Burka-Ausstellung in EhrenfeldNackt-Proteste – Wirges: „Keine Jubelveranstaltung“

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Solmaz Vakilpour und vier Mitstreitende ziehen sich aus.

Köln – Drinnen, im Atelierzentrum Ehrenfeld, sind Frauen mit Burkas, Hidschabs und Nikabs zu sehen, überlebensgroße Fotos, Videos und Redebeiträge, die schon im Vorfeld der Ausstellung „Munaqabba - über Frauen mit Vollverschleierung in Deutschland“ für wütende Kritik sorgten: 60 Kölner Frauen hatten einen offenen Brief an das Kölner Kulturamt und das Landeskultusministerium verfasst und kritisiert, dass mit der Ausstellung „das in patriarchalischen islamischen Ländern existierende und angestrebte Frauenbild, das nach Deutschland getragen wurde, unkritisch und sogar positiv wertend weitergegeben“ würde. „Es kann doch nicht Ihr Ziel sein, die Vollverschleierung zu normalisieren.

Vollverschleierung ist keine Mode!“, heißt es in dem Brief, den auch die frühere Bundestagsabgeordnete Lale Akgün unterzeichnete.

Burkas als Symbol der Unterwerfung

Draußen ist das Gegenteil von Verschleierung zu sehen: Die Kölnerin Solmaz Vakilpour und vier Mitstreitende ziehen sich aus. Nackt oder spärlich bekleidet und mit Kunstblut bespritzt stehen sie gegenüber des Eingangsbereichs und rufen gemeinsam mit rund 30 bekleideten Demonstrantinnen: „Mein Gesicht, meine Identität!“ „Nein zur Vollverschleierung!“ Vakilpour ist aus dem Iran geflüchtet, weil sie dort „als Frau weit davon entfernt war, gleichberechtigt zu sein, ich wurde in jeder Lebenssituation unterdrückt“.

Einige der Demonstrantinnen halten Schleier an Stöcken hoch und rufen „Nein zur Vollverschleierung! Mein Gesicht ist meine Identität!“ Auf Plakaten demonstrieren sie für Frauenrechte. Unter den Frauen sind viel Iranerinnen, Türkinnen und Araberinnen. „Wir befürchten, dass mit der Ausstellung Propaganda für ein Frauenbild gemacht wird, das nicht zu einer offenen Gesellschaft passt“, sagt Ferdos Tadjini, eine der Initiatorinnen des offenen Briefs an Ministerium und Kulturamt. „Die Frauen sagen, die Verschleierungen seien für sie ein Schutz. Aber sie werden in Deutschland vom Grundgesetz geschützt.“

Fünf Bodyguards

Zwei Polizisten sind vor Ort, da die Künstlerin Selina Pfrüner, die zehn vollverschleierte Frauen in Deutschland fünf Jahre lang begleitet hat, seit einigen Tagen massiv bedroht und in öffentlichen Foren diffamiert wird. Unterdessen sichern fünf Bodyguards den Ausstellungsraum. Die Ausstellungsmacher bitten um Spenden, da die nicht eingeplanten Ausgaben für die Sicherheitsdienste das Budget sprengen.

Drinnen versammelt sich ein relativ klassisches, eher junges Kulturpublikum: Menschen, von denen sich viele eher dem linken oder linksliberalen Spektrum zurechnen würden, nur wenige Migranten. Auch ein Mann, der häufig auf Demonstrationen von extrem Rechten zu sehen ist, ist zugegen. Selina Pfrüner äußert sich überrascht und erschrocken über die Reaktionen in den vergangenen Tagen. „Ich wollte natürlich mit meinen Arbeiten eine Diskussion anregen und weiß, dass allein das Thema polarisiert“, sagt sie. „Aber die letzten Tage waren so heftig, dass das nicht so leicht wegzustecken ist.“ Ein Ausgangspunkt ihrer Recherchen sei die Frage gewesen, warum die Debatte über Verschleierungen in Deutschland so emotional geführt werde.

Fotografin wollte Fragen stellen 

Eine Ursache habe sie in der Angst vor Fremdem gefunden. „Ich wollte wissen, wer diese Menschen hinter den Verschleierungen sind. Wie ticken sie? Werden sie tatsächlich alle unterdrückt? Was bedeuten verschleierte Frauen für meine feministisch erkämpften Rechte? Ich wollte in meine eigene Angst reingehen.“ Die Antworten der Frauen hätten sie zumindest überrascht: Keine einzige sagte, dass sie gezwungen werde, sich zu verschleiern.

Konfrontiert man die Frauen draußen mit dem Ansatz der Künstlerin, sind die Reaktionen unterschiedlich, aber entschieden: „Es spricht nichts dagegen, dass die Künstlerin sich den Menschen nährt und ihnen ein Forum gibt“, sagt Achtar Impertro aus dem Iran. „Wir wenden uns aber gegen die staatliche Unterstützung der Ausstellung.“ Impertro glaubt, dass die porträtierten Frauen nur oberflächlich darüber sprechen würden, warum sie sich verschleiern – „was freiwillig ist, ist immer auch kulturbedingt. Für viele dieser Frauen gehört Unterwerfung unter den Mann zur Kultur – das widerspricht aber dem deutschen Grundgesetz.“

Das Grundgesetz garantiere gerade auch die Freiheit der Kunst, sagt drinnen Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD), und hebt zu einer Verteidigung der Ausstellung an: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt für alle, auch für die Künstlerin.“ Er lege Wert darauf, dass „diese Ausstellung keine Jubelveranstaltung für Burkas ist. Es geht um eine kritische Auseinandersetzung. So steht es im Projektantrag, so verstehe ich es auch“. Und weiter: „Damit das klar ist, ich würde nie eine vollverschleierte Frau im Rathaus einstellen. Ich muss einem Menschen in die Augen gucken, Face to face.“ Die Menschen draußen könne er verstehen, so Wirges. „Einige von ihnen wurden in ihrer Heimat gefoltert.“ Ihnen sei in der alten Heimat die Würde genommen worden – „und natürlich geht es bei solch einer Ausstellung auch um die Frage nach der Würde der Frauen.“

Akhtar Impertro ist selbst Journalistin, Meinungsfreiheit sei für sie besonders wichtig. „Aber Journalisten und Künstler müssen sich trotzdem immer überlegen, ob sie eine Gesellschaft mit dem, was sie schreiben, fotografieren oder sagen eher zusammenbringen oder spalten. Der politische Islam versteht keine Toleranz – und solch eine Ausstellung wird von vielen als Werbung für ihn verstanden, auch wenn die Künstlerin das gar nicht will.“ 

Solmaz Vakilpour, die mit Nackt-Protesten für einen kriegsfreien Tag im Jahr („Warless Day“) kämpft und mit Frauen der Femen-Bewegung zusammenarbeitet, kritisiert das Projekt schärfer. „Eine solche Ausstellung, die vom Ministerium mit Geld gefördert wird, richtet sich gegen alle, die für Frauenrechte in islamischen Ländern kämpfen“, sagt sie. „Burkas werden seit dem Mittelalter in islamischen Ländern politisch ausgenutzt. Sie sind ein Symbol für die Unterwerfung der Frauen. Es ist der falsche Ansatz, das mit Fotos und netten Worten zu romantisieren. Medien in islamischen Ländern sehen in der Ausstellung ein Indiz dafür, dass Verschleierung in Deutschland akzeptiert wird.“

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Statt die Ausstellung zu fördern, „hätte man das Geld lieber in die Bildung von Frauen stecken sollen, die sich in Deutschland voll verschleiern“.

Kultusministerium spricht von kritischer Auseinandersetzung

Das Kultusministerium verwies in einer Stellungnahme darauf, dass es „im Projektantrag explizit um eine kritische Auseinandersetzung mit fundamentalistischen Lebensarten und Weltanschauungen und gerade nicht um deren Förderung“ gehe. Dafür sprechen auch zahlreiche Diskussionen in den kommenden Tagen.

Die Ausstellung ist vom 21. bis zum 30. Juni im Atelierzentrum Ehrenfeld (AZE), Hospeltstraße 69, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 16-20 Uhr, Samstag-Sonntag: 14-18 Uhr. 

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