit unter der Bezeichnung „Lagerbox“, „Platz schaffen“ und „Shurgard Self-Storage“ fünf weitere Selbstlagerzentren in Köln. Viel sei das nicht, sagt Jonas Fischer. In Berlin, Hamburg und München sei das Angebot viel größer, in Ländern wie den Niederlanden oder England sowieso: „Im Vergleich zur Einwohnerzahl hat Köln noch richtig viel Potenzial.“

Torsten Tressel bewahrt im Ossendorfer Mietlager Bautrockner und Elektroheizgeräte auf, die er vermietet. Der Vorteil des Self-Storage-Konzepts sei für ihn die räumliche und zeitliche Flexibilität. Herkömmliche Lagerräume würden normalerweise für einen längeren Zeitraum vermietet. Hier könne er jederzeit kündigen und zudem die Größe seines Verschlags variieren. Ähnlich sieht es Jonathan G., der als Verkaufsleiter für einen Eistee-Hersteller arbeitet und im Ehrenfelder Selfstorage „platzschaffen.de“ in einer 1,5-Quadratmeter-Zelle bis unter die Decke Werbematerial stapelt. Schon öfter habe er den Lagerraum gewechselt, sagt der 38-Jährige: „Im Sommer brauche ich mehr Platz, im Winter weniger.“

Die Wohnung zu klein, eine größere Wohnung zu teuer

Familie Sauer (Name von der Redaktion geändert), Kunden der Ossendorfer „Lagerraum 365“-Filiale, schieben an diesem Nachmittag auf einem Transportwagen Omas Nähmaschine und Kisten mit Kinderklamotten in einen winzigen Raum mit Metallwänden. Das Paar hat eine junge Tochter und eine 77 Quadratmeter-Wohnung – zu wenig Platz für sperrige Erbstücke und Textilien, aus denen das Kind herausgewachsen ist, die aber bei neuem Nachwuchs vielleicht nochmal gebraucht werden. „Unsere Wohnung ist zu klein, der Keller ist feucht“, sagt Sandra Sauer: „Und eine größere Wohnung kann man sich nicht einfach mal leisten.“

Für den VDS-Vorsitzenden Christian Lohmann ist es vor allem die Wohnungsnot in den Großstädten, die den Erfolg der Self-Storage-Anbieter ausmacht. Normalverdiener könnten sich selten eine ausreichend große Bleibe leisten. Und immer weniger Neubauten seien mit Kellerverschlägen und Dachböden ausgestattet. „Wir profitieren von der Wohnungsknappheit“, sagt der 50-Jährige: „Aber wir sind auch Helfer in der Not.“

Auch gewerbliche Nutzung möglich

Yorck Trösser, Geschäftsführer von „platzschaffen.de“, verdankt seinen Geschäftserfolg eher der großen Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt. Viele seiner Kunden stellten bei ihm ihre Möbel unter, weil sie ihre alte Wohnung verlassen müssten, die neue aber noch nicht bezugsfertig sei. Wahlweise seien es Zuzügler, die noch keine Wohnung in Köln gefunden hätten, aber ihre Habseligkeiten schonmal unterstellen wollen. Die Nachfrage sei jedenfalls groß, sagt der 28-Jährige. Seine aktuell 1400 Quadratmeter Depotfläche will er noch im Laufe dieses Jahres verdoppeln.

Trössers Kundin Anna Marquardt gehört zur Minderheit der gewerblichen Selfstorage-Nutzer. Sie leitet einen Hausmeister-Service und lagert auf 7,5 Quadratmetern Reinigungs-Mittel, Schleifmaschinen oder Hochdruckreiniger. Dass das Lager von 6 bis 23 Uhr geöffnet habe, sei für sie ein unschlagbarer Vorteil. Ihre Mitarbeiter hätten damit fast rund um die Uhr Zugang zum Lager, und Material-Nachbestellungen würden einfach vom Selfstorage-Personal entgegen genommen.

„Die Auslagerung hat gut getan“

Deutschlandweit existieren laut VDS derzeit 220 Mietlager, 2017 seien hier 509.000 Quadratmeter Staufläche angeboten worden, im Jahr zuvor seien es noch 463 000 Quadratmeter gewesen – ein Plus von rund zehn Prozent. Vor allem auf Großstädte konzentrierten sich die Standorte, so Christian Lohmann, mittlerweile gebe es Self-Storage-Anlagen aber zunehmend auch in kleineren Städten. 75 Prozent aller Nutzer seien Privatkunden, die vor allem Möbel einlagerten, „weil sie zu wenig Platz haben oder kurzfristig Lagerbedarf haben“.

Grundschullehrerin Cathrin Hamacher nutzt ihren Zwei-Quadratmeter-Außenposten zur Aufbewahrung von Unterrichtsmaterial und Dekorationsgegenständen. Im Klassenraum könne sie ihre Sachen nicht lagern, sagt die 29-Jährige: „Wir haben auch in der Schule Raumnot.“ Bis vor fünf Monaten stapelte sie das Material noch im Arbeitszimmer ihrer 50 Quadratmeter kleinen Wohnung. Die Auslagerung habe ihr richtig gutgetan, sagt Hamacher: „Das war für mich ein totaler Befreiungsschlag.“

Warauf man beim Einlagern achten sollte

Kunden sollten laut Christian Lohmann vom „Verband der deutschen Self Storage-Unternehmen“ auf einige Aspekte bei der Auswahl ihres Mietlagers achten. „Ganz oben steht das Thema Sicherheit“, sagt Lohmann. So sollten die Korridore videoüberwacht und das Gebäude nur über einen Zugangscode oder mit einer Chipkarte zu betreten sein.

Die Verschläge sollten mit einer Deckenhöhe von drei Metern ausgestattet sein, Wände aus Stahl oder Stein haben sowie ausreichend breite Türen, außerdem verschließbar und blickdicht sein. Sauberkeit und Trockenheit seien weitere wichtige Qualitätsmerkmale. Damit die Gegenstände nicht gammeln, sollte die Luftfeuchtigkeit bei 40 bis 60 Prozent liegen.

Rollwagen und Lastenaufzug

Um den Transport zu erleichtern, liegt der Zugang zum Gebäude idealerweise ebenerdig, Rollwagen werden kostenlos gestellt, bei mehreren Geschossen steht ein Lastenaufzug zur Verfügung. „Vor Ort sollte Verpackungsmaterial gekauft werden können“, so Lohmann. Die Mieter wiederum dürften nichts einlagern, „was lebt und übel riecht“. Drogen und Waffen seien ebenfalls tabu.

Der Preis pro Quadratmeter und Monat liege im Branchendurchschnitt bei 18 bis 20 Euro. „Je größer die Box ist, desto günstiger wird es“, so Lohmann: „Jeder Anbieter bietet zudem Sonderkonditionen für Langzeit-Mieter.“ Die Mindest-Laufzeit betrage in der Regel 14 Tage oder vier Wochen: „Man kann aber jeden Tag kündigen.“

KStA abonnieren