Forsa-UmfrageBaustellen, Dreck und hohe Mieten ärgern die Kölner immer mehr

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Die Kölner sind unzufrieden mit den Verkehrsverhältnissen und den Baustellen – der Tunnel in Kalk ist nur ein Beispiel von vielen.

Köln – Wer von den Kölnern wissen will, was sie in ihrer Stadt am meisten aufregt, bekommt zur Antwort: Baustellen, Dreck und hohe Mieten. Das hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa in einer Umfrage für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ herausgefunden.

Was sich auf den ersten Blick allzu vertraut und wenig spektakulär ausnimmt, bekommt in der Langzeit-Perspektive dennoch Brisanz: Denn schon mehr als 20 Jahre sind es dieselben Themen, über die sich die Kölner am meisten erregen – und das in deutlich zunehmendem Maße. Nannten 1995 noch 62 Prozent der Bürger die Verkehrssituation samt der Baustellen als größtes Problem Kölns, waren es 2017 in der jüngsten Umfrage sogar 75 Prozent.

Ähnlich gestiegen ist der Ärger über den Dreck in der Stadt: 19 Prozent sahen darin im Jahr 1995 das größte Problem Kölns, 26 Prozent waren es 2017. Das ist im Vergleich mit Städten wie Hamburg, Frankfurt oder Dortmund ein herausragend hoher Wert.

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Hingegen ist der Ärger der Kölner über Kriminalität und einen Mangel an Sicherheit kontinuierlich gesunken. Während vor 20 Jahren 13 Prozent der Bürger hierin das größte Problem sahen, waren es 2017 nur noch neun Prozent – angesichts der „Kölner Silvesternacht“ und der Dauerdebatten über die innere Sicherheit, zuletzt im Landtags- und Bundestagswahlkampf, sei dies ein „eher erstaunliches Ergebnis“, kommentiert Forsa-Chef Manfred Güllner. In Frankfurt oder Dortmund schätzten die Bürger die Kriminalität in ihrer Stadt als deutlich problematischer ein.

Kritik an Stadtverwaltung

Ähnlich stark wie der Ärger der Kölner über das Treiben von Kriminellen – an der Spitze stehen hier Einbrüche, Diebstähle und organisierte Banden – fiel ihre Kritik an der Stadtverwaltung und der Unmut über Politiker aus (jeweils acht Prozent), die in früheren Jahren entweder gar keine oder nur eine sehr geringe Rolle gespielt hatten.

Güllner, als früheres Ratsmitglied und ehemaliger Direktor des städtischen Amts für Statistik bestens vertraut mit den Kölner Verhältnissen, spricht von einem doppelt bemerkenswerten Befund. Zum einen genießen nach seinen Erkenntnissen nicht viele Städte eine so große Sympathie bei ihren Bürgern wie Köln (siehe Interview). Zum anderen aber gebe es andernorts auch keinen solchen anhaltenden Unmut über bestimmte Ärgernisse, ohne dass sich daran über die Jahre hin etwas zum Guten veränderte. Im Gegenteil: Der Forsa-Chef wirft Politik und Verwaltung in Köln ein fortdauerndes „Drangsalieren“ der Bürger vor.

Für die Erhebung der Kölner Befindlichkeiten hat Forsa 1003 erwachsenen Bewohnern „den Puls gefühlt“. Die Auswertung unterscheidet unter anderem zwischen Jüngeren und Älteren, aber auch zwischen gebürtigen Kölnern, langjährigen Imis (mehr als 20 Jahre in Köln lebend) und „Neu-Kölnern“ (in den vergangenen 20 Jahren zugezogen). Für Letztere ist – leicht nachvollziehbar – die Lage am Wohnungsmarkt ein drängenderes Problem als für die Alteingesessenen. Auch die Verkehrssituation nehmen die Neu-Kölner deutlich problematischer wahr.

Interessiert am städtischen Geschehen sind nach eigenen Angaben 80 Prozent der Kölner – besonders ausgeprägt übrigens die Zeitungsleser (87 Prozent). In den verschiedenen Altersgruppen ist ein deutliches Gefälle des Interesses feststellbar: Von 86 Prozent bei den über 60-Jährigen sinkt es auf 57 Prozent bei den 18- bis 29-Jährigen. Das Verhältnis der Kölner zur kommunalen Verwaltung ist nach Güllners Worten generell von einem „recht hohen Vertrauen“ gekennzeichnet – „deutlich höher als das zu Behörden auf Bundes- und Landesebene“, so der Forsa-Chef.

„Umso bemerkenswerter ist, dass in Köln die Hälfte aller Bürger (49 Prozent) mit ihrer Stadtverwaltung nicht zufrieden ist“, wobei der Unmut bei den gebürtigen und alteingesessenen Kölnern (53 bzw. 49 Prozent) größer ist als bei den „Neu-Kölnern“ (43 Prozent). Diejenigen, dies sich stark für das Geschehen in der Stadt interessieren, urteilen negativer über die Stadtverwaltung (52 Prozent) als die eher Desinteressierten (35 Prozent). Es sind vor allem lange Warte- und Bearbeitungszeiten sowie verwirrende Vorschriften und unklare Zuständigkeiten, an denen sich die Kritiker stoßen.

Wenig Vertrauen in hiesige Parteien

In diesem Zusammenhang fällt auf, wie wenig Lösungskompetenz die Kölner den hiesigen Parteien zuschreiben. Keine von ihnen werde mit den genannten Problemen der Stadt fertig, sagen 73 Prozent der Befragten. Der kleine Restanteil verteilt sich gleichmäßig auf die Volksparteien CDU und SPD sowie die sonstigen Parteien. Zwei Drittel der Befragten glauben, dass letztlich der „kölsche Klüngel“ die Stadt im Griff habe – egal, was die Parteien im Rat machten. „Selten“, so Manfred Güllner, habe Forsa „in lokalen Untersuchungen ein so negatives Bild der Parteien vor Ort registriert wie aktuell in Köln“.

Die Arbeit der Parteien im Stadtrat sehen 55 Prozent der Befragten von Konflikten und Streit geprägt, nur 21 Prozent von Sachlichkeit und Harmonie. Dabei sei die Konsenserwartung der Bürger an die Kommunalpolitik besonders hoch, sagt Güllner, anders als auf der Ebene der „großen Politik“ in Bund und Land, wo „auch ideologische Konflikte zwischen den Parteien durchaus für akzeptabel gehalten“ würden.

Zwei Jahre ihrem Amtsantritt schlagen die Missstände Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nicht erkennbar persönlich ins Kontor. Fast die Hälfte aller Bürger zeigte sich in der Forsa-Umfrage zufrieden mit Rekers Arbeit, 37 Prozent äußerten sich weniger bzw. gar nicht zufrieden. Die Werte sind sowohl bei Alteingesessenen und Imis als auch über die Grenzen der Parteipräferenz hinweg relativ gleich. Überdurchschnittlich hoch fällt die Zustimmung für Reker erwartungsgemäß bei den Anhängern ihres Unterstützer-Bündnisses (CDU, Grüne, FDP) aus, entsprechend geringer bei den Sympathisanten der oppositionellen SPD.

Im Bekanntheitsgrad hat Reker ihren Vorgänger Jürgen Roters (SPD) schon deutlich überflügelt. 82 Prozent der Kölner wissen, wer heute an der Stadtspitze steht. Roters Namen wussten nur 56 Prozent zu nennen. Ähnlich unbekannt war auffälligerweise auch der langjährige SPD-Oberbürgermeister Norbert Burger (61 Prozent in der Forsa-Umfrage 1995), während Fritz Schramma (CDU) mit 84 Prozent Bekanntheit (Umfrage 2008) auf Reker-Niveau rangiert. Unerreicht ist der Wert von Theo Burauen (SPD, gestorben 1987), der Köln von 1956 bis 1973 regierte und als „96-Prozent-Mann“ (Titel seiner Biografie) im Jahr 1969 praktisch jedem erwachsenen Kölner bekannt war. Apropos Bekanntheit: In der Außenwahrnehmung ist und bleibt der Dom „das“ Sinnbild und Wahrzeichen Kölns. Gefragt, was ihnen spontan zu Köln einfalle, nannten in einer bundesweiten Forsa-Erhebung 66 Prozent der Teilnehmer die gotische Kathedrale, mit weitem Abstand gefolgt vom Karneval – und der Silvesternacht 2015 (jeweils 24 Prozent, Mehrfach-Nennungen möglich).

Somit habe sich zwar das „Fremdbild“ Kölns in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert, kommentiert Forsa-Chef Güllner. Aktuell aber zeige „die intensive und zum Teil auch verwirrende Berichterstattung der Medien über die Ereignisse auf der Domplatte und dem Bahnhofsvorplatz immer noch Wirkung“.  

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